Dies ist, abgesehen von vielem anderen, für die Vereine wichtig, Herr Kleinmann; es ist für das kulturelle Leben einer Gemeinde wichtig.
Wer Schulschließungen befürwortet, schwächt den ländlichen Raum. Das ist das Entscheidende. Nebenbei bemerkt: Oftmals sind Schulen teuer saniert worden, und diese werden jetzt geschlossen und stehen leer. Gleichzeitig – das ist doch ein Irrwitz! – muss an den Standorten der beruflichen Schulen neu gebaut werden, weil eine Verlagerung in Richtung der beruflichen Schulen stattfindet. Einer solchen Verschwendung von Steuergeldern können wir nicht zustimmen.
Ganz abgesehen davon produzieren Sie einen Schülertourismus, den die Kommunen und die Eltern bezahlen müssen.
Sie sagen, die neue Werkrealschule sei ein in sich schlüssiges Konzept mit einer insgesamt sechsjährigen Schulzeit. Sie haben aber kein durchgängiges Konzept bis zur zehnten Klasse, sondern geben nur jenen Schülern die Möglichkeit, in die zehnte Klasse zu kommen, die in Deutsch, Englisch und Mathematik mindestens die Note 3,0 haben. Während alle Schülerinnen und Schüler an Realschulen und Gymnasien, die ein Versetzungszeugnis haben, in die zehnte Klasse gehen können, soll der Zugang in die zehnte Klasse für Werkrealschüler vom Notendurchschnitt abhängig sein. Indem Sie die Noten in Deutsch, Mathematik und Englisch so hervorheben, betonen Sie diese Kernfächer; gleichzeitig aber sagen Sie immer wieder: Wir tun etwas für praktisch Begabte. Das passt einfach nicht zusammen. Deswegen ist es eben nichts mit einem durchgehenden sechsjährigen Bildungskonzept, wie Sie uns hier weiszumachen versuchen. Statt zehn Schuljahre für alle sortieren Sie wiederum nach der neunten Klasse.
Die Landesregierung und auch die CDU und die FDP wollen eindeutig die zweizügige Hauptschule. Das fordern Sie ein. Ich sage Ihnen – das wurde ganz am Anfang der Debatte deutlich –: Die Haupttriebfeder für diesen Weg war Herr Stächele. Herr Stächele hat nämlich gesagt: Diese Schulen sind teuer. Im Grunde genommen steckt dahinter ein Einsparprogramm.
Sie wollen damit Kosten sparen. Statt innovative, erfolgreiche Schulkonzepte zu fördern, die es gerade an den kleineren Hauptschulen gibt, zerstören Sie diese Konzepte.
Nein, nein: Berufsschule; drei Tage an der Hauptschule und zwei Tage an der Berufsschule. Die Berufsschule muss dann einen Teil des Unterrichts abdecken. Sie haben sämtliche Bedenken und kritischen Einwände weggewischt, die zum Ausdruck gebracht haben, dass Sie damit eine grundlegende Beziehungsarbeit zerstören und projektorientiertes Lernen sowie fächerverbindenden Unterricht erschweren. Nebenbei wird das unterlaufen, was bisher mit der zweijährigen Berufsfachschule geleistet wurde.
Die neue Werkrealschule wird den Drang an das Gymnasium und an die Realschule nicht stoppen. Sie wird viele Schulstandorte zerschlagen und motivierte Lehrkräfte und innovative Schulen aushebeln. Die neue Werkrealschule wird auch für die verbleibenden Hauptschüler frustrierend sein. Sie ignorieren und ziehen zum Teil ins Lächerliche, dass von genau denjenigen – das habe ich Ihnen heute Morgen gesagt –, die als Schulleiter betroffen sind, die tagtäglich die Arbeit vor Ort leisten, 81 % zu dem Ergebnis kommen und feststellen: „Dieses Konzept taugt nichts; wir wollen andere Konzepte,
die nach vorn gerichtet sind, die längeres gemeinsames Lernen zulassen, die beispielsweise einen Realschulabschluss an einer Hauptschule zulassen.“ Genau diese Konzepte verbieten Sie. Ich staune schon, wie Sie mit den betroffenen Schulleiterinnen und Schulleitern umgehen. Dazu sage ich: Das ist wirklich Ignoranz.
