Protokoll der Sitzung vom 14.05.2009

(Abg. Reinhold Gall SPD: Altbekannte!)

Das Ministerium hat darüber hinaus eine gutachterliche Äußerung über die Erfolgsaussichten des Disziplinarverfahrens bei der Anwaltskanzlei Eisenmann/Wahle/Birk erbeten. Am 30. März 2006 teilte der Rechtsanwalt mit, dass mit einer Entfernung von Professor Friedl aus dem Dienst mit größerer Wahrscheinlichkeit nicht zu rechnen ist.

Das waren unsere Grundlagen: der Beschluss des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der Einbehaltung der Besoldungsbezüge, den der VGH bestätigt hatte, das Strafurteil des Landgerichts, das der BGH bestätigt hatte, und eine zusätzliche negative Prognose. Wohlgemerkt: Die Approbation als Arzt besaß Professor Friedl weiterhin und besitzt sie noch.

Auf dieser Basis bestand für uns zunächst keine realistische Aussicht, ein erfolgreiches Disziplinarverfahren – mit einem erfolgreichen Disziplinarverfahren meine ich immer die Höchststrafe, nämlich die Entfernung aus dem Dienst – durchzuführen. Dem stand nun ein Mahnbescheid der Gegenseite vom 3. Februar 2005 vom Amtsgericht Stuttgart, der an das Landgericht Stuttgart abgegeben wurde, auf materiellen und immateriellen Schadensersatz für Professor Friedl in Höhe von 4,45 Millionen € entgegen.

Je geringer die Chancen im Disziplinarverfahren wurden, desto größer wurden das Risiko für das Land, erhebliche Entschädigungsleistungen zahlen zu müssen, und natürlich auch die Gefahr einer Rückkehr von Professor Friedl. Zudem liefen und laufen die C-4-Bezüge weiter. Die Presse und auch Sie als Abgeordnete haben zu Recht darauf gedrängt, das Verfahren schnell zu beenden. Aber das ging nicht über das Disziplinarverfahren, sondern dies ging nur über einen Vergleich.

Ich habe dem Universitätsklinikum trotzdem am 24. Oktober 2007 mitgeteilt, dass ich derzeit einen Vergleich mit Professor Friedl ablehne. Dies habe ich auch im Wissenschaftsausschuss erläutert.

Gegen die Fortsetzung des Disziplinarverfahrens hat sich der Aufsichtsrat des Klinikums am 17. Januar 2008 gewandt. Er sah die Interessen von Universität und Klinikum durch unser Verhalten nicht mehr angemessen berücksichtigt und bat nachdrücklich um ein Gespräch mit mir.

Wir haben dann auch eine Teilsuspendierung von Professor Friedl geprüft, nämlich eine Weiterbeschäftigung an der Universität ausschließlich für Forschung und Lehre. Mit Schreiben vom 20. März 2008 hat der damalige Rektor, Professor Jäger, dieses Ansinnen nachdrücklich und deutlich abgelehnt. Er befürchtete eine Schädigung der Reputation der Universität im Zuge des Verfahrens der Exzellenzinitiative.

Wir haben, wie gesagt, das Disziplinarverfahren dreimal erweitert. Ich habe darauf gedrängt, dass der Untersuchungsführer einen Zwischenbericht abgibt. Auch dies hatte ich im Wissenschaftsausschuss erläutert. Ich hatte dort auch erläutert, dass ich mein weiteres Verhalten, ob wir den disziplinarrechtlichen Weg weiterverfolgen oder den Vergleichsweg einschlagen – darüber war der Wissenschaftsausschuss informiert, und wir haben darüber diskutiert –, von der Einschätzung des Untersuchungsführers im Disziplinarfall abhängig mache.

Am 20. Oktober 2008 teilte der Disziplinarführer mit, dass er, Professor Friedl – Zitat –,

seine Tätigkeit – unter Zubilligung eines einem Ärztlichen Direktor zukommenden Spielraums – ganz überwiegend beanstandungsfrei ausgeführt hat.

