Protokoll der Sitzung vom 14.05.2009

Was ist der Vorgang? Die Kommission legt das Recht so aus, dass bei Beteiligung von Privaten an Zweckverbänden die Aufgabe der Wasserversorgung dem Wettbewerb und damit Ausschreibungen unterliegt. Sie legt in ihrer Kommunikation nahe, dass in der interkommunalen Zusammenarbeit, also in der Regel bei Zweckverbänden, auch die Beteiligung von Privaten dazugehöre.

Was ist das Problem? Erstens ist es die Einordnung der Wasserversorgung unter den künstlichen Begriff der EU-Kommission „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ im Gegensatz zu „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“, wie etwa Bildung. Es ist allein schon problematisch, zu argumentieren, dass ein wirtschaftliches Interesse vorliegt, wenn eine Gebühr fließt.

Zweitens geht es um das Problem, dass wir eine Gefährdung existierender Kooperationen haben.

Drittens haben wir als Problem die Aushöhlung kommunaler Selbstverwaltung in einer ihrer ureigensten Ausprägungen, nämlich der interkommunalen Zusammenarbeit.

Schließlich geht es darum, dass die Landesregierung diese Situation gern freundlich kommentiert, aber nach unserer Ansicht nichts dagegen unternimmt. Wir wollen mit dieser Debatte bewirken, dass auch etwas unternommen wird.

Andere sind etwas aktiver oder bieten sich aktiv an. Die Kommission selbst empfiehlt, dass eine Ausschreibungspflicht bei solchen Inhouse-Vergaben existieren soll, ist also mit einer Kommentierung vorstellig geworden. Das Europäische Parlament bietet an: Wir lösen das für euch. Wir machen eine Rahmenrichtlinie für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse. Das ist eine Frage, die man mit höchster Zurückhaltung beantworten muss. Denn eine solche horizontale Regelung ist angesichts der sehr unterschiedlichen, landestypisch kulturell geprägten Konzepte von öffentlicher Wirtschaft nicht unbedingt eine Regelung, die das berücksichtigt, was wir gern hätten. Trotzdem kann es eine Option sein.

Der Bund selbst wurde auch aktiv, und zwar insofern, als er eine Klarstellung zugunsten der öffentlichen Wasserwirtschaft strich, die vor einigen Monaten in einem Referentenentwurf zu einer Novelle von § 99 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vorgesehen war. In der nun verabschiedeten Fassung ist aufgrund des Betreibens der CDU-Bundestagsfraktion die entsprechende Passage zur Klarstellung plötzlich herausgefallen. Mit dieser hätten wir unseren Anspruch gegenüber der EU markieren können, indem wir sagen: Bei dem, was wir an kommunalen Aktivitäten bei der Wasserwirtschaft haben, gilt das deutsche Recht.

Bei alldem ist für uns sehr schwer nachzuvollziehen, dass das Land selbst wenig tut.

In der Stellungnahme zu unserem Antrag zeigt sich, Frau Ministerin, ein Problembewusstsein des Umweltministeriums. Es gibt aber leider eine Problemumdeutung durch das Wirtschaftsministerium. Ich zitiere eine Passage aus der Stellungnahme und frage, ob diese heute, ein Jahr später, wirklich noch so aufrechterhalten wird:

Dessen ungeachtet sollten nach Auffassung des Wirtschaftsministeriums, angesichts des erheblichen Investitionsbedarfs in der Wasserversorgung und des Erfordernisses einer effizienten Bereitstellung von Wasser, Privatunternehmen stärker einbezogen und mehr Wettbewerbselemente eingeführt werden.

Ich frage mich schon, ob im Lichte der Havarie – ich bin da noch zurückhaltend – des Turbokapitalismus der letzten Jahre, bei dem alles privatisiert wurde, diese Position wirklich noch aufrechtzuerhalten ist. Sie ist unzeitgemäß, sie ist falsch, und sie ist schädlich für die gewachsene kommunalwirtschaftliche Praxis in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen: Frau Ministerin, vielleicht können Sie Ihrem Kollegen einmal sagen, dass man aus dieser Stellungnahme vielleicht wieder etwas herausnehmen kann.

