Protokoll der Sitzung vom 07.10.2009

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Sehr richtig!)

Wir wissen, dass die Zeit der Kurzarbeit ausläuft. Ich möchte von Ihnen wissen, was Sie diesen Menschen anzubieten haben.

(Beifall bei den Grünen)

Bislang hören wir von Ihrer Seite nichts anderes als die Hoffnung auf einen raschen Aufschwung. Das haben wir auch heute wieder vernommen. Das können wir in Pressemitteilungen des Wirtschaftsministers und des Ministerpräsidenten nachlesen. Hoffnung auf einen raschen Aufschwung ist alles, was Sie anzubieten haben.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Diese Hoffnung sollten wir auch nicht aufgeben!)

Das ist deutlich zu wenig, meine Damen und Herren, vor allem vor dem Hintergrund, dass in Baden-Württemberg aufgrund der massiven Einbrüche der Wirtschaft um 10 % die Arbeitslosigkeit massiv angestiegen ist, nämlich in einem Jahr um 33 %,

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

und dass diese Krise junge Menschen im Besonderen betrifft: Im September 2008 waren 25 000 Jugendliche ohne Beschäftigung, im September 2009 waren 36 000 Jugendliche ohne Beschäftigung.

Deswegen hat die Fraktion GRÜNE schon letztes Jahr vorgeschlagen, das duale System der Ausbildung so weiterzuentwickeln, dass Unternehmen auch in Krisenzeiten weiterhin ausbilden können. Wir haben im Frühjahr mehr Kapazitäten für die vollzeitschulischen Aufstiegsqualifizierungen gefordert. Wir haben Vorschläge für Kurzarbeitsmodelle für junge Menschen gemacht, die in der Gefahr sind, nach der Ausbildung auf der Straße zu stehen. All das haben Sie abgelehnt. Stattdessen gibt es hier einmal ein kleines Förderprogramm und da einmal ein Modellprojekt. Ich kann Ihnen sagen: All das reicht nicht aus, um die Herausforderungen, die auf uns zukommen – jeder weiß das –, zu bewältigen.

Bei der Vorstellung der aktuellen Arbeitsmarktzahlen hat die Leiterin der Regionaldirektion der Arbeitsagentur in BadenWürttemberg zu Recht darauf hingewiesen, dass der Anteil an langzeitarbeitslosen Menschen zunehmen wird. Vor diesem Hintergrund ist es besonders fatal, dass die schwarz-rote Bundesregierung nicht in der Lage war, die Trägerschaft der Jobcenter zu klären. Das wird sich jetzt in der Krise deutlich auswirken. Das ist deutlich zu kritisieren. Wir haben in diesem Haus schon frühzeitig über dieses Thema diskutiert. Die Große Koalition hat nicht einmal einen kleinen Wurf zustande gebracht. Es wird Zeit, dass Sie sich auch beim Thema Arbeitsmarkt endlich den Herausforderungen und Ihrer Verantwortung stellen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den Grünen)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Frau Abg. Berroth das Wort.

Herr Kollege Schmiedel, ich gehe direkt auf Ihren Vorwurf ein, dass es durchaus Kreditanträge und Unterstützungsanträge gibt, bei denen die Bürgschaftsbank oder die MBG nicht mitmachen. Da kann ich Ihnen nur eines sagen: Wenn diese Institutionen da nicht mitmachen, dann hat das in aller Regel sehr gute Gründe.

Was Sie in Ihre Anleihe stecken wollen, sind aber nur gute und nicht risikobehaftete Kredite. Das heißt, das, was Sie angeführt haben, wäre auch kein Fall für Ihre Anleihe.

Ich kann Ihnen einen Fall nennen, bei dem wir mit dem Exis tenzgründer zusammen die Bürgschaftsbank überzeugt haben. Als die Bürgschaftsbank dann gesagt hat, dass sie mitmacht, hat plötzlich das Bankinstitut – ich sage jetzt nicht, ob es eine Sparkasse oder Volksbank war; es könnte bei beiden passieren – zurückgezogen, weil ihm trotz Bürgschaftsbankzusage das Risiko zu groß war.

