Protokoll der Sitzung vom 04.11.2009

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Oh!)

und habe deswegen ab und zu, weil auch ich ein begeisterter Fußballanhänger bin – ein gewaltfreier, Herr Minister, wie Sie mir sicherlich abnehmen –,

(Lachen bei Abgeordneten der CDU)

die Möglichkeit, zu sehen, was da vor sich geht. Ich sehe aber auch, dass wir Demokratinnen und Demokraten gegen die Rekrutierung in dieser Gewaltszene auch am heutigen Tag relativ wenig überzeugende Antworten anbieten können. Es gibt wenig pragmatische Angebote für junge Leute aus diesen Milieus. Da müssen wir ansetzen, um dieser Hooliganszene ein Stück weit den Boden zu entziehen. Da gibt es ganz viel Handlungsbedarf – Stichwort Fanprojekte und einiges andere. Wir brauchen nicht nur Lippenbekenntnisse, sondern dort, wo es notwendig ist, auch Veränderungen.

Ich bin dafür, diese Diskussion über den heutigen Tag hinaus unbedingt fortzusetzen. Wenn wir dies im Ausschuss tun – das ist richtig –, dann muss ich mich jetzt nicht zu den Anträgen, die die SPD hier eingebracht hat, äußern. Herr Kollege Gall, lassen Sie uns hierüber im Ausschuss eine Fachdebatte führen.

Was § 113 des Strafgesetzbuchs angeht, so habe ich, glaube ich, im Koalitionsvertrag auf Bundesebene gelesen, dass die Bundesregierung ohnehin eine Neufassung vorhat. Unter Umständen erledigt sich das.

Alles Weitere im Innenausschuss.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kluck für die Fraktion der FDP/DVP.

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns sicherlich alle einig, dass wir dieser Zunahme der Gewalt gegen Polizeikräfte nicht tatenlos zusehen dürfen. Der deutliche Anstieg der Zahl der verletzten, teilweise sogar erheblich verletzten Beamtinnen und Beamten ist ein Warnsignal. Im Durchschnitt gab es 2008 in Baden-Württemberg – die Zahl wurde genannt – pro Tag acht Angriffe auf Polizeibeamte. Das ist natürlich nicht hinnehmbar. Dagegen muss man etwas tun.

(Zuruf des Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE)

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Ich sagte, wir brauchen auch Zivilcourage!)

Darüber sprechen wir ja morgen.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Ach so! Da bin ich aber nicht da! – Gegenruf des Abg. Thomas Blen ke CDU: Da müssen Sie früh aufstehen und pünkt- lich sein! – Heiterkeit)

Die freiwillige Befragung durch die Hochschule der Polizei wird sicherlich nähere Aufschlüsse über Ursachen liefern und wird uns vielleicht auch eine Handlungsempfehlung geben können, wie man sich dem Problem am besten nähert.

Weil eine große Zahl dieser Taten unter Alkoholeinfluss geschieht, brauchen wir auch verhaltenspräventive Maßnahmen.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, bitte lassen Sie den Herrn Abgeordneten reden.

Die Erhöhung des angedrohten Strafrahmens hilft allein sicher nicht. Denn wer auf einen Polizeibeamten losgeht, der denkt ja dabei nicht: Das kostet höchstens zwei Jahre.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Finden Sie es denn rich- tig, dass Sachbeschädigung höher bestraft wird?)

Nein, das finde ich auch nicht richtig. Das gilt aber auch nur, wenn es allein eine Widerstandshandlung ist. Meist kommt aber gefährliche Körperverletzung hinzu, und dann ist ein anderes Strafmaß möglich. Das kann man aber alles sorgfältig prüfen.

Es ist auch gut, dass wir die Ausstattung, die polizeiliche Ausrüstung, immer wieder überprüfen und immer wieder optimieren. Da gibt es sicherlich, weil sich die Verhältnisse ändern, immer wieder Nachbesserungsbedarf. Wir haben lange über die Helme gesprochen. Wir haben auch über den Selbstschutz gesprochen, der notwendig ist. Dass es keinen absoluten Schutz gibt, wissen wir aber auch alle.

