Protokoll der Sitzung vom 09.07.2009

Beispiel 4: Viele Universitätsklinika machen bei der ambulanten Versorgung der Patienten bis hin zum Verkauf belegter Brötchen den Selbstständigen vom Arzt bis zum Bäcker Konkurrenz. Das Roland-Berger-Gutachten empfiehlt sogar, dieses System auszubauen. Sind unsere Klinika Privatbetriebe, die privates Kapital einsetzen, um Konkurrenz auszuschalten?

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, belassen wir es für heute bei diesen Fragen. Die Landesregierung hatte ein Gutachten in Auftrag gegeben, das im Grundsatz empfiehlt, die Klinika weiter in staatlicher Regie zu betreiben. Die jüngsten Zahlen beweisen, dass die Klinika im Großen und Ganzen mit schwarzen Zahlen arbeiten. Ein unmittelbarer Handlungsbedarf besteht nicht, aber Denkverbote sollte es auch nicht geben.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Unser Ziel ist und bleibt die bestmögliche Versorgung der Patienten zu vertretbaren Kosten für die Steuer- und Beitragszahler.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sehr gut! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jetzt, Frau Haller-Haid! Das war die Wahrheit! – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Wir sind uns alle einig! – Gegenruf des Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Was ja wohl eine Seltenheit ist! – Abg. Werner Pfisterer CDU: Bitte, jetzt qualifiziert!)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Professor Dr. Frankenberg das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn sich alle einig sind, kann ich ja anfangen.

(Heiterkeit – Abg. Werner Pfisterer CDU: Sehr gut!)

Die Universitätsklinika im Land Baden-Württemberg – übrigens einschließlich des Universitätsklinikums Mannheim der Universität Heidelberg, Frau Heberer – gehören zu den besten Universitätsklinika in Deutschland.

(Zuruf des Abg. Stephan Braun SPD)

Das ist vom Wissenschaftsrat festgestellt worden, und zwar für alle Leistungsbereiche: für Krankenversorgung, Forschung und Lehre.

Es geht also bei unseren Universitätsklinika nicht um irgendwelche Universitätsklinika. Ich möchte jetzt nicht Klinika anderer Länder nennen, um nicht sozusagen Öl ins Feuer zu gießen.

(Abg. Stephan Braun SPD: Was ist in Gießen? – Hei- terkeit – Zuruf des Abg. Werner Pfisterer CDU)

Vielmehr haben wir die Verantwortung für die beste Universitätsmedizin in Deutschland. Diese beste Universitätsmedizin war Gegenstand des Roland-Berger-Gutachtens. Es kam, wie zitiert, zu der Erkenntnis, dass die Notwendigkeit einer materiellen Privatisierung der Universitätsklinika in unserem Land nicht gegeben ist. Warum nicht? Es gibt verschiedene wirtschaftliche Gründe, und es gibt Tatsachengründe. Der Kollege Pfisterer hat beschrieben, dass die Universitätsklinika wirtschaftlich durchaus erfolgreich arbeiten.

Wir haben auch durch andere Teilgutachten überprüfen lassen, wo es vielleicht noch große Effizienzrenditen in den Universitätsklinika geben kann. Diese sind eigentlich gut durchstrukturiert und arbeiten im Grunde so wirtschaftlich, wie es Private auch können. Es gibt gewisse Unterschiede, etwa im Bereich der Baukosten wegen öffentlich-rechtlicher Bauvorschriften und Ähnlichem.

Für das Land ist es wichtig, dass die Universitätsklinika zum einen keine Defizite erwirtschaften, weil diese Defizite zulasten des Landeshaushalts gehen. Wir sind die Gewährträger.

Zum Zweiten ist uns aber wichtig, dass sie nicht nur wirtschaftlich erfolgreich arbeiten, sondern dass sie in ihren Leis tungsbereichen – Krankenversorgung, Forschung und Lehre – Herausragendes leisten. Das Primäre ist ja nicht der materielle Gewinn, sondern ist die Fürsorge für Patienten, Studierende und Forschung.