Oft ist diese Zusage der Hausbank auch nur ein Verstecken, um nicht die eigene Entscheidung deutlich zu machen. Ich bin sehr froh, dass Bürgschaftsbank und MBG noch einmal genau überprüfen: Wo ist das Risiko? Sind die Chancen vorhanden, oder würden wir nicht durch diese Maßnahme die Unternehmer in noch größere Schulden hineintreiben? Darum geht es nämlich auch.

Mich wundert natürlich nicht, dass die Banken Ihrer Idee mit der Anleihe sehr positiv gegenüberstehen. Ganz klar: Das bedeutet für die Banken doch Umsatz. Das bedeutet ein Geschäft für die Banken, das kostet Geld. Gerade deshalb stehe ich diesem Teil sehr kritisch gegenüber. Denn dieses Geld müssen die Unternehmer nachher zusätzlich erwirtschaften. Auch dass der BDS dabei ist, wenn Sie – wie der Kollege Wolf gesagt hat – Hoffnungen schüren, ist klar; aber Sie sollten auch klarmachen, dass diese Hoffnungen auf ganz wackligen Beinen stehen. Dann würde sich der BDS vermutlich wieder anders äußern.

Was ist zu tun? Ich habe versprochen, etwas zum Thema Steuern zu sagen. Über die gesamte Zeit des Wahlkampfs hinweg war es so, dass uns alle vorgehalten haben, wir würden Steuern senken wollen, und meinten, es beträfe die Steuereinnahmen. Wer genau zuhört, weiß: Wir wollen die Steuersätze senken. Das bedeutet mitnichten, dass in gleichem Maße die Einnahmen sinken.

Dazu gab es Feldversuche in Australien, in Neuseeland, in verschiedenen Kantonen in der Schweiz. Der Thurgau hatte vor zehn Jahren noch eine Riesenschuldenlast, ist aber inzwischen schuldenfrei; er hat Eigenkapital, obwohl in diesen zehn Jahren fünfmal die Steuersätze gesenkt wurden.

Das ist das Modell. Dadurch wird einfach der Geldumlauf beschleunigt. Das heißt, der Einzelne hat mehr Geld zur Verfügung, und die Wirtschaft kommt ins Laufen. Das ist nur ein Teil, aber es wird nicht so sein, dass dadurch die Steuereinnahmen massiv einbrechen. Den möglichen Fehlbetrag kann man durch Einsparungen gegenrechnen.

(Beifall der Abg. Hagen Kluck FDP/DVP und Karl Zimmermann CDU)

Die kalte Progression ist nicht „gemacht worden“, sondern sie ist dadurch entstanden, dass man über Jahrzehnte hinweg die se Steuertabelle nicht an die Inflation angepasst hat, sodass Leute durch höhere Lebenshaltungskosten und entsprechend höhere Gehälter und Löhne inzwischen Steuersätze zahlen, die überhaupt nicht für diese Kategorie von Beschäftigung gedacht waren. Diese kalte Progression trifft gerade den Mittelstand, und zwar liquiditätswirksam, weil Steuern, wie wir alle wissen, sofort und nicht erst in zehn Jahren zu bezahlen sind und nicht kreditiert werden. Deswegen muss sich auf dieser Ebene etwas tun.

Zu den euphemistischen Bemerkungen der Grünen über die Klimapolitik: Ist Ihnen eigentlich noch nicht aufgefallen, wel

chen Bärendienst Sie mit dieser Schieflage, mit der einseitigen Förderung der Solarenergie, unserer Wirtschaft erwiesen haben? Die stand dadurch so gut da, dass sie nicht gemerkt hat, dass im Ausland weiter geforscht wurde und man im Ausland günstiger produziert und deutsche Betriebe daher inzwischen weltweit massive Wettbewerbsnachteile haben. So viel zu einseitiger Förderung. Das sollten wir vermeiden.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es! – Zuruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Fragen Sie einmal bei den entsprechenden Wirtschaftsbereichen an. Die Signale sind deutlich.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das ist Realität!)

