Herr Minister, Sie haben eben gesagt, dass Sie einen Nachtragshaushalt anstreben. Können Sie das genaue Datum nennen? Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie heute den Nachtrag in den Landtag einbringen wollen? Wenn nein, wann genau?
aber ich gehe davon aus, dass im Umlaufverfahren heute, nachdem dieser Weg gestern grundsätzlich so beschieden worden ist, die Einbringung „offengemacht“ wird. Dann hätten wir die Möglichkeit, das heute Abend oder spätestens morgen einzubringen. Die Frage, ob man dann im Finanzausschuss in einem verkürzten Verfahren die Beratung aufnimmt, muss das Parlament entscheiden.
Herr Minister, trifft es zu, dass es eine Zusatzvereinbarung gibt, nach der bei einer Inanspruchnahme der Rückgarantie der Träger – Land, Sparkassen und Stadt Stuttgart – Belastungen der Träger vermieden werden sollen? Wie ist das im Fall der konkreten Inanspruchnahme der Rückgarantien vorstellbar? Entweder es gibt Garantien, oder es gibt keine. Wer soll dann die Belastungen der Rückgarantien tragen, wenn die Träger eigentlich nicht belas tet werden sollen?
Im Falle des Ausfalls ist in der Trägervereinbarung geregelt, die Träger zu belasten. Sie kennen den Inhalt. Wir haben die Inhalte offengelegt, und ich weiß, dass Sie sich sehr gut und gründlich kundig gemacht haben. Mir ist nichts anderes ersichtlich. Oder haben Sie jetzt konkret einen Paragrafen in der Trägervereinbarung vor Augen, der da gelten sollte? Entschuldigung, dass ich jetzt rückfrage, Herr Präsident. Gibt es einen Paragrafen, auf den Sie mich jetzt aufmerksam machen wollten?
Nein. Es steht halt im Text. Ich habe die Vereinbarung nicht hier. Man darf sie ja nur einsehen und nicht kopieren.
Bei einer Inanspruchnahme der Rückgarantien sollen Belastungen der Träger vermieden werden. Aber entweder stehen sie dafür gerade oder nicht. Ist vielleicht die Formulierung missverständlich?
Das ist vielleicht ein Missverständnis. Das ist das, was Sie vorhin mit dem Risikopuffer erwähnt haben. Alles, was wir aus Zinsen und auch aus Garantiegebühr einnehmen, gibt die Möglichkeit, den ersten Ausfall abzudecken. Es ist selbstverständlich, dass wir daraus die Ausfälle abdecken wollen; und alles, was abgedeckt wird, wird anschließend nicht mehr anteilig auf die Träger verteilt. Das können wir in weiteren Finanzausschussberatungen aufgreifen, falls Sie mir sagen können, an welcher Stelle etwas anderes notiert ist.
interessiert mich noch: Wie hoch ist die Garantiegebühr der Zweckgesellschaft gegenüber dem Land? Halten Sie, wenn Sie es dann sagen, die Gebühr für marktgerecht? Gibt es Signale der EU, dass das auch geht?
Das ist genau das, was wir mit der EU in dem weiteren Modifizierungsverfahren konkret festmachen müssen. Ich hoffe, dass wir im Zuge der parlamentarischen Beratung hierüber mehr sagen können. Im Moment möchte ich darüber nicht spekulieren; denn das ist wirklich eine ganz wichtige Marke, die von den Gesprächen mit der Kommission abhängt.
Wir kommen jetzt zu einem neuen Thema. Die Opposition kann jetzt ein Thema wählen, entweder – vorrangig – eines aus der gestrigen Kabinettssitzung oder ein eigenes Thema.
Herr Präsident, vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Tagen war in der Presse zu lesen, dass Kultusminister Rau dem Kabinett in seiner gestrigen Sitzung vorschlagen werde, den Zeugen Jehovas die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts auszusprechen. Diese Anerkennung wäre faktisch eine Gleichstellung dieser Sekte mit den Volkskirchen und wäre nicht nur ein Imagegewinn für diese Sekte, sondern hätte auch zahlreiche Privilegien zur Folge, zahlreiche finanzielle Privilegien vor allem im Steuer-, Kosten- und Gebührenrecht.
Für die Mitglieder, die unter den Methoden dieser Gemeinschaft leiden, und für diejenigen, die ausgestiegen sind und noch immer unter diesen Erfahrungen leiden, ist allein diese Ankündigung schon ein Schlag ins Gesicht.
