Protokoll der Sitzung vom 08.10.2009

(Heiterkeit des Abg. Ingo Rust SPD)

Auf jeden Fall gibt es auch hier wieder nur Allgemeinplätze und Ausflüchte. Konkrete Antworten gehen aus dieser Stellungnahme nicht hervor. Das kann man aber sicherlich nicht auf die Antragstellung zurückführen.

(Abg. Ingo Rust SPD: Nein, überhaupt nicht!)

Meine Damen und Herren, wir alle bekommen in diesen Wochen und Monaten die Diskussionen über den ÖPNV in Berlin mit. Das Beispiel Berlin zeigt, wie wichtig es ist, klare Qualitätskriterien in die Verträge zu schreiben. Herr Kollege Bopp, da sind wir uns doch einig. Die Öffentlichkeit regt sich dort zu Recht darüber auf, dass viel zu kurze Züge und andere schwere Mängel die DB längst nichts mehr kosten, weil das Land maximal 5 % des Zuschusses einbehalten darf. In unserem Vertrag – das muss man an dieser Stelle ausdrücklich erwähnen – ist es noch deutlich weniger. Wir haben bisher einfach nur Glück gehabt, dass wir nicht in eine ähnliche Situation geraten sind. Aber Sie wissen ja: Das kann sich schnell ändern.

In neue Verträge, meine Damen und Herren, müssen klare Vorgaben aufgenommen werden. Das gilt für Themen wie Sicherheitspersonal in den Nachtstunden, garantiertes Platzangebot, Pünktlichkeit, Anschlüsse oder auch Sauberkeit – ein Thema, über das wir alle hier schon oft diskutiert haben.

Ein gut funktionierender Nahverkehr hat für die Wirtschaft und die Infrastruktur des Landes eine enorme Bedeutung. Es wird immer wieder darauf hingewiesen, wir müssten viele Straßen bauen, damit die Infrastruktur stimmt und die Wirtschaft davon profitiert. Aber gerade in Ballungsräumen, von denen wir in Baden-Württemberg einige haben, ist der Nahverkehr einfach konkurrenzlos, was Pünktlichkeit und Schnelligkeit anbelangt. Deshalb ist es dringend notwendig, dass wir entsprechende Vorgaben machen, dass wir einen Wettbewerb bekommen. Nur dann werden wir Kosten sparen und einen verbesserten ÖPNV bekommen.

Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Haller für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Walter hat die Situation treffend beschrieben. Wir wollen einen verbesserten ÖPNV. Jeder, der die Schiene nutzt, ist ein Pkw-Fahrer weniger. Er entlastet damit Straßen, er spart dort Kosten ein. Es muss immer wieder deutlich gemacht werden: Der ÖPNV ist ökologisch, und zwar in jeder Hinsicht, und deswegen ein erstrebenswertes Ziel. Er ist ein Aufgabenfeld – auch das muss einmal gesagt werden –, das in diesem Land in der Vergangenheit durchaus erfolgreich betrieben wurde. Die Zahlen sind kräftig gestiegen, was die Nutzung des SPNV betrifft, allerdings mit dem jetzt eingetretenen Mangel, dass der Betreiber, die DB, mit diesem Erfolg im Grunde gar nicht richtig fertig wird und der Verkehrsvertrag dafür keine Lösungen und Handhabungen anbietet.

Wir haben bedauerlicherweise immer wieder – ich wiederhole es gern noch einmal – übervolle Züge, wir haben Verspätungen, es gibt kaum begleitendes Zugpersonal, Klimaanlagen funktionieren nicht. Die Beschwerden häufen sich einfach, und der seinerzeit durchaus fragwürdig ausgehandelte Verkehrsvertrag bietet eben keine Sanktionsinstrumente. Das ist ein ganz großer Mangel, und deswegen sehnen alle Anhänger des ÖPNV einen Termin herbei: den Tag, an dem dieser Verkehrsvertrag ausläuft und die Karten neu gemischt werden können. Wenn diese Karten dann neu gemischt werden, muss jedoch der Wettbewerb kommen, und dann ist auch klar: Das Paket kann nicht auf einmal ausgeschrieben werden, wir brauchen Staffelungen.