Ich habe noch einen Vorschlag, der ganz deutlich und schnell – von mir aus sofort – die Liquidität der Betriebe verbessern würde, und zwar die Zurücknahme dieser unsäglichen Veränderung bezüglich der Abführung der Sozialversicherungsbeiträge.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jawohl! – Zuruf des Abg. Thomas Knapp SPD)

Früher hat man das so gemacht: Man hat die Lohnabrechnung erstellt, seinen Leuten das Geld ausbezahlt, dann eine Meldung an die Sozialversicherung gegeben und wenige Tage später das Geld überwiesen. Heute muss man eine Schätzung machen, das Geld, noch bevor der Lohn fällig ist, überweisen und nachträglich eine Spitzabrechnung nachreichen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das hat Rot-Grün ge- macht!)

Das ist sowohl eine Liquiditätsverschlechterung als auch eine übermäßige Bürokratiebelastung.

(Beifall des Abg. Karl Zimmermann CDU – Abg. Ha- gen Kluck FDP/DVP: So ist es! Und da sitzen die Schuldigen!)

Das ist der Punkt. Das führt nicht nur zu Bürokratiebelastung bei den Betrieben, sondern wir müssen auch in der Sozialversicherung die Leute vorhalten, die diese doppelten Anträge „beackern“. Das kostet wieder Geld. Dadurch wird die Sozialversicherung wieder teurer. Wir müssen uns an den Bürokratieabbau machen.

Unser Dank gilt dem Mittelstand. Der haftet nicht nur mit dem Eigenkapital, sondern leider auch sehr oft mit dem gesamten Privatvermögen. Das heißt, die gesamte Familie und ihre Zukunft hängt mit dran. Deswegen: einen ganz besonderen Dank an die selbst haftenden Unternehmerinnen und Unternehmer.

Der Mittelstand braucht unsere Unterstützung. Wir sind froh, dass die FDP jetzt auch auf Bundesebene intensiv daran mitwirken kann.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die Landesregierung erteile ich dem Herrn Finanzminister das Wort.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Der sollte auch spar- sam mit der Redezeit umgehen! – Vereinzelt Heiter- keit)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nur noch ganz wenige Anmerkungen. Zunächst einmal gilt auch in dieser Debatte, was ich immer sage: einerseits nicht gesundbeten, aber andererseits auch nicht des eigenen Profils wegen schlechtreden.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Genau!)

Lieber Herr Schmiedel – er ist jetzt nicht mehr da –

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Doch!)

doch, hier –,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Herr Minister, wie könnte ich das versäumen!)

Kassandra wird doch nie gewählt. Deshalb sollte man nie etwas schlechtreden, um sich zu profilieren.

Ich will nicht auf dieses positive Beispiel Thurgau eingehen. Der Kanton hat 240 000 Einwohner, das heißt, bei zweimaliger Erhöhung der Grundsteuer ist der Haushalt wieder einigermaßen im Lot.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Sie haben es nicht gemacht! Sie haben nicht erhöht, sondern ge- senkt!)

Das ist in der Tat beispielhaft. Beispielhaft ist auch die Schweiz insgesamt, wo man kantonal bezogen Zuschläge ermöglicht, um tatsächlich dann projektorientiert die eigene Einwohnerschaft auch bei Fragen der Haushaltspolitik mit einzubeziehen.

Noch einmal zurück zum Thema. Herr Schmiedel, Sie haben vom 27. August dieses Jahres zitiert. Wir leben im Moment, was die Wirtschaftsentwicklung anbelangt, in einer Zeit schnel ler Veränderungen. Deshalb muss man immer auf Sicht schauen, wie die Entwicklung ist.