Protokoll der Sitzung vom 29.07.2009

(Heiterkeit – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Vor allem, weil er Landrat ist!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, uns geht es um zwei Punkte: zum einen um die Regelung bezüglich der Beteiligung politischer Parteien an Rundfunkveranstaltern und zum anderen um die Verlängerung der UKW-Frequenzzuweisungen für die nächsten fünf Jahre.

Zum ersten Punkt: Nach der alten Rechtslage war es Parteien verboten, sich im Rundfunk zu betätigen und sich an entsprechenden Unternehmen zu beteiligen. Diese Regelung ist jetzt gestrichen worden. Sie haben sich Gott sei Dank auf den Pfad

der verfassungsrechtlichen Tugend begeben und im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts endlich rechtmäßige Zustände geschaffen, indem Sie das absolute Beteiligungsverbot gestrichen und eine Klausel mit einer Beteiligungsgrenze von 2,5 %, bis zu der widerleglich vermutet wird, dass kein bestimmender Einfluss vorliegt, eingeführt haben. Damit können wir leben; damit sind wir einverstanden.

Was die Verlängerung der UKW-Frequenzzuweisungen angeht, wissen wir alle, dass die Ausgestaltung der Rundfunklandschaft sehr stark von der Entwicklung des digitalen Rundfunks abhängt. Da ist vieles noch im Ungewissen. Sie haben bei den Ausschussberatungen gesagt, die Landesregierung setze nach wie vor auf die Digitalisierung und werde rechtzeitig Entscheidungen hierzu treffen. Dabei haben Sie unsere volle Unterstützung.

Dieser Einsatz ist auch notwendig. Das erkennt man, wenn man sich die Entwicklung anschaut. Ein Teil der privaten Anbieter, vor allem auf Bundesebene, sperrt sich; in BadenWürttemberg ist die Haltung seitens der privaten Rundfunksender etwas offener. Bei der Geräteindustrie und den Programmtransporteuren ist auch noch nicht klar, wie sie sich positionieren. Wenn Sie den gestrigen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung lesen, wissen Sie, wie unterschwellig ein heftiger Kampf um das digitale Fernsehen tobt. Da ist die Politik mit Weichenstellungen, mit Steuerungen, vielleicht auch mit Vorgaben gefragt. Sie haben uns auch an Ihrer Seite, wenn Sie den Primat der Politik betonen. Darüber haben wir im Ausschuss gesprochen.

Ich halte es für nicht akzeptabel, dass uns die KEF auf Dauer vorschreibt, wohin die Reise geht. Die dort zur Verfügung stehenden Mittel zum Ausbau des digitalen Rundfunks sind vorerst auf Eis gelegt, nicht endgültig gestrichen. Ich glaube, das dürfen wir uns nicht bieten lassen, bei allem Respekt vor der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, die ja unabhängig sein soll.

Im Übrigen, Herr Minister, sind Sie mit Ihrer Landesregierung gefordert. Andere Länder sind da weiter. Schauen Sie sich die Rundfunklandschaft in Bayern an. In Bayern gibt es 16 private und sechs öffentlich-rechtliche digitale Rundfunk anbieter. In Baden-Württemberg sind es allenfalls einige wenige öffentlich-rechtliche. Wir fragen uns: Was tut die Landesregierung in Zukunft, um die Entwicklung des digitalen Rundfunks – dahin wird die Reise gehen – zu unterstützen? Wir fordern aber auch von den privaten Rundfunkanbietern ein, sich entsprechend aufzustellen und Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Wir freuen uns natürlich, Herr Kollege Pauli, dass wir einvernehmlich eine Gleichstellung der privaten kommerziellen mit den privaten nicht kommerziellen Sendern erreicht haben. Aber wir erwarten dort auch Aktivitäten und Geschäftsmodelle. Das wird für die nicht kommerziellen Sender in Zukunft sicher nicht ganz leicht sein.

