Protokoll der Sitzung vom 18.06.2009

Ich will einmal Zahlen aus Baden-Württemberg nennen. In der Stadt Heidelberg kommen auf einen Arzt 245 Einwohner. Im Hohenlohekreis, lieber Kollege Rüeck, kommen auf einen Arzt 839 Einwohner. Allein diese Zahlen sollen einmal zeigen, wie ungleich die Verteilung der Ärzte in Baden-Würt temberg ist.

(Unruhe)

Was hat man getan? Es gibt ja auch Lösungsansätze. Immerhin hat man verstanden, dass diese ungleiche Verteilung zu Wiederbesetzungsproblemen führt. Die Politik – auch die Berliner Politik – hat reagiert. Seit 1. Januar gibt es theoretische Honorarzuschläge, sogenannte Sicherstellungszuschläge, für unterversorgte Planungsbereiche, und es gibt die Möglichkeit, Teilplanungsbereiche neu einzurichten. Das heißt auf Deutsch: Dort, wo eine lokale Unterversorgung besteht, kann nachgesteuert werden.

Jetzt will ich ganz deutlich sagen: Lieber Uli Noll, der Blick in die Politik ist richtig, der Blick in die Selbstverwaltung ist aber notwendig.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Ja!)

Seit Januar haben wir diese gesetzliche Regelung. Ich kenne keine einzige Entscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, bei der von diesen neuen Instrumenten Gebrauch gemacht worden wäre.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Jetzt sind wir am Punkt! Genau!)

Warum wurde kein Gebrauch davon gemacht? Vielleicht erklärt es sich damit, dass man, wenn man das so machen würde, den Ärzten in den Städten Honorar abziehen

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Richtig!)

und dieses Honorar in den ländlichen Bereich steuern müsste.

(Beifall des Abg. Reinhold Gall SPD)

Das ist die Wahrheit, und das muss man natürlich auch wissen. Wir haben eine Kombination aus politischem Versagen durchgängig seit 1996, was das Thema Planung betrifft, und auch einem Versagen der Selbstverwaltung, die bis heute nicht imstande ist, die Honorare dahin zu lenken, wo die Not am größten ist. So ist es, und daran wird sich wohl leider auch nicht viel ändern lassen.

Wenn sich ein Arzt heute neu niederlässt und eine Praxis in einem überversorgten Gebiet übernimmt, dann geht er ganz automatisch davon aus, dass er in diesem überversorgten Gebiet das gleiche Honorar bekommt wie sein Vorgänger und das gleiche Honorar wie sein Kollege, der schon seit 25 Jahren seine Praxis in Heidelberg hat. Auch das gehört zur Wahrheit. Wenn wir umsteuern wollen, kann das nicht so bleiben. Das heißt, ein junger Arzt, der sich irgendwo in einem sehr angenehmen Bereich niederlässt, wo es keine Landarztpraxis ist, muss damit rechnen, dass er in Zukunft möglicherweise Einbußen hat.

Was kann das Land tun? Ich will ausdrücklich die Kollegen unseres Landwirtschaftsarbeitskreises in der CDU loben. Der Sozialarbeitskreis hat an dessen Sitzungen auch teilgenommen. Es gibt interessante Vorschläge, die im Bereich der Förderung liegen. Der Kollege Kübler hat in diesem Arbeitskreis einige Förderinstrumente genannt.

Wir haben die Möglichkeit, Folgendes zu tun: Aus dem Ministerium wurde vorgeschlagen, ein Transportsystem Landarzt-Taxi als Modellprojekt einzurichten. Das haben die kommunalen Landesverbände sehr begrüßt. Die Gemeinden, die Kommunen haben das Thema erkannt. Herr Kehle hat sich ausdrücklich dazu geäußert. Es gibt die Möglichkeit, über mietfreie Praxisräume oder Mietreduzierungen Landärzte zu werben.

Ich will ausdrücklich einen Vorschlag machen, den Kommunen in anderen Bundesländern zum Teil umsetzen. Die setzen nämlich schlicht und ergreifend für junge Studierende Stipendien aus und sagen: „Liebe Studenten, wenn ihr Medizin studiert und wir euch finanziell unterstützen, dann helfen wir euch nachher auch, eine Praxis bei uns einzurichten. Wir erwarten dann, dass ihr euch bei uns niederlasst.“ Es gibt Bundesländer, bei denen ein solches Stipendiensystem der Kommunen bestens funktioniert. Wir sollten gemeinsam mit den

Kommunen überlegen, ob wir das nicht auch bei uns einführen.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sehr guter Gedan- ke!)