Selbsthilfegruppen und die Kirchen reagieren deshalb zu Recht entsetzt auf dieses Vorhaben. Ich zitiere den Sprecher der Diözese Rottenburg-Stuttgart, der gesagt hat:
Die Diözese kann nicht nachvollziehen, dass jetzt in einer Art vorauseilendem Gehorsam einem möglichen Rechtsstreit aus dem Weg gegangen wird.
In diesem Zusammenhang ein kurzer Blick auf die Historie. Auslöser war das Land Berlin, das nach einem jahrelangen Rechtsstreit die Erstanerkennung ausgesprochen hat. Darauf folgten weitere Anträge der Zeugen Jehovas auch in den anderen Bundesländern. Das bedeutet aber nicht, dass man jetzt sozusagen in Form eines Automatismus diese Anträge auch anerkennen muss. Jedem Land steht frei, ein eigenes Prüfverfahren einzuleiten und eine eigene Bewertung vorzunehmen.
Das war bislang auch die Position der Landesregierung. Ich darf in diesem Zusammenhang die „Stuttgarter Nachrichten“ vom 28. Juni 2007 zitieren:
Das Stuttgarter Kultusministerium sieht sich durch das Berliner Urteil allerdings nicht gebunden, sondern hat ein eigenes umfangreiches Verfahren eingeleitet, um die Rechts- und Verfassungstreue zu prüfen.
Erstens: Das Land sah sich nicht an das Berliner Urteil gebunden. Zweitens wurde ein eigenes umfangreiches Prüfverfahren angekündigt.
Von einem solchen Prüfverfahren wissen wir nichts. Stattdessen will der Kultusminister jetzt ohne Not diese Anerkennung aussprechen.
Wir fragen uns: Was hat denn diesen Sinneswandel des Kultusministers ausgelöst? Warum hat ein solches Prüfverfahren nicht stattgefunden, und warum will der Kultusminister nicht alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um dem Antrag eben nicht stattgeben zu müssen? Denn wir wissen nicht, welche Sachverhalte ein solches Prüfverfahren in Baden-Würt temberg zutage bringen würde, und wir wissen auch nicht, wie die Gerichte hier in Baden-Württemberg entscheiden würden.
Jetzt wurde dieser Sachverhalt im Kabinett vertagt. Das haben wir gehört und gelesen. Wir fragen Sie: Wie soll es jetzt weitergehen? Werden Sie dieses umfangreiche Prüfverfahren, das Sie bereits vor zwei Jahren angekündigt haben, nun durchführen? Werden Sie Berichte von Aussteigern ernst nehmen, die ja auch sehr detailliert wiedergeben, wie die Sekte steht, und zwar im Umgang mit ihren Mitgliedern und auch im Verhalten gegenüber der Gesellschaft und dem Staat? Werden Sie alle rechtlichen Schritte ergreifen, die möglich sind, um diese Anerkennung zu verhindern? Dazu fordern wir Sie auf.
Nachdem Herr Minis ter Rau für den heutigen Tag krankgemeldet ist, erhält Herr Staatssekretär Wacker das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kabinettsvorlage zu dem Vorhaben des Kultusministeriums, die Zeugen Jehovas als Körperschaft des öffentlichen Rechts anzuerkennen, betrifft keinen Vorgang, den wir mit einem Wohlwollen begleiten, sondern einen Vorgang, der uns im Grunde zutiefst zuwider ist. Wenn Sie Kritik an den Zeugen Jehovas formulieren, dann teile ich diese Kritik, weil nach unserem Verständnis die Zeugen Jehovas viele Bräuche pflegen und viele Gedanken formulieren, die dem Werteverständnis der etablierten und auch anerkannten Religionsgemeinschaften nicht entsprechen.
Allerdings sind wir an die Rechtslage gebunden. Wir in Baden-Württemberg bewegen uns gegenüber den anderen Bundesländern und erst recht gegenüber dem Bundesverfassungsgericht nicht in einem rechtsfreien Raum. Deswegen möchte ich gern auf die einzelnen Stationen hinweisen.