Insgesamt gesehen führt, glaube ich, kein Weg an dieser Entwicklung vorbei. Wenn wir den Aufschub von fünf Jahren als Denkpause begreifen, dann sollte dies nicht als eine Pause vom Denken, sondern als eine Pause zum Denken verstanden werden. Dabei erwarten wir entsprechende Aktivitäten der

Landesregierung. Wir unterstützen sie dabei. Herr Minister Reinhart, übernehmen Sie!

(Beifall bei der SPD und des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Herrn Abg. Walter das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst danke auch ich dem Kollegen Pauli und den Kollegen der anderen Fraktionen dafür, dass wir diesen interfraktionellen Antrag auf den Weg gebracht haben. Ich danke auch dem Ministerium, dass dort die Einsicht gereift ist, dass es sich um den richtigen Weg handelt. Es wäre nicht logisch gewesen, den kommerziellen Anbietern etwas zu geben, was man den nicht kommerziellen Anbietern nicht gibt.

Das war für uns ein wichtiger Punkt, sodass wir dem Gesetzentwurf auch zustimmen können, obwohl – das wurde schon angedeutet – sehr, sehr viele Fragen noch offen sind. So wollen die privaten Anbieter bei der Digitalisierung gar nicht mehr mitmachen. Das hat zum Teil finanzielle Gründe. Zum Teil befürchtet man aber auch mehr Konkurrenz – weil das Radio künftig im digitalen Zeitalter ein ganz anderes sein wird –, und das möchte man wohl auch vermeiden.

Die Weigerung der KEF, der ARD weiteres Geld für die Digitalisierung zur Verfügung zu stellen, sehe ich nicht so kritisch wie Sie, Kollege Stickelberger. Ich bin der Meinung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Hausaufgaben in dieser Frage nicht gemacht hat. Es gab einen Kriterienkatalog, den er hätte abarbeiten sollen. Diesen Katalog hat er bestenfalls zur Hälfte abgearbeitet. Deswegen hat die KEF nun die Reißleine gezogen. Damit ist noch nicht alles verloren. Vielmehr heißt das nur: Man muss einen weiteren Antrag stellen.

Aus unserer Sicht stellt sich das Problem folgendermaßen dar: Einige ARD-Sender wollen bisher selbst nicht richtig mitmachen. Der Intendant des SWR, Herr Boudgoust, derzeit auch Vorsitzender der ARD, ist einer derjenigen, die sagen: „Die Digitalisierung kommt. Wir müssen sie vorantreiben. Wir müssen da also Gas geben.“ Das gibt mir Hoffnung, dass man diese Hausaufgaben erledigt, dass man dann einen neuen Antrag stellt und die Digitalisierung dann kommen wird.

Die Frage, die sich dann aber stellt – die haben Sie, Herr Minister, auch angesprochen; das haben wir im Ausschuss ebenfalls schon beredet –, ist: Was tut sich eigentlich auf der Anbieterseite? Heutzutage ist es sehr schwierig, die entsprechenden Empfangsgeräte zu bekommen. Dabei reden wir noch gar nicht über die mangelnde Akzeptanz in der Bevölkerung, die alten Radios abzuschaffen und sich neue Empfangsgeräte zu kaufen. Im Laufe der nächsten Jahre wird sie schlichtweg kommen.

Uns würde noch interessieren – das ist eigentlich die spannendste Frage, Herr Minister –: Wie stellt sich die Landesregierung das zukünftige Radio vor? Was für eine Radiolandschaft bekommen wir? Die Zeit der UKW-Frequenzen ist dann endgültig vorbei. Wir reden dann von sogenannten Multipacks,

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Bitte keine Anglizis- men!)

auf denen sechs bis acht verschiedene Sender angeboten werden können. Das wiederum heißt, Herr Minister, ein bisher mit einem Sender auftretender Privatanbieter hat einerseits die Möglichkeit, gleichzeitig sechs verschiedene Sender zu installieren. Aber hat er auch in finanzieller Hinsicht diese Möglichkeit, oder was passiert da? Oder aber wird der Konkurrenz Tür und Tor geöffnet, Konkurrenz, die man sich eigentlich vom Leib halten will? Das ist die eine Frage.

