Protokoll der Sitzung vom 30.07.2009

(Abg. Reinhold Gall SPD: So weit können wir es mit- tragen! – Abg. Wolfgang Stehmer SPD: Jetzt zur Sa- che! – Heiterkeit – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Zur Sache!)

Wir haben diese genannte Vereinbarung im Jahr 2007 angereichert, und zwar um die Rechte bei der Subsidiaritätskontrolle. Die Grenze bleibt. Es ist zu Recht gesagt worden, dass es bei der Regierung nach unserem Verfassungsaufbau keine rechtliche Zwangsbindung an die Maßgaben des Landtags geben kann. Warum ist das so?

(Unruhe)

Der Bundesrat ist nach unserem Grundgesetz ein Bundesorgan. Deshalb setzt sich das Bundesorgan Bundesrat logischerweise aus 16 Länderregierungen zusammen. Das ist die eine Seite. Es ist – das wurde zu Recht angesprochen – mittelbar gerade in unserem Interesse, dass wir die demokratische Beteiligung verstärken wollen. Deshalb wollen wir auch das jetzige Zusammenwirken der Landesregierung mit unserem Landtag vertiefen. Wenn wir dazu Änderungsvorschläge bekommen, meinetwegen auch was die Novellierung der jetzt

schon bestehenden weitgehenden Vereinbarung angeht, bin ich dafür jederzeit offen. Das will ich hier ausdrücklich sagen. Wir haben großes Interesse daran, gemeinsam mit unserem Landesparlament die Interessen unserer Bürgerinnen und Bürger Baden-Württembergs in Europa einzubringen und zu vertreten.

(Beifall bei allen Fraktionen – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Das war ein guter Schlusssatz! – Zurufe: Jawohl! – Bravo! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Ab- schließen!)

Nachdem Sie das wünschen.

(Heiterkeit – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Das kannst du nicht mehr toppen, egal, was du sagst! – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Reinhold Gall SPD: Wir haben Zeit! – Zuruf: Wir haben alles ge- hört, was Sie sagen wollten! – Heiterkeit)

Dann würde ich sagen: Nach dieser Begeisterung für Europa

(Heiterkeit und Beifall bei allen Fraktionen)

bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit und für die Unterstützung.

(Beifall bei allen Fraktionen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo!)

Für die CDU-Fraktion erhält Herr Abg. Müller das Wort.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Wir verzichten auf die zweite Runde! – Gegenruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wir nicht! Den müssen Sie sich schon anhören!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es sollten immer diejenigen reden, die etwas zu sagen haben.

(Heiterkeit und Beifall bei allen Fraktionen – Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Zunächst einmal muss man feststellen: Supranationale Politik hat zunehmend das Problem eines Defizits an demokratischer Legitimation. Das hat das Bundesverfassungsgericht formuliert und festgestellt. Es hat gleichzeitig festgestellt, dass dieses Defizit durch das Europäische Parlament nicht vollständig kompensiert wird.

Deswegen hat das Bundesverfassungsgericht dem Bundestag und dem Bundesrat zusätzliche Rechte zuerkannt, die wir selbst – das müssen wir ganz selbstkritisch sagen – so gar nicht gesehen haben. Wir haben Rechte und – wie Herr Minis ter Reinhart gerade gesagt hat – damit auch Pflichten. Wir sind verpflichtet, uns mit den betreffenden Themen zu befassen, durch Beschlüsse zu handeln und schleichende Kompetenzverlagerungsprozesse nicht einfach laufen zu lassen.

Das Bundesverfassungsgericht hat uns an unsere Rechte und Pflichten erinnert. Deshalb ist das Urteil nicht europafeindlich, sondern demokratiefreundlich. Dagegen kann man schlechterdings nichts haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Tho- mas Blenke CDU: Sehr gut!)

Es gibt im Übrigen jede Menge guter Gründe für das Handeln der Europäischen Union, und es gibt unstreitige Kompetenzen der Europäischen Union. Es gibt aber auch Fälle, in denen man sich sehr wohl fragen kann, was eine Angelegenheit der Europäischen Union ist und was nicht.

Meine Damen und Herren, Herr Minister, zum geplanten Begleitgesetz will ich nur sagen, dass die vorliegenden Eckpunkte der Länder grundsätzlich unsere Zustimmung finden. Wir halten es auch für richtig, dass so schnell gehandelt wird, obwohl das schon eine relativ heiße Nummer ist. Wir reden hier über grundlegende verfassungsrechtliche Angelegenheiten zwischen der EU und der Bundes- und der Länderebene. Das alles sozusagen in einer Parlamentspause innerhalb von sechs Wochen zu erledigen ist kühn.

Trotzdem: Wir wissen um unsere Verantwortung, und wir wissen, dass die Abstimmung in Irland vor der Tür steht. Deswegen will Deutschland sozusagen keine Vorlage liefern, indem es sich sperrig zeigt. Wir halten das Tempo, in dem hier gehandelt wird, für richtig.

Ich will auf zwei Punkte eingehen, die wir vonseiten der Unionsfraktion für erörterungsbedürftig halten. Der eine ist die Frage: Was machen wir eigentlich im Subsidiaritätskonfliktfall? Das heißt, wenn wir die Subsidiaritätsrüge erheben möchten, ist auch dies eine Frage des Kompetenzkonflikts, für den dann die Regeln gelten sollten, die jetzt im Begleitgesetz zur Anwendung kommen werden. Der zweite Punkt ist in der Tat das Binnenverhältnis zwischen Landesregierung und Landtag.

