Als zweiten großen Reformschritt schlagen wir Ihnen wieder einmal vor, dass es dort, wo es gewünscht wird, möglich sein sollte – wie wir das in der Modellphase des G 8 in BadenWürttemberg erfolgreich erprobt haben –, auch eine neunjährige Gymnasialzeit anzubieten. Wir wissen am Beispiel Mosbach, aber auch aus anderen Städten, dass dies von vielen Eltern deutlich bevorzugt würde und man damit auch mehr Eltern auffordern würde und deren Interesse daran wecken würde, ihr Kind bei einer Gymnasialempfehlung auch tatsächlich für das Gymnasium anzumelden.
Ich denke, hier geht es um den Elternwillen. Hier geht es um Chancen für junge Menschen, insbesondere auch für den männlichen Anteil der Fünft- und Sechstklässler. Daher eine letzte Aufforderung: Lassen Sie uns diese wirklich pragmatischen und gemäßigten Schritte gehen! Dann haben wir hier für die Akzeptanz und das Image des G 8 in Baden-Württemberg einen positiven Dienst geleistet.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche, stichwortartig entlang Ihres Antrags zu antworten.
Zunächst ist es so, dass die Gymnasien mitten in einem Prozess der Ausgestaltung sind. Wir haben den Schulen ganz bewusst ein hohes Maß an Gestaltungsspielraum eingeräumt. An der Gestaltung können alle am Schulleben Beteiligten mitwirken: die Eltern, die Schüler und die Lehrer. Ohne Teilhabe der Eltern ist keine einzige Kontingentstundentafel, kein Schulcurriculum, kein Methodenplan usw. verabschiedet worden. Diese Umgestaltungsprozesse sind transparent. Jeder kann aus dem Schulportfolio ersehen, auf welchen Weg sich die Schule jeweils gemacht hat.
Deshalb sind wir der Meinung, dass wir vor dem Jahr 2012 nicht unnötig Unruhe in die Schulen tragen sollten. Vielmehr sollten wir die Verantwortlichen vor Ort in Ruhe weiterarbeiten lassen, die ihrer Schule unter Teilhabe aller am Schulleben Beteiligten auch das entsprechende Gesicht geben.
Sie haben soeben gesagt, Kollege Mentrup – da haben Sie recht –, dass es teilweise gut gelungen ist, die Stofffülle zu reduzieren. Natürlich hat sich der eine oder andere Lehrer, der jahrzehntelang im G 9 unterrichtet hat, schwergetan, sich umzustellen. Aber wir haben jetzt den sogenannten Schnittmengenerlass beim Zusammenführen von G 8 und G 9, aus dem jeder ersehen kann, wo er steht. Ich glaube, dass vor Ort schon viele vernünftige Entscheidungen getroffen wurden.
Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal darauf hinweisen, dass es, was die Zahl der Arbeiten betrifft – Frau Rastätter, wir haben schon öfter darüber gesprochen –, lediglich für die vierstündigen Fächer eine Bestimmung gibt. In den anderen Fächern müssten wir gar keine Arbeiten schreiben lassen. Man sollte einmal darüber nachdenken, wie man vor Ort damit umgeht.
Zum Thema Unterrichtsausfall: Unterrichtsausfall ist etwas Normales; das sage ich immer wieder. Wer „Jugend trainiert für Olympia“ will, wer Schullandheimaufenthalte will, wer Musikprojekte, Berufspraktika, Theaterprojekte, Kooperation Schule/Wirtschaft und vieles andere mehr will – wir wollen das; das sage ich in aller Klarheit –, der muss auch damit leben, dass partiell Unterricht ausfällt. Die Schulen sind eigentlich gehalten, Lehrerreserven zu bilden. Herr Minister oder Herr Staatssekretär, Sie müssen verzeihen: Wir tun das an unserer Schule nur partiell. Das ist auch klar: Wenn ich genügend Lehrer habe, teile ich lieber noch einmal eine Klasse. Das kommt allen zugute. Notfalls muss ich dann eben wieder Klassen zusammenlegen.