Das ergibt sich übrigens aus der Begründung des strafrechtlichen Urteils.

(Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Weiter im Zitat:

Legt man die vorläufig hinreichend sicher feststellbaren Dienstvergehen und die Feststellungen aus dem Urteil des Landgerichts Freiburg vom 18. Februar 2003, die grundsätzlich bindend sind, zugrunde, dürfte – nach vorsichtiger Bewertung – Entfernung aus dem Dienst als Disziplinarmaßnahme, das heißt die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme, jedenfalls sehr fraglich sein.

Weiter formuliert der Untersuchungsführer:

Angesichts der bisherigen Ermittlungsergebnisse und der gegebenenfalls noch erforderlichen weiteren Ermittlungen, deren Ausgang in hohem Maß ungewiss ist, er

scheint aus der Sicht des Untersuchungsführers eine Verständigung zwischen dem Beamten und dem Land BadenWürttemberg außerhalb des förmlichen Disziplinarverfahrens sinnvoll.

An diese Empfehlung des Untersuchungsführers habe ich mich letztlich gehalten.

Herr Stickelberger, wir sind auch der Auffassung, dass der Vergleich rechtmäßig war. Ich sage „war“ und greife damit auch schon auf, was ich zu dem weiteren Schicksal sagen werde.

Wenn man die Privatliquidationserlöse von Professor Friedl in Höhe von 356 600 € im Jahr 1999 zugrunde legt – vor Steuern –, weiß man, dass die Forderung der Gegenseite auf eine Entschädigung in Höhe von 5,45 bis 6,75 Millionen € nicht aus der Luft gegriffen war.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Hätten Sie den denn weiterhin liquidieren lassen? – Zuruf des Abg. Rein- hold Gall SPD)

So schwer verständlich es für einen Normalverdiener auch ist: Diese Summe war in Relation zu den Einkommen von Chefärzten nicht zu hoch.

Wie ist der VGH-Beschluss vom 24. April 2009 nun zu werten? Er geht auf die Veranlassung meines Ministeriums zurück, nämlich die Kündigung der Berufungsvereinbarung, die den Bereich der ärztlichen Tätigkeit als Chefarzt und der Privatliquidationsrechte umfasst. Diese Frage der Privatliquidationsrechte spielt in dem vorliegenden Vertrag eine entscheidende Rolle. Es hat übrigens noch nie eine solche Kündigung mit einem Urteil im Bundesgebiet gegeben. Wir sind hier auf einem völlig neuen Feld der Rechtsprechung.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Es hat auch noch keiner so sehr gepfuscht! – Zuruf des Abg. Martin Ri- voir SPD)

Insofern sind wir mit diesem Verfahren, das wir angestrengt haben, letztlich erfolgreich gewesen, wenngleich es wesentlich besser gewesen wäre, wir wären früher als am 24. April 2009 erfolgreich gewesen.

Der Vorsitzende des 9. Senats hatte vorher, nämlich am 2. Januar 2007, den beiden Parteien mitgeteilt, dass er dieses Verfahren, um das es jetzt geht, ruhen lassen wollte, und regte eine entsprechende Antragstellung durch die Parteien an. Genau dies ist in den Vertrag, um den es geht, aufgenommen worden. Das Privatliquidationsrecht ist ein wesentlicher Bestandteil dieses Vertrags und eine wesentliche Begründung.

Die Voraussetzungen für einen Vergleich sind, dass man eben nicht vor Gericht weiter streitet. Vielmehr nimmt der Vergleich beiden Seiten die rechtlichen Risiken eigentlich ab, und man einigt sich eben außergerichtlich. Deshalb ist die Erledigterklärung der Verfahren, um die es geht, ein zentraler Bestandteil dieses Vertrags, vor allem des Teils, auf dem die Entschädigungssumme letztlich basiert. Das Urteil des VGH bedeutet, dass dieser Vergleich nicht mehr vollzogen werden kann.

