Protokoll der Sitzung vom 14.05.2009

(Abg. Peter Hofelich SPD: Ist das ländlicher Raum?)

Die Pauschalierung stimmt also schlichtweg nicht. Es ist wahr, dass Arbeitnehmer im ländlichen Raum unter Umständen weiter fahren müssen. Aber der entscheidende Punkt ist doch, dass einerseits Wirtschaftskraft im ländlichen Raum vorhanden ist und dass andererseits die Menschen im ländlichen Raum eine solche Lebensqualität vorfinden, dass sie auch eine um 5 oder 10 km weitere Entfernung zum Arbeitsplatz in Kauf nehmen und in den Dörfern und Gemeinden bleiben. Genau dies haben wir in der Vergangenheit erreicht, und genau dies müssen wir auch in der Zukunft sicherstellen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, natürlich geht die aktuelle Konjunkturkrise nicht spurlos an den Unternehmen vorbei, weder in der Stadt noch in den ländlichen Räumen. Aber die Vielfalt der Wirtschaftsstrukturen schafft auch Stabilität und Flexibilität.

Man muss natürlich auch etwas dafür tun. Herr Kollege Dr. Murschel, das beschränkt sich nicht nur auf den Bereich der Agrarpolitik. Die Agrarpolitik ist ein essenzieller Bestandteil. Aber Wirtschaftskraft und Lebensqualität in den ländlichen Räumen ist nicht nur Landwirtschaftspolitik,

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das hätten die Grünen gern!)

sondern ist a u c h Landwirtschaftspolitik. Dafür ist letztendlich ein integrierter Politikansatz erforderlich.

(Abg. Dr. Bernd Murschel GRÜNE: Genau das habe ich gesagt, Herr Minister! Sie hören ja nicht einmal zu! Hören Sie doch einmal zu!)

Ihr Beitrag zeigt ganz eindeutig, dass Sie unter dem Strich nicht kapiert haben,

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

dass es eine enge Vernetzung zwischen Wirtschaftspolitik, Unternehmenspolitik, Industriepolitik, Dienstleistungspolitik und Agrarpolitik gibt.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Das hat er doch ge- sagt! Das sind genau die Worte von Herrn Dr. Mur- schel!)

Meine Damen und Herren, auch die Familien von Landwirten haben häufig nicht nur ein Kind, das den Hof dann übernimmt, sondern Gott sei Dank auch zwei, drei oder vier Kinder.

(Abg. Fritz Buschle SPD: Oi!)

Auch diese Kinder sollen gerade in den ländlichen Räumen Arbeit und Lebensqualität finden und dort beheimatet bleiben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Darum geht es! Jawohl! – Abg. Fritz Buschle SPD: Aber wo? – Zuruf der Abg. Bri- gitte Lösch GRÜNE)

Wir setzen jetzt mit dem Landesinfrastrukturprogramm, unserem Landeskonjunkturprogramm und dem Zukunftsinvestitionsprogramm des Bundes im Unterschied zu anderen Landesregierungen auch im ländlichen Raum ganz deutliche Impulse. Der ländliche Raum wird auf vielfältige Weise davon profitieren.

Ich will einige Punkte erwähnen, z. B. das Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum. 30 Millionen € Bundesmittel verstärken dieses Programm. Wir haben bereits eine Ausschreibungsrunde durchgeführt, die vor wenigen Tagen abgeschlossen wurde. Mit der Bewilligung der Mittel ist im Juni zu rechnen, sodass noch vor der Sommerpause die neuen Vergaben – durch die Kommunen, aber auch durch Private – konjunkturwirksam erfolgen können.

Bereits in der ersten Programmentscheidung des Jahres 2009 wurden im ELR Mittel aus dem Landesinfrastrukturprogramm und EU-Mittel eingesetzt – diese, Herr Kollege Hofelich, im Rahmen des Programms „Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“,

(Abg. Peter Hofelich SPD: Ah ja!)

das Sie lieber in der Region Stuttgart angesiedelt hätten.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Zu gerechten Anteilen! Nur zu gerechten Anteilen! – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Ich will hier auch noch einmal darauf hinweisen, dass die Sozialdemokraten gerade in diesem Streit vor zwei Jahren alles dafür getan hätten, diese Mittel aus den ländlichen Räumen abzuziehen und nur noch in die städtischen Räume hineinzugeben.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Nein, nein! – Zuruf des Abg. Fritz Buschle SPD)

Das ist ein Teil der Wahrheit.

