Protokoll der Sitzung vom 07.10.2009

Morgen Abend eröffnet der Ministerpräsident einen neuen Hochschulcampus in Tuttlingen – das mag mich besonders freuen – und am Freitagabend einen in Schwäbisch Hall.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das freut mich be- sonders, Herr Kollege! – Abg. Reinhold Gall SPD: Die kriegen aber keine Studienplätze!)

Damit investieren wir in die Ausbildung junger Menschen. Damit wollen wir Hochschulen fördern, die sich auf die Fahne schreiben, sich als Bindeglied gerade zum Mittelstand zu begreifen. Auch das ist klassische Mittelstandsförderung mitten in der Krise. Wir, die Landesregierung und die CDU-Fraktion, setzen auf Signale des Aufbruchs. Sie hingegen begnügen sich mit Resignation.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! Bra- vo! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sehr gute Re- de! Sogar eine hervorragende Rede! – Zuruf von der CDU: Der Wolf hat gebissen! – Heiterkeit)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Sitzmann.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Die Freundin von Friedl!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gerade von den Vorrednern schon viel zu dem Thema Kreditklemme gehört. Wir sind uns einig, dass es für viele Unternehmen mittlerweile massive Probleme gibt, sich mit Krediten zu versorgen, sei es mit Betriebsmittelkrediten, sei es mit Krediten für Investitionen.

Für diejenigen, die in dieser Situation sind, ist es eine akademische Diskussion, ob man das Kreditklemme oder „Verschlechterung der Kreditversorgung“ nennt. Klar ist: Die Situation ist für viele nicht einfach. Das hat die SPD zum Anlass für diese Aktuelle Debatte genommen. Der zweite Teil der Aktuellen Debatte betrifft das Thema Arbeitslosigkeit; darauf will ich später noch eingehen.

Sie, Herr Schmiedel, haben nun von einer Mittelstandsanleihe gesprochen. Die SPD-Fraktion hat ja Mitte September einen entsprechenden Vorschlag eingebracht, wie eine solche Mittelstandsanleihe aussehen soll, die diese Kreditklemme überwinden soll. Sie haben vorgeschlagen, dass die LBBW Kreditanfragen sammelt und zu einer Anleihe bündelt, 5 % des Ausfallrisikos verbürgt und dann das Land und die LBBW zusammen noch einmal 10 % verbürgen.

Bei allem Respekt für die Analyse: Dieses Instrument halten wir für falsch, Herr Kollege. Mit dieser Mittelstandsanleihe, die als Gesamtes verbürgt wird, rücken Sie von dem üblichen Prinzip ab, dass wir bislang bei jedem Unternehmen, das eine Bürgschaft braucht, genau prüfen, ob die Voraussetzungen gegeben sind und ob mit dieser Bürgschaft die angegebenen Ziele erreicht werden können. Davon rücken Sie mit diesem Konzept ab, verbürgen insgesamt und haben das Ziel, ein attraktives Wertpapier für institutionelle Anleger zu schaffen. Das Risiko tragen letztendlich die öffentliche Hand bzw. die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen. Das halten wir für falsch. Damit wird der Bock zum Gärtner gemacht. Das kann nicht die Lösung des Problems sein.

Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass es noch nicht so lange her ist, dass eine schwarz-rote Bundesregierung einen Bankenrettungsschirm mit einem Volumen von 500 Milliarden € aufgelegt hat, und zwar mit dem ausdrücklichen Ziel, die Kreditversorgung des Mittelstands zu sichern.

(Zuruf von der SPD: Das war gut so!)

Wenn wir die Debatten heute hören, dann, meine Damen und Herren, müssen wir doch feststellen: Dieses Ziel ist deutlich verfehlt worden.

(Beifall bei den Grünen)

Es ist auch nicht gelungen, den Finanzmarkt wieder funktionsfähig zu machen und damit Unternehmern auch den Zugang zu Kapital zu erleichtern. Wir haben im Wirtschaftsausschuss des Landtags immer wieder Debatten darüber, wie man diese Unternehmen unterstützen kann. Es gibt zwar zahlreiche Programme; ich sehe aber auch, dass der Bedarf noch nicht ausreichend gedeckt ist, und auch Beratung für betroffene Unternehmen fehlt.