Meine Damen und Herren, wir werden erleben, dass Sie mit diesem Gesetzentwurf letztendlich nicht den großen Wurf machen, den Sie sich vorstellen. Und wir werden erleben, dass leider, wie es der Landeselternbeirat festgestellt hat, wiederum vor allem die schwächeren Schülerinnen und Schüler die Leidtragenden sind. Deswegen finde ich es eigentlich unglaublich, wie Sie mit Betroffenen – mit Eltern, mit Lehrern, mit Schulleitern – umgehen. Wir werden diesen Gesetzentwurf ablehnen.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Schulsystem, das Bildungswesen in Baden-Württemberg war als Pyramide konzipiert: mit einer breiten, soliden Basis, nämlich der Hauptschule, die dauerhaft von der Mehrheit der Schülerinnen und Schüler besucht werden sollte, mit einer Mittelschicht, der Realschule, und einer dünnen Spitze, nämlich dem Gymnasium. Das war die Konzeption, die auch zukunftsfähig sein sollte.
Im Zuge der von uns gewünschten und natürlich auch aus wirtschaftlichen Gründen erforderlichen Veränderung hat aber eine Abstimmung mit den Füßen eingesetzt. Diese war von uns erwünscht, und darüber haben wir alle uns gefreut. Immer mehr Schüler und Schülerinnen wechseln nämlich in die Realschule und in das Gymnasium über. Die Abstimmung mit den Füßen hat über Jahrzehnte hinweg stattgefunden, und das Ergebnis, das wir heute haben, sieht so aus: Die Pyramide steht auf dem Kopf und ist ein rotierender Kreisel; 40 % der Kinder wechseln ins Gymnasium über und nur noch 25 % in die Hauptschule.
Alle Versuche in den letzten Jahrzehnten, diese Entwicklung doch noch irgendwie etwas abzubremsen, waren vergeblich. Es sind unzählige Stärkungsprogramme ins Leben gerufen worden. Man hatte auch die Werkrealschule schon erfunden, und es gab weitere Stärkungsprogramme. Die Hauptschule ist auf diese Art und Weise die innovativste Schulart geworden, aber das alles hat nichts genützt. Es hat deshalb nichts genützt, weil es ein hierarchisch gegliedertes Schulsystem ist, in dem die Eltern natürlich immer danach trachten, dass ihre Kinder mindestens den gleichen Schulabschluss erwerben und die gleiche Schulform besuchen wie sie selbst oder eine zu einem höheren Abschluss führende.
Ich kann Ihnen das aus meiner eigenen Zeit als Lehrerin an der Realschule in Königsbach-Stein berichten. Da ist ein Bildungszentrum mit einem Gymnasium und einer Realschule. Die Eltern meiner Realschüler in diesem großen Schulbezirk hatten fast alle noch einen Hauptschulabschluss. Wenn ich heute mit diesen Klassen ein Klassentreffen habe, dann erzählen mir meine früheren Realschüler stolz, dass ihre Kinder heute ins Gymnasium gehen. Dann ist natürlich klar, dass ich nicht frage: Wieso nicht in die Realschule? Das geschieht deshalb, weil sie das wünschen, weil ihre Kinder das können und weil das einfach der Lauf der Dinge ist.
Insofern: Wenn Sie immer wieder sagen – wie bei der ersten Lesung und wie es auch heute wieder durchgedrungen ist –, dass wir diejenigen seien, die die Hauptschule kaputtgeredet hätten, dann ist das einfach nur absurd und grotesk. Sie suchen einfach nur einen Sündenbock für eine Entwicklung, die nun einmal in der Logik dieses Systems begründet ist, dass nämlich die Abstimmung mit den Füßen erfolgt.
Das hat allerdings zu einer massiven sozialen Auslese geführt. Die Hauptschule ist heute die Schule für Kinder mit Migrationshintergrund und für Kinder aus sozial benachteiligten Familien geworden. Da setzt auch meine Kritik an.
(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Das stimmt doch gar nicht! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Das sind alles Unterstellungen und Vorurteile!)
Es ist kein gerechtes und kein positives Schulsystem, wenn wir eine Schulart haben, in der wir die benachteiligten Kin
(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sie haben keine Ah- nung! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Bei der Ein- heitsschule ist das alles anders? – Zuruf des Abg. Hans Heinz CDU)
Mit dem neuen Konzept der Werkrealschule wird sich daran überhaupt nichts ändern. Daran ändert sich nichts, weil auch die neue Werkrealschule eine Weiterentwicklung des Bildungsgangs Hauptschule ist und weil Sie nicht den Mut haben, zu sagen: Wir geben die Grundschulempfehlung frei. Wenn Sie dieses Konzept so loben, wenn Sie sagen, das sei ein sehr attraktives Konzept, dann geben Sie doch bitte die Grundschulempfehlung in Baden-Württemberg frei, und dann wird sich zeigen, ob diese neue Werkrealschule gewählt wird. Aber dazu haben Sie nicht den Mut, weil Sie genau wissen, dass das in der Praxis nicht funktionieren würde.