Es muss auch klar sein, dass eine normale Polizeistreife nicht wie eine Gruppe von Marsmännchen aussehen darf. Das würde eher Angst einflößen. Wir wollen eine Polizei, die Bürgerinnen und Bürgern keine Angst einflößt, sondern deren Ver

trauen in den Staat und in die Polizei festigt. Dazu gehört allerdings umgekehrt, dass man der Arbeit der Polizei mit Respekt begegnet. Es ist in unserer Gesellschaft leider üblich geworden, dass man ganze Berufsgruppen abmeiert. Sie kennen diese Geschichte ja. Wenn ein Bundeskanzler Lehrer pauschal als „faule Säcke“ bezeichnet, dann ist das einfach nicht hinnehmbar. Man kann auch nicht hinnehmen, wenn ein früherer Staatssekretär, der aus unserem Land stammt, Polizisten mit den Worten „Verpisst euch, ihr Wichser!“ empfängt. Das ist eine Sache, die wir nicht dulden dürfen,

(Zuruf von der CDU: Wer war das?)

genauso wenig wie den Fall, dass ein früherer Europaabgeordneter – auch in unserem Land zu Hause – Polizeibeamte beispielsweise mit Ausdrücken wie „Arschkopf“ bezeichnet hat und deswegen rechtskräftig verurteilt wurde.

(Abg. Thomas Blenke CDU: War das der Rezzo? – Zuruf von der CDU: Das Kind beim Namen nen- nen!)

Der Europaabgeordnete fiel mir ein, als ich Uli Maurer da draußen laufen sah. Es ist Herr Tobias Pflüger aus Berlin. Der frühere Staatssekretär, von dem ich sprach, ist euch bekannt, oder?

(Abg. Thomas Blenke CDU: Der Rezzo Schlauch hat etwas Ähnliches auch einmal gesagt!)

Mit solchen Äußerungen wird natürlich das verbale Feld für andere Attacken bereitet. Da fühlen sich manche Leute ermutigt und sagen: Das sind sowieso die Stiefelputzer der Nation, deswegen kann man mit denen alles machen.

Dagegen muss man etwas tun. Wir alle sollten in unserem Umfeld darauf hinwirken und uns darum bemühen. Denn die se wichtige Arbeit ist die Voraussetzung für die Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols. Andere Gewalt lässt ja hier, wie wir gehört haben, niemand zu. Da haben gerade politisch Tätige eine Vorbildfunktion.

Es ist gut, dass wir uns im Innenausschuss noch einmal mit dem Antrag befassen. Das Ganze muss aktualisiert werden. Wir haben mit unserem Änderungsantrag versucht, der Intention ein bisschen besser gerecht zu werden. Wenn wir im Innenausschuss noch einmal über alles reden, dann finden wir sicher eine Lösung. Vielleicht können wir, wenn erste Ergebnisse von der Hochschule der Polizei vorliegen, diese in unsere weitere Arbeit einfließen lassen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Thomas Blenke CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Rech.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Es gibt wohl kaum einen anderen Berufszweig, bei dem die Gefahr eines gezielten Angriffs auf die Gesundheit oder sogar das Leben so groß ist wie bei der Polizei. Deswegen bin ich dankbar dafür, dass wir hier in aller Deutlichkeit klarmachen: Wir wer

den uns nicht damit abfinden, dass Polizistinnen und Polizisten, die zum Schutz der Bevölkerung tagtäglich ihren schwe ren Dienst verrichten, immer häufiger zur Zielscheibe gewalttätiger Angriffe werden.

Das Land bleibt deshalb nicht untätig. Wir haben reagiert, und wir werden auch weiterhin die notwendigen Schritte tun. Bisher wurden auch in Zeiten knapper Haushaltsmittel – ich bin dankbar dafür, dass wir das im Ausschuss noch einmal vertieft diskutieren; deswegen will ich mich auf wenige Gesichtspunkte und Stichworte beschränken – die Führungs- und Einsatzmittel der Polizei verbessert. Als Stichworte nenne ich persönliche Schutzwesten, verbesserte Reizstoffsprühgeräte, den Teleskopschlagstock, den Kollege Gall erwähnt hat, und neue Dienstpistolen. All das gehört dazu. Allerdings gehört dazu auch das Training von besonders konfliktträchtigen Situationen im Rahmen der Fort- und Ausbildung. Das haben wir intensiviert.