Wir hatten in den letzten Jahren eigentlich genug Geld, um die Krankheitsstellvertretung zu gewährleisten. Das einzige Problem war, dass man die entsprechenden Leute nicht gefunden hat.
Ich möchte einen Vorschlag machen, der übrigens mit niemandem abgestimmt ist, mir aber trotzdem wichtig ist.
Wir haben das Praxissemester. In diesem Praxissemester attestieren wir jungen Leuten, dass sie für den Beruf geeignet sind. Nun gibt es das Problem, dass nicht jeder Schulstandort begehrt ist. Wenn wir die Chance nutzen und es den Leuten, die sich im Praxissemester bewährt haben, neben dem Studium ermöglichen, weiterhin Freude am Beruf zu empfinden und auszuhelfen, dann finde ich das, wenn keine anderen Lehrkräfte zur Verfügung stehen, sinnvoll und richtig. Das wollte ich ausdrücklich sagen.
Lassen Sie mich abschließend noch zu zwei Punkten etwas sagen. Zunächst zum Thema „Zweite Fremdsprache“: Kollege Mentrup, ich sehe es ganz anders als Sie. Die Schulen haben einen unterschiedlichen Zeitansatz für die Fremdsprachen. Das variiert von 20 bis 25 Stunden, die sie in der Kontingentstundentafel dafür angesetzt haben.
An unserer Schule ist es so: Wir beginnen mit Französisch in der fünften Klasse und lassen uns für das erste Lernjahr zwei Jahre Zeit – ein behutsamer, vernünftiger, richtiger Einstieg. Wieso sollen wir daran etwas ändern?
Jetzt kommt das berühmte Kind von der Realschule nebenan. Es kann noch von Klasse 7 in Klasse 8 bei uns wechseln. Das ist gar kein Problem. Frau Rastätter, ich lade Sie herzlich ein, mit den Kindern an unserer Schule darüber zu sprechen, welchen Weg wir ihnen gemeinsam eröffnet haben. Kommen Sie einmal vorbei, ich würde mich freuen.
Das entsprechende Kind hat dann zwei Jahre Zeit zum Nachlernen. Es handelt sich ja bei diesem Kind nicht um eines, das Schulprobleme hat. Es handelt sich vielmehr in der Regel um ein hoch motiviertes Mädchen, das erfolgreich weitermachen kann.
Abschließend kommen wir zur individuellen Förderung, die Sie angesprochen haben. Diese ist an unseren Schulen auf vielfältige Weise gegeben: Wir haben die Poolstunden bereitgestellt, wir haben die Programme „Schüler helfen Schülern“.
Wir haben die Hausaufgabenbetreuung umgesetzt. Viele Schulen haben sich auf den Weg gemacht, Ferienschulen anzubieten.
Ich möchte Ihnen einmal vorrechnen, dass es einzelne Kinder gibt, die – ohne die Hausaufgabenbetreuung – an einer ein
zelnen Schule im Jahr bis zu 72 zusätzliche Stunden in einem Fach erhalten. Eine Ferienschule über Weihnachten, über Fasching und in den Sommerferien betrachte ich persönlich wahrlich als ein zusätzliches Angebot, um Schwächen in ei nem einzelnen Fach aufzuarbeiten. Bei der individuellen Förderung geht es uns aber nicht nur darum, den Schwachen zu helfen, sondern vor allem auch darum, Programme wie Ferienakademie und vieles mehr vorzuhalten, die den Begabten gelten.