Die nächste Frage ist: Können sich nicht kommerzielle Radio sender diese Umstellungen überhaupt leisten? Und wenn aus Ihrer Sicht, Herr Minister, die Antwort Nein lautet, was heißt das dann? Wird die Landesregierung diesen Sendern dann finanziell unter die Arme greifen? Oder gibt es für sie ab 2016 – sollte das Datum 2015 für die Abschaltung der analogen UKW-Hörfunklandschaft tatsächlich noch eingehalten werden – keine Perspektive mehr?

Wer sich das sicherlich leisten kann, ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Hätten wir dann die Möglichkeit – was ich begrüßen würde –, mehr öffentlich-rechtliche Sender anzubieten als bisher? Und ist die Landesregierung bereit, dafür das Okay zu geben? Oder werden die Rundfunkänderungsstaatsverträge entsprechend geändert werden? Das wären meine Fragen: Welche Vorstellung haben Sie? Wie soll das Radio zukünftig aufgebaut sein? Es ist ganz klar: Hier geht es zwar zunächst um die technische Frage, wie das Ganze auf den Weg gebracht wird, und das ist schwer genug. Aber die Diskussion darüber, wie das Radio der Zukunft aussehen soll, kann nicht erst nach der technischen Umsetzung beginnen. Auch diese Frage müssen wir diskutieren. Ich wäre Ihnen dankbar, Herr Minister, wenn Sie uns heute erste Überlegungen vortragen und erste Antworten der Landesregierung geben könn ten.

(Beifall bei den Grünen)

Für die FDP/DVPFraktion erteile ich Herrn Abg. Kluck das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben jetzt keine Probleme mehr. Wir hatten eigentlich gar keine größeren Probleme, aber mit diesem interfraktionellen Antrag ist jetzt auch das letzte Problem ausgeräumt, indem wir den nicht kommerziellen Sendern die gleiche Möglichkeit geben wie den kommerziellen, nämlich ohne Neuausschreibung bis 2015 weiter zu funken. Das ist also erledigt.

Ich möchte noch sagen: Bei der Änderung bezüglich der Beteiligung von politischen Parteien geht es nicht um gekaufte Werbung von Parteien in den Sendern. Vielmehr geht es darum: Bisher durften sich die Parteien nicht an Rundfunkanbietern beteiligen. Das hat das Verfassungsgericht geändert. Das neue Landesmediengesetz lässt nun eine minimale Beteiligung zu. Es wird also nicht zu einer „Berlusconisierung“ unserer Rundfunklandschaft kommen,

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: „SPD-isie- rung“!)

weil die Beteiligungen von politischen Parteien klein gehalten werden. Das ist richtig so.

(Abg. Bernd Hitzler CDU: Baden-Württemberg ist sauber!)

Die SPD hat es ja einmal mit dem „Linksrheinischen Rundfunk“ und mit „Radio Neufunkland“ versucht. Aber da man damit kein Geld verdienen kann – das war ein Millionengrab –, gehe ich davon aus, dass andere gar nicht versuchen werden, diesem Beispiel zu folgen.

Wann „DAB plus“ kommt – deswegen verschieben wir jetzt die Neuausschreibung auf 2015 –, weiß kein Mensch so genau. Die Einführung des Digitalradios würde ja bedeuten, dass wir neue Empfangsgeräte brauchen. Man muss sein altes Radio wegschmeißen oder auf- oder umrüsten. Die Industrie macht noch nicht so recht mit, weil man noch immer nicht weiß, wie das funktioniert und wie das ankommt.