Die Strukturen des polizeilichen Einsatztrainings haben wir vereinheitlicht und haben verpflichtende Anteile eingeführt, nämlich jährlich mindestens 40 Stunden für die besonders gefährdeten Beamten im Streifendienst, auch in den geschlossenen Einheiten, verbindlich festgelegt.

Jetzt hat, glaube ich, Kollege Blenke die Fragebogenaktion der Hochschule für Polizei erwähnt. Auch diese halte ich für sehr zielführend. Die betroffenen Beamtinnen und Beamten, die Opfer von Widerstandshandlungen geworden sind, werden gezielt unter soziologischen, kriminologischen und einsatztaktischen Aspekten befragt. Wir wollen damit Ansätze zur Vermeidung von Übergriffen und zur Verbesserung der Eigensicherung entwickeln.

Herr Kollege Gall, ich hoffe nicht, dass es zutrifft, dass Sie heute auch einmal nur einen einzelnen Beamten bei einem Unfall, bei der Aufnahme eines Unfalls oder bei einer Kontrolle erleben. Eigentlich lautet die Regel, dass sie immer zu zweit sind. Aber das lassen wir einmal dahingestellt. Zum Thema Eigensicherheit gehört es ganz bestimmt.

Das Land beteiligt sich – das will ich sagen – an einem bundesweiten Projekt des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, das die gleiche Zielrichtung hat.

Ich will es dabei bewenden lassen.

Meine Damen und Herren, in Winnenden und Wendlingen war es wirklich das professionelle und unerschrockene Eingreifen der Beamtinnen und Beamten, also der „normalen“ Polizei, das dazu geführt hat, dass weitere Opfer verhindert wurden. Dieses Eingreifen und die Art und Weise, wie dies geschehen ist, haben auch die Leistungsfähigkeit des polizeilichen Konzepts bewiesen.

Dieses Konzept wurde fortentwickelt und wird ständig erweitert. Wir prüfen, die Ausstattung der Streifenfahrzeuge mit einem ballistischen Schutzpaket zu vervollständigen, welches das Risiko in solchen Situationen mindert. Beispielsweise sollen jeweils zwei Schutzhelme in den Fahrzeugen vorhanden sein. Sie sollten möglichst größenverstellbar sein. Die technische Entwicklung hierzu muss natürlich ausgereift sein, und dies wird auch nicht billig zu haben sein; das ist klar. An solche Dinge denken wir, damit die Risiken in solchen Lagen

vermindert werden. Natürlich sind solche Risiken jedoch nicht ganz auszuschließen; das ist auch klar.

In diesem Zusammenhang denke ich insbesondere auch an die Polizeibeamtin und den Polizeibeamten, die durch den Täter in Wendlingen angeschossen und schwer verletzt wurden. Sie leiden noch immer an den Folgen ihrer Verletzungen. Schon das muss für uns Anlass sein, über alles nachzudenken, was zu Verbesserungen führen könnte. Auch die ständige Verbesserung der Ausbildung wie auch der Ausrüstung der Polizei ist dabei erforderlich.

Die Ursachenforschung ist wichtig, damit wir mögliche Präventionsstrategien und eine angemessene Reaktion auf gewalttätiges Verhalten im Sinne einer nachhaltigen Intervention und Strafverfolgung entwickeln können. In beiden Feldern ist Baden-Württemberg bei der präventiven Arbeit mit Risikogruppen führend. Auch die behördenübergreifende Sanktio nierung will ich erwähnen.

Ich meine, dass durch rechtzeitiges und konsequentes Aufzeigen von Grenzen künftig am besten Gewalttaten vorgebeugt werden kann. Herr Gall, ich stimme Ihnen völlig zu: Dieser Staat muss klarmachen, dass er sich das, was hier vor sich geht, nicht bieten lässt. Es ist auch ein mangelnder Respekt vor dem Staat und seiner Repräsentanz, der hier deutlich wird. Allgemeinpräventive Maßnahmen, die auf die Ursachen des Gewaltphänomens zielen, sind wichtig, weil wir nur so erreichen können, dass sich eine positive Entwicklung Bahn bricht, die zu einer Minderung der Gewalt gegen Polizeibeamte führen kann.