Ich will nur kategorisch sagen: Wasser ist ein öffentliches Gut. Es soll nicht dem Wettbewerb am Markt ausgesetzt werden. Bei den Städten und Gemeinden als Besitzer und Betreiber ist es in bester Hand. So ist es am besten.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU – Abg. Walter Heiler SPD: So ist es!)

Derzeit befinden sich alle in Wartehaltung. Nach den Wahlen zum Europäischen Parlament wird sich das möglicherweise

ändern, dann wird es eine neue Kommission und eine andere Parlamentszusammensetzung geben. Deshalb muss das Land handeln – für sich in seiner eigenen Verantwortung und über die Europapolitik, direkt oder über den Bundesrat. Wir haben dazu vier Punkte vorgeschlagen.

Erstens haben wir vorgeschlagen, das Gesetz zur kommunalen Zusammenarbeit zu novellieren. Wir wollen, dass eine Verpflichtung eingeführt wird, dass an Zweckverbänden keine Privaten beteiligt werden dürfen. Wir halten diese Regelung für richtig, auch der Gemeindetag hält sie in der Tendenz für richtig, und deswegen sollte das kommen.

Zweitens: Wir meinen, dass in der Gemeindeordnung eine Verpflichtung für alle Gemeinderäte zu verankern ist, Gutachten vorzusehen, sobald Privatisierungspläne da sind.

Drittens wollen wir eine Leitbildänderung für eine zukunftsfähige Trinkwasserversorgung – Frau Ministerin, das ist Ihre ausschließliche Verantwortung – haben. Wir sind der Meinung, dass Sie schauen sollten, was dort heute noch an Privatisierungsattitüden des Wirtschaftsministeriums vorhanden ist.

Viertens: Wir glauben auch, dass im deutschen Wettbewerbsrecht die interkommunale Zusammenarbeit gerecht – auch wirklichkeitsgerecht – zu präzisieren ist.

Ich glaube auch, dass wir frühzeitig dafür eintreten sollten, dass kommunale und regionale Strukturen der Daseinsvorsorge in der Europapolitik, im Europäischen Parlament abgesichert werden. Ich sage einmal an dieser Stelle: Auch wenn wir uns, Union und SPD, in diesem Hause, bei diesem Punkt gegenseitig in die Augen schauen können, so habe ich nicht immer den Eindruck, dass die Europaabgeordneten der CDU – für die der FDP gilt das ohnehin – in dieser Hinsicht so sattelfest sind. Unser Eindruck ist, dass in Brüssel bei der CDU mehr marktradikal gesprochen wird als hier im Parlament in Baden-Württemberg. Ich fordere Sie auf, hier einmal zuguns ten der kommunalen Wirtschaft eine einheitliche Linie bei sich einzuziehen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Reinhold Pix GRÜNE)

Mehr dazu in den mir noch verbleibenden drei Minuten in der nächsten Runde. Dann will ich darauf eingehen, was unseres Erachtens in diesem Zusammenhang künftig von Baden-Würt temberg aus besser angegangen werden muss, um in der Wasserversorgung das öffentliche Interesse überwiegen zu lassen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Ulrich Müller CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Raab für die Fraktion der CDU.

Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wasser ist der Ursprung aller Kreaturen, das wichtigste Nahrungsmittel,

(Zuruf des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP)

ein Gut also, das unserer besonderen Aufmerksamkeit und unseres nachhaltigen Schutzes bedarf.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Richtig!)

Die Wasserversorgung ist Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung, die in Baden-Württemberg hervorragend organisiert ist.

(Beifall des Abg. Ulrich Müller CDU – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: So ist es!)

