Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Untersteller hat wirklich sachlich anhand von Fakten und Zahlen argumentieren. Was danach kam, das darf oder braucht man, glaube ich, nicht zu kommentieren.
(Abg. Paul Nemeth CDU: Damit meinen Sie sich, Herr Knapp, oder? – Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD)
Ich möchte sagen: Das, was wir jetzt diskutieren, zeigt in dreifacher Weise das Versagen der Landesregierung. Das erste Versagen beginnt bei der Planung. Wir haben die Studie von
der EnBW, von trend:research, die Sie, Herr Kollege Untersteller, schon angeschnitten haben. Zum „Windkrafttag“ haben wir Ihre Pressemeldung, Herr Wirtschaftsminister.
Darin nehmen Sie auf diese Studie Bezug. Sie sagen in dieser Pressemitteilung, dass Windkraftanlagen in Baden-Württemberg nicht an den Finanzen, nicht an den Investoren scheitern, sondern an den Standorten.
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Ute Vogt SPD: Genau! – Zuruf von der SPD: So ist es! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Machen wir doch! – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)
Diese Studie sagt Ihnen, dass Sie die Anforderungen an die Regionalverbände konkretisieren müssen. Sie müssen Ihr Landesziel aktiv begleiten. Sie müssen beginnen,
auch bei den Planungen für Windkraftanlagen in die Detailuntersuchung zu gehen, damit nicht die Hälfte der Standorte gar nicht windhöffig ist. Dies ist völlig unabhängig von Finanzen und Investoren. Dort wird einfach nicht gebaut, weil es sich nicht rechnet. Da müssen Sie als oberster Planer die Vorgaben machen.
Ende 2008 hatten wir 344 Windkraftanlagen in Baden-Würt temberg am Netz. Ich möchte die Zahl einfach in den Raum stellen. Wenn ich jetzt ein zweites Versagen der Landesregierung aufzeige, dann meine ich damit ihr Energiekonzept. Wir haben bereits erwartet, nachdem es im März eine Anhörung gab, bei der Ihnen jeder gesagt hat, dieses Energiekonzept sei rückwärtsgewandt –
(Abg. Paul Nemeth CDU: Das haben nur die Leute gesagt, die Sie eingeladen haben! Die IHK hat es doch gelobt! Warum sagen Sie die Unwahrheit? Das ist unglaublich!)
Man muss bremsen, damit so wenig passiert, weil sich sonst von allein mehr tun würde. Sie müssen bremsen, damit der Anteil der erneuerbaren Energien so gering ist, wie Sie sich das vorstellen.
Ich will zur Windkraft kommen. Rheinland-Pfalz hat 971 Anlagen. Es hat eine deutlich kleinere Fläche
(Abg. Paul Nemeth CDU: Es hat aber mehr Wein- berge! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Oh du schö- ner Westerwald, wie pfeift bei euch der Wind so kalt!)
und bezieht 7 % seiner Energie schon heute aus Windkraft. Es ist kein Küstenland, sondern ähnlich strukturiert wie Baden
Württemberg. Nordrhein-Westfalen erzeugte Ende 2008 mit 2 676 Windkraftanlagen bei 18 Millionen Menschen 4 % seiner Energie aus Windkraft. Dort ist keine Küste. Es ist ein Binnenstandort, ähnlich strukturiert wie Baden-Württemberg, nur dichter besiedelt.
Dann sagen Sie, Herr Minister, in Ihrem Energiekonzept: Wir wollen von jetzt 0,6 Terawattstunden, gerundet einem Anteil von etwa 0,8 %, bis 2020 auf 1,2 Terawattstunden, also einen Anteil von ungefähr 1,5 bis 1,6 %, Stromerzeugung aus Windenergieanlagen kommen.
Das ist völlig lächerlich! Sie müssen bremsen, damit wir so wenig machen. Sie tun das leider auch, indem Sie alles zulassen, was hier passiert.
Dritter Punkt. Diesen Punkt halte ich für den fatalsten Punkt, weil Sie Wirtschaftsminister sind: Sie versagen komplett, was Industrie-, Energie- und Wirtschaftspolitik angeht.