Wir haben heute hier zur zweiten Lesung einen Entschließungsantrag vorgelegt. Lieber Kollege Schebesta, Sie haben gesagt, wir hätten unseren Gesetzentwurf zur Basisschule ad acta gelegt. Das ist keinesfalls so. Wir werden auf unserem Gesetzentwurf zur Basisschule selbstverständlich auch in der zweiten Lesung im Landtag bestehen.
Wir werden ihn wieder einbringen, weil wir nach wie vor der Meinung sind, dass wir Perspektiven für eine Weiterentwicklung des Bildungssystems eröffnen müssen. Ich knüpfe also jetzt mit Blick auf die Werkrealschule an die Debatte von heute Morgen an.
Ich möchte unseren Entschließungsantrag kurz begründen. Wir verlangen zum einen, dass Sie die Grundschulempfehlung freigeben und sie durch ein Beratungssystem für die Eltern ersetzen. Wir fordern – das zielt vor allem darauf ab, Ihr Konzept der Werkrealschule entsprechend den Forderungen, die z. B. der Baden-Württembergische Handwerkstag eingebracht hat, noch nachzubessern –, nicht an der Notenhürde für die Aufnahme in die zehnte Klasse festzuhalten und allen Schülern ein zehntes Schuljahr zu ermöglichen.
Es gibt doch gar keinen Grund, warum Schülern nicht auch nach dem zehnten Schuljahr ermöglicht werden soll, den Hauptschulabschluss zu erwerben und dann vielleicht auch bessere Noten zu erzielen als nach neun Jahren und damit bessere Perspektiven zu haben. Es gibt gar keinen Grund, warum das nicht auch nach zehn Schuljahren möglich sein soll.
Schließlich sagen Sie, Sie ermöglichten mit dem Konzept der Berufsfachschule im zehnten Schuljahr eine bessere berufliche Bildung. Das sehe ich genauso kritisch wie mein Kollege Zeller. Sie sagen, hier finde eine bessere berufliche Vorbereitung statt. Auch hier fordert der Handwerkstag ganz ein
deutig, dass es Aufgabe aller Schularten sein muss, eine bessere berufliche Vorbereitung zu ermöglichen,
damit das Handwerk auch Schüler aus der Realschule oder nach der Mittelstufe des Gymnasiums für eine duale berufliche Ausbildung aufnehmen kann.
(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Man kann auch mit Abitur eine Lehre machen! Das ist nicht aus- geschlossen!)
Das ist eine Forderung, die wir hier aufgreifen: dass eine bessere berufliche Vorbereitung an allen Schularten stattfindet.
Aber wir fordern auch, dass neue Perspektiven eröffnet werden. Das heißt nicht – wie es vom Kollegen Zeller vorgetragen wurde –, dass wir forderten, einen Realschulzug anzugliedern. Wir sagen vielmehr: Warum soll eine Hauptschule wie z. B. die Hauptschule mit Werkrealschule in Külsheim, von der ich heute Morgen gesprochen habe, die heute noch 200 Schüler hat, oder die Hauptschule in Graben-Neudorf, die auch noch zweizügig ist, nicht – wie es dort übrigens auch der CDU-Bürgermeister Reinwald sowie die Schulleiterin wünschen – nach den Bildungsstandards der Realschule unterrichten dürfen? Das schafft Chancen für einen Teil der Schüler und bietet den Schulen in schulorganisatorischer Hinsicht die Möglichkeit, selbst vor Ort Modelle einzurichten, die zu ihnen passen. Man darf nicht immer nur in Zügen denken, wie Sie das ganz traditionell tun, sondern muss auch neue schulorganisatorische Möglichkeiten einbeziehen. Warum sollen solche Schulen, die wissen, dass sie demnächst in die Einzügigkeit fallen werden, nicht auch die Möglichkeit haben, in ihrer großen Gemeinde – Graben-Neudorf hat fast 12 000 Einwohner –, in der sie heute die einzige Sekundarschule sind, eine solche modellhafte Schule einrichten zu dürfen?
Das ist genau das, was der Städtetag gefordert hat. Der Städtetag sagt – das muss er natürlich auch –, er halte die Einführung der Werkrealschule für einen wichtigen Schritt.
(Abg. Volker Schebesta CDU: Warum muss er das? Das muss er doch nicht! Nur die, die dafür sind, müs- sen das!)