Wir müssen die Notarztversorgung im Auge behalten. Ich schaue Herrn Dr. Lasotta an. Er versteht hier drin wahrscheinlich am meisten von diesem Thema. Die Notarztversorgung ist für uns von zentraler Bedeutung.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Wir müssen sicherstellen, dass nicht das eintritt, lieber Uli Noll, was eben befürchtet worden ist: dass irgendwann ganze Regionen unterversorgt sein werden. Wir haben einen Riesenberg von Medizinern, die sich dem 60. Lebensjahr nähern. Das ist das eigentliche Problem.

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

1996 niedergelassen, inzwischen in die Jahre gekommen, jetzt kein Praxisnachfolger zu finden – das ist nicht nur für die Bevölkerung schlecht, das ist sicher auch für die Mediziner schlecht, die sich ihre Situation bei der Übergabe der Praxis in einer Verantwortung für die Patienten auch anders vorstellen.

Ich sehe das Blinken der Redezeitanzeige.

Ich will zum Schluss eines sagen: Ich glaube, die beste Lösung für die niedergelassenen Ärzte wäre es, die gesundheitsfeindliche Politik der SPD zu beenden. Wir würden gern mit einer deutlichen CDU-Mehrheit im September 2009 neue Zeichen für die Gesundheitspolitik setzen,

(Zurufe von der SPD und den Grünen – Abg. Rein- hold Gall SPD: Aber dann gute Nacht für Kranke auf dem Land!)

wenn es sein muss, auch mit der FDP.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Haußmann.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Jetzt geht’s los!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss mich schon sehr über meine beiden Vorredner wundern.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Ja, genau! – Abg. Hel- mut Walter Rüeck CDU: Weil du nicht aufgepasst hast!)

2004 hat Uli Noll die Situation schon beschrieben; da waren Sie schon Teil dieser Landesregierung. Passiert ist bis heute nichts, lieber Kollege Noll.

(Beifall bei der SPD – Abg. Andreas Hoffmann CDU: Bundespolitik, Frau Kollegin!)

Dann macht der Kollege Hoffmann dicke Backen. Es ist alles in der Großen Koalition auch von Ihrer CDU abgesegnet, lieber Kollege Hoffmann.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Von der Kanzlerin per- sönlich! – Zuruf des Abg. Dr. Dietrich Birk CDU)

Im Gegensatz zum Land hat der Bund relativ schnell reagiert mit einer Änderung im Vertragsarztrechtsänderungsgesetz. Ich habe auch heute keinen einzigen Lösungsansatz von der FDP/ DVP gehört, wie die Gesundheitsversorgung nach den Vorstellungen der FDP aussehen wird. Das möge Gott auch nach der nächsten Bundestagswahl verhüten. Es wird allein eine Basisversorgung bezahlt, und alle weiteren Gesundheitsdienstleistungen müssen die Menschen selbst finanzieren.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Um Gottes willen!)

Da graust es mir – das sage ich ganz deutlich –, weil wir natürlich an unserem solidarisch finanzierten Gesundheitssystem festhalten wollen. Das ist die feste Überzeugung der SPDFraktion.

(Beifall bei der SPD – Glocke des Präsidenten)

Frau Abg. Haußmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Winkler?

Frau Kollegin, ich möchte auf den Vorredner, Herrn Hoffmann, eingehen, der mangels argumentativer Logik

(Lachen bei der CDU)

die Zulassung einer Frage abgelehnt hat.

Gern, Herr Kollege Winkler.

(Heiterkeit – Abg. Stefan Mappus CDU: Das ist neu, aber das ist gut! Gute Idee!)

Können Sie meine Meinung be stätigen? Er meinte, an der von ihm beschriebenen schwierigen Situation der Landärzte sei nach seiner Ansicht die Gesundheitsministerin schuld.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Da hat er ja auch recht!)

Ist es nicht richtiger, dass die Patienten per Fuß in Richtung Fachärzte laufen und das Fachärztesystem dadurch gestärkt und gefördert haben, dass sie direkt hingegangen sind, und die Frau Gesundheitsministerin das durch die Praxisgebühr eigentlich etwas einschränken wollte, indem die Praxisgebühr – –