Diese Studie sagt Ihnen, dass schon heute – Ende 2008 – in der Windenergiebranche in Baden-Württemberg 580 Millionen € Umsatz mit 4 500 Arbeitskräften gemacht werden. Es wird prognostiziert, dass bis 2020 bei einem steigenden Markt – die Zahlen sind genannt worden; ich will sie noch einmal wiederholen – ungefähr 2 Milliarden € Umsatz in BadenWürttemberg mit annähernd 20 000 Arbeitsplätzen gemacht werden können.
Jetzt will ich noch einmal zum Kollegen Nemeth kommen. Sie haben die Autoindustrie angesprochen. Sie sagen: Wir verkaufen Autos nach außen. Das ist richtig. Und wir erlauben den Autos – Porsche, Daimler und Audi –, in Baden-Würt temberg zu fahren.
Aber wir erlauben unseren Firmen in Baden-Württemberg, die Windkraftanlagen herstellen, nicht, diese Windenergieanlagen hier richtig zu testen und zu bauen.
(Abg. Paul Nemeth CDU: Wollen Sie alle Autos hier haben? – Gegenruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Sag einmal!)
Diesem Umsatz von 580 Millionen € in Baden-Württemberg stellen wir 2008 neun Windkraftanlagen entgegen, die mit einer Investitionssumme von – ich sage es einmal grob – rund 30 Millionen € neu gebaut worden sind. Wir erlauben nicht einmal, dass für 5 % der Summe, die wir in Baden-Württemberg erwirtschaften, hier gebaut wird.
Das ist wirtschaftspolitisches Versagen. Das ist, was dieses Thema angeht, ein komplettes Versagen des Wirtschaftsminis teriums und der Landesregierung.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Grundanalyse dieser Debatte kann man durchaus teilen. Es ist in der Tat richtig: Wir befinden uns als Exportnation, als Exportstandort BadenWürttemberg in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit und müssen uns aufgrund unserer besonderen Betroffenheit die Frage stellen: Was kann man tun, um möglichst rasch und möglichst effektiv wieder aus der Krise herauszukommen?
Da ist es sicher richtig, innovative zukunftsgewandte Technologien zu fördern, wobei ich für die FDP/DVP-Fraktion deutlich sage: Diese Förderung ist nicht primär eine Aufgabe der Politik, ist nicht primär eine Aufgabe des Staates, sondern ist primär eine Aufgabe der Wirtschaft. Diese wird in der Tat getan.
Da haben die baden-württembergischen Unternehmen – Bosch sei beispielhaft genannt – die weltweiten Potenziale der Windenergie erkannt. Die baden-württembergischen Unternehmen, insbesondere auch im mittelständischen Bereich, machen sich diese Einsicht zu eigen und haben einen erheblichen Marktanteil in diesem Bereich gewonnen. Da ist es richtig und intelligent, darauf zu setzen, dass dieser Anteil, sobald wir aus dieser Krise wieder herauskommen, noch gesteigert werden sollte.
Nun stellt sich allerdings die Frage: Soll das alles oder soll das schwerpunktmäßig in Baden-Württemberg sein,
oder gibt es vielleicht windhöffigere Regionen als das Land Baden-Württemberg, küstennah oder im Offshorebereich?
dass küstennah bzw. im Offshorebereich eine stärkere Nachfrage nach Windkraftanlagen vorliegt als im Land BadenWürttemberg. Deshalb ist es notwendig, dass unsere Wirtschaft – sie tut dies – schwerpunktmäßig dort ihre Absatzmärk te sucht.
Das heißt nun nicht, dass wir als Land Baden-Württemberg gänzlich auf Windkraftstandorte verzichten sollten. Deshalb ist auch die Zielsetzung der Landesregierung im Energiekonzept 2020 richtig, darauf zu setzen, dass die Windenergie maßvoll ausgebaut werden soll, und zwar als Teil eines Energiemixes. Aber das vermisse ich bei der Opposition. Da wird nicht über Energiemix geredet,