Für uns steht fest: Den Zeitpunkt der UKW-Abschaltung kann man nicht von Staats wegen festlegen, sondern das muss der Markt entscheiden. Wenn der Markt bereit ist, das zu machen, dann kann es funktionieren.

Derzeit – so muss man sagen – werden von einem großen Teil der Radioanbieter die geforderten Rahmenbedingungen nicht erfüllt. Wir haben starke Zweifel, ob die erheblichen Einführungs- und Betriebskosten gerade von kleinen privaten Anbietern, von nicht kommerziellen Sendern gestemmt werden können. Das wird die große Frage sein. Das trifft sicherlich auch dann zu, wenn man dem Wunsch von Herrn Pauli folgt und viele Millionen Euro in die Hand nimmt, um das mit öffentlichen Geldern zu fördern. Es würde trotzdem schwierig sein. Denn alle notwendigen Investitionen – die werden in erheblicher Höhe erfolgen müssen – müssen sich ja irgendwann refinanzieren.

Ich hoffe jetzt nicht, Herr Kollege Walter, dass Sie deshalb so von diesen neuen Möglichkeiten schwärmen, weil Sie darin die Chance sehen, das duale Rundfunksystem auszuhöhlen. Denn natürlich werden die öffentlich-rechtlichen Sender, obwohl sie – das haben Sie richtigerweise festgestellt – ihre Hausaufgaben bisher nicht gemacht haben, eher in der Lage sein, sich darauf einzustellen.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: So ist es!)

Das könnte dann dazu dienen, sich die private Konkurrenz vom Leib zu halten. Das wollen wir nicht, weil wir das duale Rundfunksystem bevorzugen. Denn wenn man jetzt die technischen Neuerungen dazu benutzt – –

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Sie hören doch auch öffentlich-rechtlich!)

Das spielt keine Rolle. Auch wenn ich selbst etwas Bestimmtes bevorzuge, bin ich doch der Auffassung, dass Chancengleichheit herrschen muss. Denn ich zwinge anderen Menschen nicht mein Hörverhalten auf,

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Das wollen wir auch gar nicht!)

sondern jeder muss für sich selbst entscheiden, was er hören will.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Das wollen wir auch! – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Wohl wahr!)

Natürlich ist die Zukunft des Radios digital. Das wird so sein. Die UKW-Zeit wird irgendwann vorbei sein. Aber das geht nicht auf Kommando, und es geht auch nicht mit Gewalt.

Mich ärgert, dass Sie immer den Eindruck erwecken, der öffentlich-rechtliche Rundfunk stöhne unter der privaten Konkurrenz. Er stöhnt zwar, aber er hat gar keinen Grund dafür.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Das habe ich doch mit keinem Wort erwähnt!)

Doch, Sie sagen immer, Sie wollten noch mehr öffentlichrechtliche Sender haben, weil es zu wenige gebe. Ich will Ihnen nur einmal ein paar Zahlen nennen. Bundesweit hören täglich 6,8 Millionen Menschen einen der Radiosender des SWR. Das ist ja gut für den SWR. Es zeigt, dass er ein gutes Programm macht. SWR 1 wird in Baden-Württemberg jeden Tag von 1,1 Millionen Hörern gehört.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Die Zahlen kenne ich!)

SWR 2 hat mit seinem Kulturprogramm täglich 10 000 Hörer hinzugewonnen. SWR 3 ist mit täglich 3,25 Millionen Hörern bundesweit die Nummer 1.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Ja und?)

SWR 4 wird Tag für Tag von 1,5 Millionen Baden-Württembergern eingeschaltet. Dann kommt eine Weile gar nichts, und dann kommen solche Sender wie Hit-Radio ANTENNE 1, Radio Regenbogen, Radio Ton, Radio 7 und wie sie alle heißen. Da gibt es also noch immer kein gleichgewichtiges Rundfunksystem. Das muss auch nicht so sein; aber die ÖffentlichRechtlichen haben überhaupt keine Probleme.