Mit großer, mit erheblicher finanzieller Hilfe des Landes wurde eine Versorgungsstruktur aufgebaut, die gewährleistet, dass beste Wasserqualität zu jeder Zeit sicher dargeboten wird.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: So ist es!)

Wir setzen auf einen dreistufigen Verbund von 1 000 örtlichen, 200 Gruppen- und vier Fernwasserversorgungen. Große Teile unseres Landes sind Wasserschutzgebiete. Die 2 600 Wassergewinnungsanlagen gehören als Regie- oder Eigenbetriebe den Kommunen oder als öffentlich-rechtliche Verbände dem öffentlichen Sektor an. Das ist Daseinsvorsorge, die im Rahmen der Subsidiarität dort bleiben muss, wo sie heute ist, nämlich bei den Gemeinden.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der SPD so- wie des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE – Abg. Reinhold Gall SPD: Genau! – Abg. Walter Heiler SPD: Genau! Sehr gut!)

Damit halten wir an der dezentralen, ortsnahen Versorgung fest. Um Wirtschaftlichkeit und hohe Qualität beizubehalten, müssen die Optimierungspotenziale in der Konzentration der kommunalen Kräfte gesucht werden. Dazu ist die Rechtsform der Zweckverbände bestens geeignet.

(Abg. Walter Heiler SPD: Bis jetzt eine gute Rede! – Gegenruf des Abg. Ulrich Müller CDU: Es wird nicht schlechter!)

Vielen Dank, Herr Kollege. Das Lob nehme ich gern an. Abwarten, bis sie fertig ist!

(Heiterkeit – Abg. Walter Heiler SPD: Hoffentlich bleibt es so! – Gegenruf des Abg. Ulrich Müller CDU: Das bleibt!)

Vor diesem Hintergrund müssen die Aktivitäten der Europäischen Kommission gesehen werden. Die 2007 zum Abschluss der deutschen EU-Ratspräsidentschaft verabschiedete Protokollerklärung über die Dienste von allgemeinem Interesse, die dem Lissabon-Vertrag beigefügt wurde, erhält den Ermessensspielraum für die Organisation und die Finanzierung und ist damit eine Bestätigung der Artikel 28 des Grundgesetzes und 71 der Landesverfassung.

Das bedeutet für uns: Die DAI, die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, bleiben eigenverantwortlich kommunal, gleichgültig ob öffentlich-rechtlicher oder teilweise privater Natur. Der Bundesrat begrüßte 2008, dass die EU-Kommission die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten bei DAI bestätigt hat. Wir werden mit großer Aufmerksamkeit überwachen, dass die im Lissabon-Vertrag erstmals EU-rechtlich verankerte kommunale Selbstverantwortung und die damit verbundene

Gestaltungsfreiheit auch und gerade bei der Wasserversorgung anerkannt bleiben.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Richtig!)

Das heißt auch: Wir erkennen an, dass bei freihändiger Vergabe an Dritte ein transparentes Verfahren angewandt werden muss. Wir wollen nicht, dass die EU wie beim Strom Oligopole ermöglicht; denn Trinkwasser ist nicht wie Strom beliebig produzierbar und transportierbar. Im Übrigen sind beim Strom die Preise auch nicht gefallen, wie zunächst erwartet wurde, sondern im Gegenteil gestiegen.

Wir wollen keine britischen Verhältnisse.

(Abg. Walter Heiler und Abg. Peter Hofelich SPD: Sehr gut!)

Diese zeigen uns, was auf uns zukommen würde, wenn sich die EU durchsetzen würde. Die EU hat dazu kein Recht. Die öffentliche Daseinsvorsorge ist in Baden-Württemberg in bes ten Händen, und da soll sie auch bleiben.

(Abg. Walter Heiler SPD: Bei den Kommunen!)

Ja, bei den Kommunen. Das sagte ich vorhin.

(Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Richtig!)