Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Schulleiter und Schulleiterinnen sind die Praktiker und die Experten in BadenWürttemberg. Eine Bildungspolitik, die das Bildungswesen weiterentwickeln will, muss als Allererstes die Expertise dieser Praktiker und Experten einholen. Sie verweigern sich seit Jahren mit sträflicher Ignoranz den Auseinandersetzungen mit diesen Schulleitern, die sich hier bei der Werkrealschule erneut zu Wort gemeldet haben.
Deshalb fordere ich Sie auf: Setzen Sie sich endlich intensiv mit diesen erfahrenen Praktikern und Experten unseres Bildungswesens auseinander. Nehmen Sie auch Ratschläge an. Nehmen Sie auch die Ratschläge der Kommunen an, die neue Schulmodelle beantragt haben. Angesichts der Zahl der Kommunen, die neue integrative Schulmodelle beantragt haben – das ist Schulentwicklung vor Ort –, müssen Sie diese Modelle endlich akzeptieren und solche Schulversuche genehmigen. Wir haben bereits in Baden-Württemberg die Werkrealschule.
Wir haben Anträge von Gemeinden, die eine neue Schulentwicklung in die Wege leiten wollen. Wir haben Schulleiter, die engagiert und motiviert mitwirken würden. Aber das, was Sie hier machen, wird nur dazu führen, dass wir – ich glaube sogar, das wird passieren, solange ich noch im Landtag bin – in Baden-Württemberg wieder einen Rettungsversuch für die se Schule starten müssen.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU: So lange sind Sie noch da? – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Frau Rastätter, ge- hen Sie wieder in die Schule, da brauchen wir Sie! Frau Rastätter, Sie sind schon so lange von der Schu- le weg! Das ist schade!)
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie sieht die Wirklichkeit aus, Herr Zeller? Sie haben völlig recht. Der Landeselternbeirat, der Gewerkschaftsbund, der VBE und die GEW lehnen das Konzept ab. Aber Sie haben in diesem Hohen Haus völlig unterschlagen, wer alles zustimmt.
Dem Konzept der Werkrealschule stimmen zu: der Landkreistag, der Städtetag, der Gemeindetag, der Personalrat der Berufsschullehrer, die IHK Stuttgart, der Landesverband der Baden-Württembergischen Industrie, die Arbeitgeberverbände, der Berufsschullehrerverband, der Philologenverband, der Realschullehrerverband etc.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf: Hören Sie auf! – Gegenruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Lass sie doch! – Unru- he)
Frau Rastätter, wenn ich höre, wie toll plötzlich die Hauptschulen in unserem Land sind, dreht sich mir der Magen um.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Rein- hold Gall SPD: Niemand macht die Hauptschule mies! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl, das war es! Die größten Hetzer heulen heute!)
Wenn ich daran denke, wie Sie in den drei Jahren, die ich jetzt im Landtag bin, ständig die Hauptschule schlechtgeredet haben, meine ich, Sie haben zu dieser Situation beigetragen.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Bravo! Genau so ist es! – Abg. Reinhold Gall SPD: So ein Quatsch! – Unruhe)
Die neue Werkrealschule ist das Beste, was ihr für die Hauptschule in den letzten Jahren auf den Weg gebracht habt.
Das ist das Urteil eines sehr angesehenen Hauptschulpädagogen, dessen Schule übrigens einen deutschen Schulpreis bekommen hat. Über dieses Urteil habe ich mich sehr gefreut, denn es zeigt: Wir sind auf dem richtigen Weg. Zugegeben: Es war bisher ein steiniger Weg. Das können wir nicht verschweigen. Es war ein steiniger Weg; es gab und gibt noch immer viele Sorgen und Ängste vor Ort bei den Schulleitern, den Schulträgern und den Eltern. Diese Sorgen sind auch nicht dadurch kleiner geworden, dass es zwischen dem Gesetzestext, seiner Begründung und anderen Texten des Kultusminis teriums einige Widersprüche gab.
