Wir sind, glaube ich, auf einem guten Weg. Aber sicherlich gibt es nicht nur für Menschen mit Migrationshintergrund, sondern für uns alle die Verpflichtung, den Menschen das Wissen zu vermitteln, dass sie gesund leben können – um damit auch der Verwirklichung unser aller Vorstellung etwas näher zu kommen – und dass jeder die Möglichkeit hat, an allen Gesundheitsleistungen in diesem Land zu partizipieren.
Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist bereits von einigen Kolleginnen und Kollegen gesagt worden: Rund ein Viertel der insgesamt 10,7 Millionen Baden-Württemberger haben einen Migrationshintergrund.
Was noch nicht gesagt worden ist: Knapp die Hälfte dieses Viertels, also 1,3 Millionen von 2,7 Millionen Menschen, haben eine ausländische Staatsangehörigkeit, und 1,4 Millionen haben – wohlgemerkt – die deutsche Staatsangehörigkeit.
Baden-Württemberg ist unter den Flächenländern damit das Land mit dem höchsten Anteil an Migrantinnen und Migranten an der Gesamtbevölkerung.
Liebe Frau Kollegin Mielich, es ist das generelle Ziel der Landesregierung, für alle Menschen in Baden-Württemberg – unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem sozialen Hintergrund – die gleichen Chancen für ihre Teilhabe am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben zu schaffen.
Auf dieser Grundlage hat die Landesregierung im letzten Jahr in enger Abstimmung und unter maßgeblicher Beteiligung aller Mitwirkenden einen Integrationsplan entwickelt. Eines der acht zentralen Handlungsfelder des Integrationsplans wiederum ist das Themenfeld „Wohnen, Gesundheit und Alter“. Die Landesregierung hat sich im Integrationsplan das Ziel gesetzt, die Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund am Gesundheitssystem durch eine interkulturelle Öffnung der Regeldienste weiter zu verbessern. Insbesondere sollen der Zugang zu gesundheitlichen Angeboten, das Gesundheitswesen und die -kompetenzen erweitert werden. Projekte und Initiativen zum Abbau von Zugangsbarrieren sollen unterstützt und mit Kooperationspartnern zielgruppenspezifische Angebote weiterentwickelt und umgesetzt werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der vorliegenden Antwort auf die Große Anfrage ist auf insgesamt 37 Seiten eine umfassende Bestandsaufnahme – der Kollege Dr. Noll hat es gesagt – zum Themenbereich „Integration und Gesundheit“ vorgenommen worden. So zeigen beispielsweise die Daten aus den Schuleingangsuntersuchungen, dass ausländische Kinder eine Grundimmunisierung durch Schutzimpfungen haben, die durchaus mit der von deutschen Kindern vergleichbar ist. Bei Masern, Mumps und Röteln liegt die Durchimpfungsrate bei ausländischen Kindern sogar höher als bei deutschen Kindern.
Ich möchte an dieser Stelle nicht alle Ergebnisse wiederholen. Diese stehen ja, wie gesagt, in der umfassenden Antwort. Die Ergebnisse lassen aber den Schluss zu, das unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Migrationshintergrund denselben Zugang zu Gesundheitsangeboten wie unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger ohne Migrationshintergrund haben.
Es liegt aber in der Natur der Sache, dass die gleiche Möglichkeit des Zugangs zu Angeboten der Gesundheitsversorgung nicht mit deren Annahme gleichzusetzen ist. Es ist leider noch immer Fakt, dass bildungsferne und sozial schwächere Menschen – egal, ob mit oder ohne Migrationshintergrund – die Angebote der Gesundheitsvorsorge und der Gesundheitsversorgung weniger als die Durchschnittsbevölkerung in Anspruch nehmen. Dieses Bild ergibt sich insbesondere in den Stadtvierteln, die im Hinblick auf den baulichen Zustand, ihre Sozialstruktur, das Arbeitsplatzangebot, die Ausstattung mit sozialer Infrastruktur sowie die Qualität der Wohnungen, das Wohnumfeld und die Umwelt im gesamtstädtischen Vergleich Defizite aufweisen.
Vor allem dort, also in den genannten und vor Ort bekannten Quartieren, muss angesetzt werden, um Zugangsbarrieren für sozial benachteiligte Menschen – egal, ob mit oder ohne Migrationshintergrund – abzubauen. Dies ist auch eine der Schlüsselbotschaften der im Sommer von der Landesregierung beschlossenen Gesundheitsstrategie. Angebote zur Prävention und zur Gesundheitsförderung sind für diese Personengruppen dann besonders wirksam, wenn sie dort ansetzen, wo diese Menschen leben, wo sie wohnen und wo sie arbeiten. Dort lassen sich niederschwellige Ansätze und aufsuchende Maßnahmen verwirklichen.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir müssen diese Mitbürgerinnen und Mitbürger dort abholen, wo sie stehen.