Wenn Stuttgart 21 kommt – davon gehen wir aus –, ist es nicht möglich, bezogen auf diese Baustelle sachlich korrekt Leis tungen auszuschreiben. Wir akzeptieren, dass in der Sache Teile nach hinten verschoben werden. Das kann aber nicht zur Folge haben, dass dort, wo Pakete schnürbar sind, durch die Wettbewerb herbeigeführt werden kann, dies nicht geschieht, jedenfalls nicht rechtzeitig.

Ich habe auch nach wie vor Zweifel, ob es überhaupt gelingt, vor 2015 Pakete auszuschreiben. Herr Staatssekretär, das ist der Punkt, bei dem wir allmählich größte Zweifel hegen.

Das Problem besteht nicht in dem, was Sie ankündigen. Ihren Absichten kann man weitestgehend zustimmen. Sie teilen in der Stellungnahme zu unserem Antrag auch mit, dass Sie unserer Meinung beitreten. Das ist schön und gut. Das Problem ist, dass Sie in Sachen Verkehr immer mehr zum Ankündigungsweltmeister werden. Denken Sie nur einmal an Landesstraßen: Ankündigungen, die Sie später wieder einsammeln. Das Gleiche gilt für den Güterverkehr. Das Problem ist das Vollzugsdefizit. Wir befürchten eben, dass wir, weil das Ministerium nach unserer Einschätzung nicht in die Gänge kommt, Gefahr laufen, keinen Wettbewerb zu haben mit dem Ergebnis, dass schließlich von Sachzwängen die Rede ist. Sachzwänge gibt es jedoch nicht, dafür gibt es Situationen.

Ich erinnere noch einmal daran: Wenn ich 2013/2014 neues Material haben möchte, muss ich im Grunde heute vergeben. Die Unternehmen haben eine Bauzeit von zwei bis drei Jahren, sie brauchen Vorlaufzeit für die Planung und, und, und. Deswegen muss spätestens in diesem Jahr ein erstes Paket auf den Markt. Andernfalls ist es nicht realistisch, hier Wettbewerb herbeiführen zu können.

Zum anderen muss man sehen: Die derzeitige Wirtschafts- und Finanzkrise erhöht nicht gerade die Zahl der Wettbewerber. Veolia hat schon angekündigt, es könne sich nicht mehr leisten, in diesen Markt einfach fremdfinanziert einzusteigen. Die Eigenkapitaldecke ist bei vielen viel zu klein, um hier eigene Anstrengungen unternehmen zu können.

Derzeit geht der Markt eher in die Richtung, dass wir wieder verstärkt Monopoltendenzen wahrnehmen. Das ist nicht erfreulich. Die DB braucht die Konkurrenz. Da wollen wir Marktwirtschaft. Nur dann, wenn Pakete auf dem Markt sind – klein, überschaubar –, wird es auch möglich sein, Wettbewerb auf dem Schienenmarkt zu bekommen. Das streben wir ganz gezielt und zuvörderst an.

So viel als Erstes.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grü- nen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Scheuermann für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir uns mit der Frage beschäftigen, wie es nach dem Auslaufen von verschiedenen Verträgen mit dem ÖPNV weitergehen soll, dann muss an der Spitze aller Betrachtungen, glaube ich, doch eine grundsätzliche Aussage stehen. Wir haben in Baden-Württemberg – Stand heute – einen öffentlichen Personennahverkehr und einen Schienenpersonennahverkehr, von dem im Jahr 1996, als wir die Zuständigkeit dafür bekommen haben, niemand zu träumen wagte.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wenn die Zahlen, die ich habe, richtig sind, dann haben wir das Angebot im Schienenpersonennahverkehr im Vergleich zu 1996 um gut 30 % ausgeweitet und die Zahl der Nutzer um 50 % erhöht. Was wollen wir denn noch mehr?

(Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Wo ist jetzt Herr Walter? Er verkündet seine Weisheiten schon wieder den Journalisten.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE betritt den Plenarsaal. – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Um Gottes willen! Die sind alle schon daheim!)