Wir werden in diesem Jahr bereits mit der ersten Programmentscheidung 62 Millionen € bereitstellen. Für innovative und umweltorientierte wirtschaftliche Projekte wurde ein Fördervolumen von über 13 Millionen € bereitgestellt, davon die Hälfte aus EU-Mitteln. Die restlichen 48 Millionen € sind Mittel aus dem Kommunalen Investitionsfonds.

Meine Damen und Herren, wir verfolgen aber mit dem Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum und auch dem Draufsatteln weitere Ziele. Es geht nicht nur um die Frage der Wirtschaft. Es geht um Begleitmaßnahmen – Stichwort Eindämmung des Flächenverbrauchs in der freien Landschaft –, und es geht auch darum, die innerörtliche Entwicklung in den Dörfern und Gemeinden zu stärken. Wir wollen erreichen, dass

innerorts junge Familien die gleiche Wohnqualität vorfinden, wie wenn sie im Neubaugebiet am Ortsrand bauen würden.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Genau!)

Das muss unsere Zielsetzung sein. Dahinter steht, dass wir mit aller Kraft darauf hinarbeiten wollen, dass der soziale Zusammenhalt in unseren Dörfern und Gemeinden, das ehrenamtliche Engagement, das Miteinander von Jung und Alt, gerade unter dem Aspekt der demografischen Entwicklung, auch in der Zukunft wieder in der Ortsmitte stattfinden und von der Ortsmitte die notwendigen Impulse für die Dörfer ausgehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Sehr gut! – Abg. Dieter Hil- lebrand CDU: Bravo!)

Meine Damen und Herren, eine weitere gesellschaftliche und technische Herausforderung – die viel mit dem Thema Mobilität zu tun hat – ist das Thema „Neue Medien im ländlichen Raum“. Die Menschen im ländlichen Raum haben Wohlstand dadurch erlangt, dass sie mobil geworden sind. Sie konnten erstmalig über die Grenzen ihrer Gemeinde oder ihres Dorfes hinaus zu Arbeitsplätzen fahren. Umgekehrt wurden Unternehmen im ländlichen Raum erreichbar. Das war die erste Voraussetzung.

Heute haben wir es mit einer weiteren Form der Mobilität zu tun, nämlich der virtuellen Mobilität, der Kommunikationsmobilität. Dieser Herausforderung der Kommunikationsmobilität müssen wir uns stellen. Vor 15 Jahren, als die Post privatisiert wurde, war noch nicht klar, dass das Maß an Übertragungswegen, Verbindungswegen etc., das wir heute brauchen, mit dem alten Kupferkoaxialkabel der Telekom nicht zu schaffen ist.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Aber vor zehn Jahren schon!)

Genau, Herr Kollege Winkler, vor zehn Jahren schon.

(Abg. Georg Nelius SPD: Stichwort Schwarz-Schil- ling!)

Im Jahr 1999 war Gerhard Schröder mit seiner Truppe an der Regierung und hat ein Jahr später UMTS-Lizenzen versteigert,

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: So ist es!)

hat Milliardenerlöse eingenommen und nicht einmal das Schwarze unter dem Fingernagel für die Bewältigung genau dieser neuen Herausforderungen verwendet. Das ist ein Teil der Wahrheit.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Stefan Mappus CDU zur SPD: Wo wart ihr? – Gegenruf des Abg. Alfred Winkler SPD)

Damals war es bekannt, und damals hätte handeln können, wer vorausschauend handeln wollte. Es ist nichts getan worden.

Es ist eine Bundesaufgabe, meine Damen und Herren. Denn eines ist doch klar: Das vormalige Unternehmen war ein Bundesunternehmen. Der Infrastrukturauftrag ist weggefal

len. Es herrscht heute Wettbewerb. Also hätte der Bund dafür zu sorgen, dass diese Defizite in den ländlichen Räumen ausgeglichen werden.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Wenn wir heute allerdings auf den Bund warten würden,

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Warten wir vergeblich!)

dann würden wir alle Wettbewerbsvorteile, die wir einmal hatten, letztendlich verlieren. Wir wollten nicht warten, wir können auch nicht warten.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Wir haben schon zehn Jahre gewartet!)

Deshalb haben wir bereits im Dezember 2007 in enger Abstimmung mit den Städten und Gemeinden im Land ein eigenes Förderprogramm aufgelegt –

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Jo- chen Karl Kübler CDU: Bravo! Erfolgreich! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr gut!)

das erste und einzige überhaupt bundesweit –, weil wir uns mit den Städten und Gemeinden einig waren: Wir müssen die Dinge selbst in die Hand nehmen. Wir müssen Landesgeld in die Hand nehmen, wir müssen kommunales Geld in die Hand nehmen, um diese Defizite auszugleichen.