Wir lehnen Ihren Antrag ab, parallele G-8- und G-9-Züge zu ermöglichen, weil wir genügend andere Ausgestaltungsmöglichkeiten haben. Wir müssen das Ganze zunächst einmal in Ruhe durchziehen. Dann kann man über alles Weitere reden. Niemandem ist der Weg verbaut, auch denjenigen nicht, die mit Gymnasialempfehlung auf der Realschule sind. Für die Jungen, die nicht so fleißig sind, was den Spracherwerb betrifft, ist das berufliche Gymnasium oftmals ein guter Weg. Wenn sie schließlich die gymnasiale Oberstufe an einem beruflichen Gymnasium besuchen, sind sie motiviert und lernen die zweite Fremdsprache ganz automatisch. Deswegen bleiben wir dabei.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist sicher richtig, Herr Kollege Röhm, dass der Bildungsplan des achtjährigen Gymnasiums an vielen Gymnasien gut umgesetzt ist. Auch bemühen sich viele Schulen, die noch nicht so weit sind, ihn umzusetzen. Es ist aber gleichermaßen richtig, dass insbesondere Eltern und auch Schüler an Gymnasien, an denen das G 8 gut umgesetzt wird, sagen, dass sich im Vergleich zu den Schülern, die im G 9 waren, die Belastung der Schüler und Schülerinnen insgesamt wesentlich erhöht hat.
Deshalb gibt es flächendeckend im Land nach wie vor entsprechende Elterninitiativen. Die Vertreter der Initiative „G 8 mit Lebensfreude“ etwa bekennen sich durchaus zu einem achtjährigen Gymnasium, sagen aber, die Lebensfreude der Kinder und auch ihre Lust am Lernen dürften nicht durch zu hohe Belastungen eingeschränkt werden. Auch „Schule mit Zukunft“ ist eine solche Initiative von Eltern, die insbesondere fordern, das G 8 so auszugestalten, dass die Kinder diesen Bildungsgang bewältigen können.
Wir sehen jetzt, dass wir durch die noch immer steigenden Quoten des Übergangs ins Gymnasium dort eine sehr ausgeprägte Heterogenität bekommen. Ich habe schon heute Morgen erwähnt: Wir haben in Stadtteilen von Großstädten Übergangsquoten, die bei 80 % liegen. In Karlsruhe gibt es einen Stadtteil, in dem fast 90 % der Kinder nach der Grundschule aufs Gymnasium gehen. In Stuttgart gibt es vergleichbare Fälle. Wenn in den Gymnasien eine solche Heterogenität entstanden ist, können wir mit einem Einheitsmodell, das keine flexiblen Möglichkeiten vorsieht, der Schülerschaft dort jedoch nicht gerecht werden.
Wenn wir vor allem – das ist ein zentrales Anliegen von mir und meiner Fraktion – eine Bildungsgerechtigkeit beim Zu
Ich will noch eines erwähnen. Die Diskussionen mit Schülern zeigen mir immer wieder: Ungefähr ein Drittel der Schüler und Schülerinnen sagt: „Für uns ist das G 8 kein Problem.“ Ein weiteres Drittel sagt: „Wir müssen uns erheblich anstrengen; das geht bei uns eigentlich bis zum Rand der Erschöpfung. Wir schaffen es zwar, aber eigentlich ist uns das Gymnasium zu anstrengend.“
Schließlich gibt es unter den Schülern und Schülerinnen noch einen Teil, die selbst mit Nachhilfe nur mitgeschleppt werden, und es gibt unter den Eltern einen Teil, die sagen: „Wir können unseren Kindern eigentlich nicht zumuten, eine solche Belastung zu tragen.“ Außerdem gibt es die Migrantenkinder, die, weil ihre Elternhäuser sie nicht unterstützen können, nach wie vor keinen Zugang ins Gymnasium haben.
Deshalb fordern wir erstens, das Gymnasium besser auszugestalten. Dazu gehört für mich vor allem eine rhythmisierte Ganztagsschule. In Baden-Württemberg gibt es im gymnasialen Bereich nur die „Ganztagsschule light“. Rhythmisierte Ganztagsschulen mit entsprechender Ausgestaltung von Lehrerstunden sind mir überhaupt nicht bekannt.
Zweitens: Wir müssen den Unterrichtsausfall abbauen. Herr Kollege Röhm, Sie haben vom Unterrichtsausfall gesprochen, der durch Projekttage, Ausflüge usw. entsteht.