Herr Walter, nennen Sie mir ein Land, in dem nach Ihrer Meinung alles besser ist als bei uns, ein Land, das den gleichen Erfolg vorzuweisen hat wie unser Land.

Nun gebe ich Ihnen in einem Punkt recht. Es stellt sich natürlich die Frage, ob wir den gleichen Erfolg vielleicht zu für uns besseren Bedingungen bekommen hätten. Das ist immer eine Frage, über die man diskutieren kann.

Zu der Frage, wie es jetzt weitergeht, hat die Landesregierung in ihrer Antwort bzw. in ihren Stellungnahmen zu den verschiedenen Initiativen Punkte genannt, hinter denen wir stehen können. Ich sage für die CDU-Fraktion aber auch, dass

wir für die zukünftigen Verfahren Bitten, um nicht zu sagen Forderungen haben.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Sehr gut!)

Zunächst begrüßen wir die Absicht der Landesregierung, in Zukunft nicht mehr einen solch riesigen Block auszuschreiben, wie ihn die DB in Baden-Württemberg bisher bewerkstelligt. Warum das so ist, wissen wir alle.

Wir meinen auch, dass wir aus den bisherigen Erfahrungen Konsequenzen ziehen sollten; die Landesregierung kündigt sie ja an. Wir sollten unsere Leistungsverzeichnisse als Grundlage für die Ausschreibung detaillierter gestalten, auch einmal hineinschreiben, welche Bedingungen die Bewerber hinsichtlich ihrer Arbeitskräfte erfüllen müssen, und z. B. noch stringentere Anforderungen an die Qualität der Angebote stellen.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Sehr gut!)

Als Drittes begrüßen wir die Absicht der Landesregierung, bewährte bisherige Vertragspartner nicht auf die Straße zu setzen. Ich will Ihnen einen Vertragspartner nennen, bei dem ich mir überhaupt keine Änderung wünsche oder vorstellen kann: Das, was die AVG aus Karlsruhe in dem sogenannten Karlsruher Stern in Baden-Württemberg bewerkstelligt hat, ist mus tergültig.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Stimmt!)

Wenn man es rechtlich könnte, würde ich sagen: Da gibt es überhaupt nichts auszuschreiben, sondern die Verträge sind zu verlängern und basta.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Heiterkeit des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Sagen Sie mir, ob dieses Angebot auch nur theoretisch verbesserbar ist. Sie können noch Bars in die Wagen einbauen und Toiletten in Nahverkehrsfahrzeugen installieren.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Eine Bar wäre gut!)

Aber sonst kann ich mir keine Verbesserung vorstellen.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Kaffee und Ku- chen!)

Jetzt komme ich auf ein paar Punkte zu sprechen, bei denen wir Bitten und Forderungen an die Landesregierung haben. Ich bin zunächst der Meinung, dass der Landtag, anders als es bislang bei den Verträgen mit der Bahn der Fall ist, in Zukunft Einblick in die Leistungsverzeichnisse haben sollte.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jawohl!)

Ich sehe überhaupt keinen Grund, warum das alles im Verborgenen, im Schoße der Regierung erfolgen soll.

(Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP: Der Bahn!)

Das ist meine erste Bitte und meine erste Forderung.

Zweitens: Bevor man überhaupt weitermacht, brauchen wir eine Übersicht aus dem Blickwinkel der Landesregierung: Was hat sich bisher bewährt und ist deswegen beizubehalten?

Drittens: Was ist in den bisherigen Verträgen nicht geregelt, was sich für uns deshalb als Nachteil herausgestellt hat? Das muss dann in Zukunft geregelt werden.

Viertens: Was ist nach den Erfahrungen mit den bisherigen Verträgen kritikwürdig, und wo können wir dieser Kritik begegnen? Ein paar Beispiele: Das, was in den Verträgen an Pönalen enthalten ist, ist fast die Tinte nicht wert, weil die Strafen so gering sind, dass es niemanden wirklich kümmert, wenn er Pönalen bezahlen muss. Das muss geändert werden.