Es gab seitens der Zeugen Jehovas in Deutschland eine Klage vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin. Dieser Klage wurde am Ende im Jahr 2006 durch ein rechtsgültiges Bundesverfassungsgerichtsurteil entsprochen. Die anderen Bundesländer haben sich aufgrund dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung darauf verständigt, ein sehr eingehendes Prüfungsverfahren in die Wege zu leiten. Alle Bundesländer haben auf Fachebene die einzelnen Schritte abgestimmt, und mittlerweile haben einzelne Bundesländer bereits diese Anerkennung vollzogen. Acht Bundesländer haben bisher diese Anerken
nung vorgenommen. Parallel zu den konkreten Überlegungen in Baden-Württemberg haben dies zwei weitere Bundesländer in Vorbereitung. Das heißt, dass in Kürze nahezu zwei Drittel aller Bundesländer diesen rechtlichen Rahmen erfüllt haben, zumal das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil ganz klar zum Ausdruck gebracht hat, dass das Prinzip der Rechtstreue auch das Prinzip der Religionsfreiheit zu berücksichtigen hat.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 19. Dezember 2000 ganz klar formuliert – ich darf eine Passage daraus zitieren –:
Eine darüber hinausgehende Loyalität zum Staat verlangt das Grundgesetz nicht. … Ob einer antragstellenden Religionsgemeinschaft der Körperschaftsstatus zu versagen ist, richtet sich
nicht nach ihrem Glauben, sondern nach ihrem Verhalten. … Allerdings stellt nicht jeder einzelne Verstoß gegen Recht und Gesetz die Gewähr rechtstreuen Verhaltens infrage.
Wir haben sehr wohl auch in Baden-Württemberg eine sehr intensive Prüfung vorgenommen. Es gibt Einzelvorgänge, die wir gerade im Abstimmungsprozess gegenüber den anderen Bundesländern durchaus geltend gemacht haben, von denen wir sehr wohl wissen, dass es in Baden-Württemberg auch zu Einzelschicksalen kam, beispielsweise dass ein Jugendlicher deswegen verstarb, weil man ihm eine Bluttransfusion nicht ermöglichte. Dies ist aber nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts kein ausreichender Grund, um die Rechtstreue der Zeugen Jehovas infrage zu stellen.
In diesem Zusammenhang hat nach diesem sehr intensiven Prüfungsvorgang mit den anderen Bundesländern eine weitere Prüfung stattgefunden. Beispielsweise muss der Nachweis der Mitgliederzahl – –
Gleichzeitig wurde die Mitgliederzahl der Zeugen Jehovas zugrunde gelegt, und auch nach diesem Kriterium ist die Voraussetzung gegeben, da in Baden-Württemberg über 30 000 sogenannte getaufte Mitglieder dieser Sekte oder Religionsgemeinschaft angehören. Darüber hinaus konnte auch belegt werden, dass die Bestehenszeit der Zeugen Jehovas über 30 Jahre nachvollzogen werden kann. Auch kann eine hinreichende Finanzausstattung dieser Gemeinschaft aufgrund des Prüfungsberichts des Wirtschaftsprüfers nachgewiesen werden.
Daneben bleibt der heikelste Punkt die Prüfung der Rechts treue. Hier sagt das Bundesverfassungsgericht, dass es sehr bedauerlich sei, wenn es diese schicksalhaften Einzelvorgänge gibt, dass dies aber nicht ausreiche, um eine Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu versagen.
Deshalb haben wir im Ministerrat als Beratungsgegenstand eingebracht, auch in Baden-Württemberg diese Anerkennung herbeizuführen. Wir fühlen uns dazu nach Bundesrecht verpflichtet. Außerdem ist kürzlich eine Absprache aller Chefs der Staatskanzleien erfolgt, diesen Prozess in nächster Zeit konzentriert weiterzuverfolgen. Wir werden bezüglich des weiteren Vorgehens auch den Dialog mit den Kirchen suchen.
Herr Staatssekretär Wacker, ich habe mich über Ihre Argumentation etwas gewundert. Es ist natürlich klar, dass man den Zeugen Jehovas mit solchen Argumenten, wie Sie sie vorgetragen haben, dass sie sich in ihren Sitten und Gebräuchen nicht an die Kirchen anlehnten, nicht den Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts verweigern kann. Es ist doch der Inhalt der Glaubensfreiheit, dass man glauben kann, was man möchte. Da muss man sich nach niemandem richten. Da wundert es mich nicht, dass Sie zu einer solchen Entscheidung kommen.