Warum haben wir noch kein neues Universitätsklinika-Gesetz vorgelegt? – Ich komme gleich zu einigen Aspekten, weshalb dieses Gesetz wichtig ist. – Das liegt einfach an Folgendem: Wir haben gestern das KIT-Gesetz und zuvor das Gesetz zur Errichtung der Dualen Hochschule Baden-Württemberg verabschiedet. Gerade das KIT-Gesetz hat im letzten Jahr die Arbeitskraft unseres Ministeriums manchmal mehr als voll be

ansprucht. Es hat kein Gesetz gegeben, das so umfangreich, das so schwierig, das in allen Aspekten der Verhandlungen so aufwendig war wie das Gesetz zur Fusion der Universität Karlsruhe mit dem Forschungszentrum.

Insofern gehen wir jetzt – auch wir verfügen nicht über Humanressourcen in beliebigem Umfang – mit voller Kraft die Novelle des Universitätsklinika-Gesetzes an. Dessen Gerüst und der erste Entwurf stehen. Die Novelle liegt also nicht auf Eis, Frau Bauer, zumal ja die Formulierung, es liege etwas auf Eis, im Sommer gar nicht so unproblematisch ist. Vielmehr ist es im Endstadium der Bearbeitung bei uns. Wir werden dann ab der Sommerpause den Weg der Novellierung des Universitätsklinika-Gesetzes gehen.

Bei uns im Haus heißt es immer: Wir hatten drei „Dickschiffe“; zwei davon waren die DHBW und das KIT. Das KITGesetz musste verabschiedet werden, weil wir vor dem Sommer mit dem Bund die Verträge unterzeichnen und mit dem KIT starten mussten. Es gab also überhaupt keine politischen Gründe, die Novellierung des Universitätsklinika-Gesetzes zu verzögern.

Wenn man jetzt die Aspekte sieht, um die es geht, dann ist etwa der Aspekt der Verbindung von Universität und Klinikum zu nennen. Ich weiß nicht, Frau Bauer, warum Sie den Gedanken haben, man sollte das mehr trennen. Denn die Exzellenz unserer medizinischen Forschung

(Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

liegt an der engen Verbindung mit naturwissenschaftlichen Fächern und mit den Lebenswissenschaften. Das heißt, unser Bestreben ist es eben nicht, Universität und Klinikum zu trennen, sondern Universitätsklinikum wirklich wörtlich zu nehmen und im Blick zu behalten, dass Medizin heute eine mit vielen anderen Wissenschaften in der Universität verbundene Wissenschaft ist. Sie ist nicht nur mit den Naturwissenschaften und den Lebenswissenschaften verbunden, sondern auch mit Wissenschaften im Bereich der Ethik, mit Wissenschaften wie Psychologie und Ähnlichem. Deshalb muss die Universitätsklinik Teil des Kosmos Universität bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Das ist ein Grundsatz, etwas, was andere Länder anders gelöst haben. Das wirkt sich dann auch auf die GovernanceStruktur der Universitätskliniken aus.

Ich will zu einigen weiteren Punkten kommen, die angesprochen worden sind.

Zum Thema Steuerpflicht: Leider können wir nicht per Gesetz die Steuerpflicht ausschließen, weder für unsere Kliniken noch für andere.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Aber bei der Landes- stiftung geht das!)

Das liegt aber am Stiftungsrecht, Frau Bauer. – Wir können kein Landesstiftungsgesetz machen,

(Zuruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)

in dem es in § 1 etwa heißt: „Die Landesstiftung zahlt keine Steuern.“ Wir verhandeln mit dem Finanzministerium. Letzt

lich ist es die Entscheidung der Finanzämter, inwieweit Steuern gezahlt werden müssen. Natürlich ist es so, dass in dieser realen Welt die Universitätsklinika und die privaten Kliniken letztlich die gleichen Wettbewerbsbedingungen haben müssen. Das heißt, es kann keine Sonderrechte geben, und die Kliniken müssen sich zu den gleichen Bedingungen auf dem Markt bewähren und bewähren können.

Es wurde gesagt, die Finanzierung sei derzeit nicht ausreichend – es geht um einen Bereich des Gesundheitswesens; an Fallkostenpauschalen können wir wenig ändern; es gibt spezifische Regelungen für die Universitätsklinika, die auch durchgesetzt worden sind –, und dabei haben Sie den Solidarpakt erwähnt. Mich wundert, dass einige Rektoren auch jetzt, in diesen Zeiten, den Solidarpakt bemängeln.