Wir hoffen, dass das jetzt behoben ist. Wir von der FDP/DVPFraktion haben uns den ursprünglichen Gesetzentwurf, der für die Anhörung vorgesehen war, sehr genau angesehen. Unsere Änderungsvorschläge konnten wir zu fast 100 % umsetzen. Das freut uns natürlich. So konnten wir das Dogma der Zweizügigkeit an einem Standort aufbrechen. Die neue Werkrealschule wird künftig an mehreren Standorten realisiert werden können, und zwar nicht nur für die Klassen 5 bis 7, sondern auch für die Klassen 8 und 9 und gegebenenfalls auch für die Klasse 10.
Wir haben dafür gesorgt, dass diese Option der Realisierung an mehreren Standorten, nicht nur in der Begründung des Gesetzestextes, sondern im Gesetzestext selbst in § 6 auftaucht. Auch das war uns wichtig.
Wir wollten – das war das Ziel dieser Bemühungen – von Anfang an auch einzügige Hauptschulen, vor allem im ländlichen Raum, stabil in diesen Entwicklungsprozess einbeziehen.
Das ist uns gelungen. Auch einzügige Hauptschulen haben jetzt vielfältige Möglichkeiten der Kooperation, wenn sie die neue Werkrealschule realisieren wollen. So können viele Schulstandorte erhalten werden.
Die 500 Standortschließungen, die Sie, Herr Zeller, an die Wand malen, sind ein Menetekel. Dazu wird es nie kommen.
So können viele Schulstandorte erhalten werden, die – das ist das eigentliche Problem, Herr Schmiedel – mittelfristig nicht mehr existenzfähig wären. Die Schulen können in der jeweiligen Partnerschaft ihre Profile und Ressourcen intensiver – weil gemeinsam – nutzen.
Das ist auch aus wirtschaftlichen Gründen zu begrüßen, sind doch viele Schulräume in den letzten Jahren in der Tat wieder neu hergerichtet worden. Es ist investiert worden. Das kann durch die Optionen, die wir in dem Gesetzentwurf jetzt eröffnen, weiter genutzt werden.
Auch die Mindestschülerzahl von 36 ist vom Tisch. Denn die Grundlage – das wurde schon angesprochen – wird in Zukunft der jeweils geltende Klassenteiler sein. Wir wissen alle, dass wir den Klassenteiler im Zuge der Bildungsoffensive in den nächsten Jahren auf 28 senken werden.
Besondere Sorgen hat uns auch der Übergang von Klasse 9 nach Klasse 10 gemacht. Hier hat der Gemeindetag einen guten Vorschlag gemacht. Wir haben ihn aufgegriffen, und wir freuen uns, dass dieser Vorschlag jetzt auch Eingang in den Gesetzentwurf gefunden hat.
So ist für die Entscheidung über die Versetzung nach Klasse 10 allein die Klassenkonferenz zuständig. Diese Entscheidung wurde auf eine breitere Basis gestellt. Nicht nur die Noten in den Kernfächern, sondern auch im Wahlpflichtfach sind in Zukunft die Grundlage für diese Entscheidung.
Wenn der gewünschte Notendurchschnitt von 3,0 nicht überall erreicht wird, kann die Klassenkonferenz in Würdigung
der Gesamtpersönlichkeit des Schülers trotzdem eine Versetzung empfehlen. Das ist ein guter Schritt nach vorn.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es! – Zu- ruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)
Hier ist die notwendige Flexibilität vorhanden, hier ist der notwendige Ermessenspielraum für die Lehrer vorhanden, damit möglichst viele junge Menschen zu diesem mittleren Bildungsabschluss geführt werden können.
Auch in der Frage der Schulbezirke – das freut uns sehr – sind wir endlich einen deutlichen Schritt weitergekommen. In Zukunft werden nicht nur alle Werkrealschulen, sondern auch alle Hauptschulen grundsätzlich Wahlschulen sein. Nur für eine Übergangszeit bis 2016 können die Schulträger, wenn gewünscht, einen Schulbezirk einrichten.
Damit haben Schüler mit einer Hauptschul- und einer Werk realschulempfehlung jetzt dieselben Rechte wie Realschüler und Gymnasiasten. Sie können sich auch ihre Schule aussuchen.