Ich habe deshalb das Universitätsklinikum –

(Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

das Universitätsklinikum ist die zahlende Stelle; das ist nicht das Land gewesen – angewiesen, die Zahlung auf Dauer nicht vorzunehmen.

Zweitens habe ich den Rechtsvertretern von Professor Friedl mitgeteilt, dass der Vertrag für das Land und für das Universitätsklinikum nicht mehr durchführbar ist, und weiter, dass das Disziplinarverfahren gegen Professor Friedl fortgesetzt wird. Dies ist den Anwälten so mitgeteilt worden.

Wir prüfen weitere mögliche disziplinarrechtliche Maßnahmen.

Es besteht also für die Geldzahlung an Professor Friedl im Sinne des Vergleichs keine Grundlage mehr. Den disziplinarrechtlichen Weg, der jetzt wieder mit allen Risiken offen ist – auch mit dem Risiko, dass dieser Prozess verloren wird und damit eine extrem schwierige Situation eintritt –, wollen wir so zügig wie möglich fortsetzen und mit aller Kraft auch erfolgreich abschließen. Dabei bedeutet „erfolgreich“ für mich, dass Professor Friedl aus seinem Beamtenverhältnis entlassen wird, die Zahlung der Bezüge eingestellt werden darf, er seine Pensionsansprüche verliert und die minimale Nachversicherung erhält.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das ist ja zum Ein- schlafen!)

Was sind die Lehren aus diesem Fall? Eine Lehre ist, dass wir ein äußerst kompliziertes Landesdisziplinarrecht haben. Seit dem 12. Oktober 2008 gilt ein neues Disziplinarrecht, das keinen Untersuchungsführer mehr vorsieht, das also sehr viel rascher zu einem Ergebnis geführt hätte.

(Abg. Ute Vogt SPD zu Abg. Ursula Haußmann SPD: Du kannst froh sein, dass er jetzt Minister ist und nicht mehr Professor! Die armen Studenten!)

Wir prüfen auch bei der Novelle des Universitätsklinikagesetzes, ob nicht die komplizierten Rechtsverhältnisse des Beamten auf Lebenszeit an der Universität, in der Fakultät, auf der einen Seite und des Chefarztes auf der anderen Seite auch wesentlich zu der Verfahrenheit dieses Falles Friedl beigetragen haben. Wir tendieren dazu, Chefärzte nicht mehr als Beamte auf Lebenszeit einzustellen.

(Abg. Ute Vogt SPD: Das ist ja vernünftig!)

Dies ist kein Misstrauensvotum gegen Chefärzte; denn das Wichtigste muss für alle sein, dass es möglichst wenig schwarze Schafe gibt, die das Ansehen und die Reputation der gesamten Zunft beschädigen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Dafür müssen doch Sie sorgen!)

Wir sorgen ja dafür.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Oje! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Wer hat den denn ins Amt ge- bracht?)

Der Wissenschaftsausschuss hat eine kluge Empfehlung abgegeben. Wir sind dieser Empfehlung bereits weitestgehend gefolgt. Insofern wird das Disziplinarverfahren jetzt fortgeführt. Ich hoffe, dass es uns trotz aller Schwierigkeiten, die

aus den Indizien abzulesen sind, gelingen wird, dieses Verfahren erfolgreich durchzuführen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Sitzmann.

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Jetzt kann alles nur schwächer werden! – Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Ende des Proseminars!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Kollege Löffler, aber auch Minister Frankenberg haben den Eindruck erweckt, wir wären in einem juristischen Proseminar. Das ist nicht der Fall.

(Beifall bei den Grünen – Lebhafte Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Dr. Dietrich Birk: Das war mindes tens Hauptseminar! – Unruhe)