Wir geben zwar derzeit über Investitionsprogramme mehr Mittel an die Universitäten, wir stecken mehr Mittel in Bauten, wir können Rückstände im investiven Bereich, vor allem was den Renovierungsbedarf betrifft, beheben. Gerade die Universitätsklinika profitieren davon. Aber jeder und jede von uns weiß doch, dass wir vor schwierigsten finanziellen Verhältnissen stehen. Wer angesichts dieser Verhältnisse nicht weiß, dass ein Solidarpakt, also sozusagen der Schutz des eigenen Budgets, in diesen Zeiten eine ungeheure Privilegierung ist – dass es das ist, werden wir noch sehen; in den Genuss einer solchen Privilegierung möchten auch viele Unternehmen kommen, von den Banken ganz zu schweigen –, und diese Pakte angreift, der hat eigentlich nicht verstanden, in welchen Zeiten wir leben.

Auch von Rektoren kann man jedoch verlangen, dass sie einsehen, dass das, wenn gleichzeitig Kurzarbeit herrscht, wenn gleichzeitig in großem Maß Arbeitslosigkeit droht, wenn Unternehmen Konkurs gehen, wirklich ein Privileg für das eigene Einkommen ist; damit meine ich jetzt nicht nur das Einkommen der Beamten und Beamtinnen, sondern das Budget der eigenen Einrichtung, das gesichert ist. Deshalb sind die Solidarpakte ein Segen für die Einrichtungen und alles andere als ein Fluch.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Werner Pfisterer CDU: Sehr gut!)

Wenn wir an die Universitätsklinika und an die Rolle des Landes denken, dann kann man zumindest andeuten, dass wir bei der gegenwärtigen Struktur im Aufsichtsrat keine Mehrheit haben. Das heißt, wir könnten auch in wichtigen Fragen, in Fragen von Landesinteresse – mögliche Kreditaufnahme oder Ähnliches – bei der derzeitigen Struktur nicht Dinge verhindern, die zulasten des Landes gehen. Wir sind aber die Alleingesellschafter, und wir müssen in einer solchen Konstruktion Rechte haben, die ein Gesellschafter auch in einem Unternehmen normalerweise hat, nämlich etwa, finanzielle Risiken für das Land, auch durch Dritte, vermeiden zu können.

Wenn die Bauherreneigenschaft angesprochen wird, so ist Folgendes sicherlich richtig: Die Universitätsklinika brauchen mehr wirtschaftliche Freiheit, um effizient wirtschaften zu können. Wir werden im Hinblick auf die Bauherreneigenschaft auch solche Wege weitergehen, wie wir sie etwa in Ulm, mit dem sogenannten Ulmer Modell, gegangen sind. Das heißt, dass wir partiell, in Teilen, die Bauherreneigenschaft an die Universität oder die Klinika abtreten. Das funktioniert in

Ulm mit dem Neubau der Chirurgie sehr gut. Dann kann dort, in diesem Komplex, gebaut werden. Aber sich generell von der gemeinsamen Versicherung eines Bauetats zu verabschieden, ist sehr schwierig.

Insofern werden wir mit unserem Universitätsklinika-Gesetz die richtigen Wege gehen. Die Universitätsklinika werden eine Struktur, eine Governance-Struktur haben, die besser ist als die heutige.

Wir werden Risiken vermeiden. Sie werden in der Lage sein, sich wirtschaftlich besser aufzustellen. Aber wir werden als Gewährträger auch in der Lage sein, unsere Interessen wahrzunehmen, nämlich die Interessen des Landes und seiner Bürger. Damit können auch die Interessen des Parlaments besser wahrgenommen werden als heute.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Eine weitere Wortmeldung für die SPD-Fraktion habe ich von Frau Abg. Rita Haller-Haid. Ich möchte Sie darauf hinweisen, Frau Abgeordnete, dass Sie noch sechs Sekunden Redezeit haben.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Alles gesagt!)

Ich beschränke mich auf wenige Sätze. Herr Minister, ich bin froh, dass Sie gesagt haben, das oberste Ziel sei nicht Gewinnerzielung, sondern eine gute Krankenversorgung. Aber dann bitte ich Sie, auch zur Kennt nis zu nehmen, dass es vonseiten der Beschäftigten massive Klagen gibt, dass der Druck zugenommen hat, und dass gleichzeitig zu dem gestiegenen Druck der Beschäftigten die Möglichkeiten für die Zuwendung an die Patienten und die Zeit für die Patienten abgenommen haben. Deshalb, denke ich, müssen wir uns auch intensiv mit dieser Frage beschäftigen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.