Nun hat der Kollege Wolf in einer Art Selbstzufriedenheit darüber, wie gut die Landesregierung in der Krise agiert, noch ein paar andere Dinge ins Spiel gebracht. Für diese Selbstzufriedenheit gibt es unseres Erachtens überhaupt keinen Grund, und ich finde, die Debatte, die wir gerade unter TOP 1 hatten, hat ganz deutlich gezeigt, dass nach wie vor die ökologische Zukunftsausrichtung fehlt. Es ist ja nicht so, dass das nur ein Steckenpferd der Grünen wäre. Wenn Sie Bundespräsident Köhler gehört haben, wissen Sie: Auch er hat gesagt, dass wir eine industrielle Revolution brauchen und dass dies eine ökologische Revolution sein muss,

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Aber gewählt habt ihr ihn nicht!)

damit wir für die Zukunft gut aufgestellt sind. Der Bundespräsident hat es verstanden, aber die CDU und die FDP/DVP hier im Landtag blenden es nach wie vor aus. Das muss man einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei den Grünen)

Baden-Württemberg ist besonders von der Krise betroffen: 10 % Wachstumseinbrüche. Wir stehen vor einem harten Struk turwandel – das ist schon vorhin in der Debatte angeklungen –, und deshalb wird es in der Zukunft darum gehen, dass wir diese Situation auch ernsthaft für ein Umsteuern, für lange Linien und langfristige Entwicklungen nutzen. Es wird höchste Zeit, uns zusammen intensiv Gedanken darüber zu machen, wie das gehen kann. Ohne Klimaschutz, ohne Ressourceneffizienz und ohne erneuerbare Energien wird es sicherlich nicht gehen, meine Damen und Herren. Wir haben immer wieder Beispiele, dass diese Realität z. B. beim Wirtschaftsminister noch nicht angekommen ist.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Doch. Sie haben uns z. B. im Juli dieses Jahres einen umfangreichen Clusterbericht vorgelegt, doch darin kommt das Thema „Erneuerbare Energien“ so gut wie gar nicht vor.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Ojemine!)

Sie haben das Thema noch nicht auf der Agenda, und dies sollten Sie schleunigst ändern.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Berroth.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Titel dieser Aktuellen Debatte besteht aus drei Teilen, die in dieser Form eigentlich nicht richtig zusammengehören. Ich möchte deutlich sagen: Der Mittelstand ist nicht gerade dafür verantwortlich, dass die Arbeitslosigkeit zunimmt. Denn der Mittelstand ist nun wirklich der Teil unserer Wirtschaft, der Mitarbeiter weit länger im Betrieb behält, als das z. B. in der Großindustrie der Fall ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Zu der Frage der SPD „Wann handelt die Landesregierung?“ möchte ich fragen: Wann wacht die SPD endlich auf und macht die Augen auf? Denn da wird vieles getan. Wenn Sie dies nicht sehen, stimmt mich das sehr bedenklich.

Herr Fraktionsvorsitzender Schmiedel, ich bewundere Ihren Wagemut oder, vielleicht mit einem jiddischen Begriff besser ausgedrückt, Ihre Chuzpe.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Nein, einfach deshalb, weil er, als er gemerkt hat, dass die Linke wegbricht, sein Heil auf der anderen Seite gesucht hat und seither versucht, den Retter des Mittelstands zu spielen,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Orientierungslos herumirrt!)

obwohl ihm die letzten Wahlen doch eigentlich gezeigt haben sollten, dass ihn die Leute in dieser Funktion nicht ernst nehmen, und zwar zu Recht nicht ernst nehmen.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Die Hoffnung stirbt zuletzt, Frau Kollegin!)