Zunächst ist nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts klar: Wir brauchen formelle Übertragungsakte, wenn es um das Delegieren von Hoheitsrechten des Bundes oder der Länder geht. Aber was machen wir in dem Fall, in dem sich die Europäische Union ein Recht nimmt und wir glauben, dass sie sich dieses Recht zu Unrecht nimmt? Das ist ja der Fall der Subsidiaritätsrüge. Ich glaube, dass wir in diesem Kompetenzkonflikt dieselben Verfahren, die jetzt im Begleitgesetz formuliert werden, anwenden müssen. Das heißt, es geht nicht nur um ein Klagerecht, das der Bundestag oder der Bundesrat beim Europäischen Gerichtshof hätten, sondern es geht auch darum – damit wird die Schwelle der Möglichkeiten, von unserer Seite aus zu intervenieren, deutlich abgesenkt –, dass wir unsere Zustimmung an Stellen, an denen unsere Zustimmung erforderlich ist, verweigern.

Ich glaube, dass es dazu einen rechtstechnisch guten Platz gibt, nämlich die Vereinbarung zwischen Bundestag und Bundesrat. Wir sollten an der Stelle, an der geregelt wird, wann wir überhaupt diese Prozesse in Gang zu setzen haben, etwas ergänzen. In dieser Vereinbarung heißt es z. B.: Das Verfahren nach dem Begleitgesetz gilt auch schon für Grün- und Weißbücher, also im Vorfeld. So könnte man jetzt zusätzlich sagen: In dem Fall, in dem die Subsidiaritätsrüge etwa vom Bundesrat erhoben wird, ist ein entsprechender positiver Beschluss erforderlich, um diese Subsidiaritätsbedenken überwinden zu können.

Die zweite Bemerkung betrifft das Binnenverhältnis zwischen Landtag und Landesregierung. Ich habe mich darüber gefreut,

Herr Minister, dass Sie die Dinge jetzt gerade etwas parlamentsfreundlicher formuliert haben als in der Stellungnahme zum Antrag des Kollegen Hofelich. Da gab es ein wenig die Philosophie: Es geht um den Bundesrat, und der Bundesrat ist schon das Parlament. Ich möchte aber doch sagen: Der Bundesrat ist zwar ein Bundesorgan, das an der Gesetzgebung des Bundes mitwirkt, aber ob es ein Parlament ist, das kann man schon fragen.

(Beifall des Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE)

Und Sie schrieben: Wir, die Landesregierung, nehmen die Rechte Baden-Württembergs im Bundesrat wahr.

In Ihrer Rede haben Sie gerade gesagt, in diesen Bundesratsangelegenheiten seien Sie offen für weitere Zuständigkeiten des Landtags gegenüber der Landesregierung. Es geht nicht um andere Bundesratsangelegenheiten, aber um diese.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Nur um diese!)

Denn das Bundesverfassungsgericht hat kein Föderalismusdefizit, sondern ein Demokratiedefizit beklagt. Wenn es jetzt um Gesetzgebungskompetenzen der Länder geht, dann muss der Gesetzgeber in den Ländern – das sind die Landtage – zustimmen. Ich glaube, insofern gibt es im Bundesrat eine Bindung der Landesregierung an das, was im Landtag gesagt wird. Denn die Gesetzgebungskompetenz können wir nicht an die Landesregierung delegieren.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Herr Kollege Müller, kommen Sie bitte zum Schluss.

Jawohl. – Übrigens ist auch die Frage zu erörtern – der Bundesrat kann beim Europäischen Gerichtshof die Subsidiaritätsklage erheben –, ob es nicht auch angemessen ist, dass die Landtage beim Bundesverfassungsgericht die Subsidiaritätsklage – bei einer Verletzung des Subsidiaritätsprinzips – entsprechend erheben können sollten, wie das in Fällen der konkurrierenden Gesetzgebung ohnehin der Fall ist.

Insofern glaube ich: Hier gibt es Nachbesserungsbedarf hinsichtlich des Themas Subsidiarität einerseits und beim Binnenverhältnis zwischen Landtag und Landesregierung andererseits.

Insgesamt aber: Das Urteil ist, wie gesagt, nicht europafeindlich, aber es mahnt uns, dass wir uns unserer eigenen Rechte und Pflichten bewusst sind und sie wahrnehmen. Insofern ist dies eine Chance für die Parlamente und damit auch für den Landtag von Baden-Württemberg.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Hervorragend gesprochen!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Hofelich das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit fasse ich mich kurz.

Wir werden über das Binnenverhältnis zwischen Landesregierung und Landtag zu reden haben. Es wird noch Gelegenheit geben, darüber hier im Haus zu diskutieren. Dabei lasse ich es zunächst einmal bewenden. Alles andere wird in der Zukunft noch zu sagen sein.

Weil das weltweit bedeutendste Landesparlament einen Abgeordneten nach Brüssel bzw. nach Straßburg verliert, spendiere ich den Rest meiner Redezeit dem Kollegen Theurer für seinen allerletzten Auftritt in diesem Haus.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! Bravo!)

Das Wort erhält Herr Abg. Walter für die Fraktion GRÜNE.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Was spendiert der? – Abg. Thomas Blenke CDU: Der schließt sich an!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wollte nur den Kollegen Müller darauf hinweisen: Wir hätten auch noch einiges zu sagen. Wir verschieben das aber auf das nächste Mal.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Herr Kollege Walter, was können wir Ihnen noch an Redezeit spendie- ren?)

Dem Kollegen Theurer würde ich zum Abschied auch noch gern meine 50 Sekunden Redezeit schenken. Aber ich bitte Sie, sich trotzdem kurz zu halten, damit wir Sie nachher würdevoll verabschieden können.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Herr Walter, was kön- nen wir Ihnen noch an Redezeit schenken?)

Wir können gern noch über die Besetzung der Intendantenstelle für das Opernhaus reden.