Ich habe mir als Basis für die heutige Debatte noch einmal Ihre Pressemitteilung vom 24. August 2009 mit den Vorschlägen zur Überwindung der Kreditklemme herausgesucht, Herr Schmiedel. Diese Mitteilung muss man sich wirklich im Einzelnen ansehen.

Sie behaupten erstens, die Landesregierung schaue tatenlos zu. Ist Ihnen noch nicht aufgefallen, dass es – schon unter dem von Ihnen gestellten Wirtschaftsminister Spöri, aber seitdem von den liberalen Wirtschaftsministern immer weiter verbessert – eine Bürgschaftsbank gibt, die den Mittelstand massiv unterstützt? Wir geben zudem eigenkapitalersetzende Darlehen über die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft aus. Der Landtag hat erst kürzlich die Möglichkeiten über den betreffenden Titel erhöht. Auch ist das Land seit vielen Jahren aktiv dabei, Beratungsförderung für den Mittelstand finanziell mit zu stützen.

Jetzt kommen Sie und sagen: „Das Land tut nichts.“ Ich weiß nicht, wohin Sie da schauen. Die SPD zeigt eine andere Art der Staatsgläubigkeit.

Nun mag man darüber streiten, ob es eine Kreditklemme gibt oder nicht.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Dann lassen Sie uns strei- ten!)

Das ist ein Streit um des Kaisers Bart. Für manche Betriebe ist es im Moment schwierig, einen Kredit zu bekommen – das

ist ganz klar –, und zwar auch deshalb – das weiß man seit Langem –, weil einen Kredit vor allem diejenigen erhalten, die deutlich nachweisen, dass sie eigentlich keinen brauchen.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Das hat schon Tucholsky gesagt!)

Ja, das ist nach wie vor so. Das geht auf das Wirtschaftssys tem zurück.

(Lachen des Abg. Reinhold Gall SPD)

Jetzt wundert mich die Begründung, die Sie, Herr Schmiedel, in der angeführten Pressemitteilung bringen. Damit wollen Sie uns nämlich Sand in die Augen streuen. Sie sagen, Sie wollten über diese Anleihe nur „gute Kredite“ an Mittelständler finanzieren. Herrgott noch einmal: Gute Kredite bedürfen nicht der Unterstützung durch das Land. Die erhalten die Unternehmen von der Bank direkt. Da brauchen sie keinen Umweg über viel Bürokratie zu machen. Vielmehr gehen sie zu ihrer Hausbank und erhalten einen Kredit, wenn sie nämlich nachweisen können, dass sie mit diesem Kredit auch in Zukunft Erträge erwirtschaften und damit den Kredit zurückzahlen und die Zinsleistungen erbringen können. In dieser Hinsicht besteht kein Problem.

Aber Sie sagen dann schon, das Land solle eine Teilgarantie für das Kreditportfolio übernehmen. Also scheint in dem, was Sie machen wollen, doch ein Risiko zu liegen. Damit aber empfehlen Sie, Herr Schmiedel, dem Land Baden-Württemberg, genau das zu tun, wodurch diese Finanzkrise letztlich überhaupt ausgebrochen ist, nämlich in irgendwelchen nicht mehr überschaubaren Titeln Risiken zu verstecken. Da machen wir nicht mit. Das sage ich Ihnen deutlich.

Die Frage ist doch: Warum geht es dem Mittelstand eigentlich schlecht? Völlig zu Recht haben Sie auf mangelndes Eigenkapital verwiesen. Diesen Umstand beklage ich seit vielen Jahrzehnten, weil ich im Rahmen meiner Berufstätigkeit viele Bilanzen sehe. Glauben Sie mir, ich habe viele Unternehmer bekniet, endlich einmal wieder Gewinne auszuweisen, weil das ihr Eigenkapital stärkt. Aber die Steuerpolitik im Land ist nicht so, dass es sinnvoll wäre, Gewinne auszuweisen. Da versucht man alles, um Steuerzahlungen zu vermeiden, und dann landet der Ertrag eben nicht im Eigenkapital.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullin- ger FDP/DVP: So ist es!)