Unser hoch entwickeltes Gesundheitssystem, um das uns fast die ganze Welt beneidet, steht grundsätzlich allen Bevölkerungsgruppen unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem Geldbeutel offen. Trotzdem kann die im Einzelfall noch optimierbare Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund am Gesundheitssystem am besten durch die interkulturelle Öffnung der Regeldienste verbessert werden.
Meine Damen und Herren, in diesem Rahmen gibt es in Baden-Württemberg, organisiert und getragen von den Kommunen, den Gesundheitsämtern, den Kirchen, den Wohlfahrtsverbänden sowie von Initiativen des bürgerschaftlichen Engagements, eine Vielzahl von Projekten. Alle gemeinsam ha
ben das Ziel, für Menschen mit Migrationshintergrund den Zugang zu Gesundheitsangeboten zu verbessern. In der Gro ßen Anfrage sind 28 Projekte erwähnt; heute sind es bereits 32 Projekte.
Liebe Frau Kollegin Mielich, Sie machen es sich etwas zu einfach, wenn Sie sich auf das MiMi-Projekt kaprizieren und die Landesregierung für dessen Umsetzung in die Verantwortung nehmen wollen. Sie müssten es eigentlich besser wissen. Sie haben selbst darauf hingewiesen, dass das Gegenstand der Erörterung in der letzten Sitzung des Sozialausschusses im Oktober gewesen ist. Damals ist Ihnen schriftlich mitgeteilt worden, eine schriftliche Antwort des Ethno-Medizinischen Zentrums Hannover stehe noch aus und auf mündliche Nachfrage im Herbst 2008 sei lediglich geantwortet worden, dass das Ethno-Medizinische Zentrum auf der Suche nach Sponsoren sei.
Ich möchte noch etwas anderes sagen: Es ist nicht verboten, in diesem Zusammenhang so zu verfahren wie die Landeshauptstadt Stuttgart, die selbst ein solches MiMi-Projekt auf den Weg gebracht und hierfür Geld in die Hand genommen hat. Man muss nicht immer nach der Landesregierung rufen,
sondern es ist durchaus möglich, vor Ort etwas zu tun, so, wie Stuttgart auf diese Art und Weise, liebe Frau Kollegin Altpeter, seit dem Jahr 2003 30 Multiplikatoren geschult hat.
Dann darf ich noch, liebe Frau Kollegin Mielich, auf das Projekt FluG – Flucht und Gesundheit – aus Freiburg hinweisen. Dieses Projekt hat im Jahr 2007 immerhin den Deutschen Präventionspreis erhalten. Auch hieran zeigt sich, dass wir auf einem guten und richtigen Weg sind.
Lassen Sie mich noch ganz kurz darauf hinweisen, dass die Hälfte der Projekte Kinder und Jugendliche zur Zielgruppe haben. Viele dieser Projekte beinhalten geschlechtsspezifische Ansätze. Einige sind speziell auf weibliche Migranten ausgerichtet. In zahlreichen Sprachkursen für Migrantinnen und Migranten – Dr. Noll hat das Thema angesprochen –, insbesondere in den Kursen „Mama lernt Deutsch“,
Erwähnen darf ich in diesem Zusammenhang nochmals unser baden-württembergisches Kinderschutzgesetz. Seit Anfang dieses Jahres, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, sind die Personensorgeberechtigten gesetzlich verpflichtet, die Teilnahme ihrer Kinder an den Früherkennungsuntersuchungen sicherzustellen. Dadurch – da bin ich mir sicher – wird sich die Quote der Teilnahme von Kindern mit Migrationshintergrund an Früherkennungsuntersuchungen, die zum Teil niedriger ist als bei deutschen Kindern, weiter deutlich erhöhen. Krankenkassen und Gesundheitsämter haben bereits flankierende Maßnahmen für die Umsetzung vereinbart.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die Verbesserung des Zugangs zu Gesundheitsangeboten für Menschen mit Migrationshintergrund und der Abbau von Zugangsbarrieren erfordern einen langen Atem. Aber die Erfahrungen aus vielfältigen Projekten zeigen, dass wir in Baden-Württemberg bereits auf einem guten Weg sind. Auf diesem guten Weg wollen wir auch in Zukunft konsequent fortfahren.
(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE meldet sich. – Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Ich habe noch Redezeit! – Gegenruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Man muss sie aber nicht nutzen!)
Eine Minute Redezeit ist wunderbar. – Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch kurz auf zwei Punkte eingehen.
Zum einen hat der Kollege Noll deutlich gesagt, es sei Aufgabe der Landesregierung und die Landesregierung habe sich dies auch zum Ziel gesetzt, eine Verbesserung der Bildungs chancen von Kindern mit Migrationshintergrund auf den Weg zu bringen. Sie müssen mir aber einmal sagen, wo diese Maßnahmen sind. Kultusminister Rau hat solche Maßnahmen zwar angekündigt, tatsächlich umgesetzt wurde bis jetzt jedoch nichts.
Wir sind der Meinung, dass der Bildung von Kindern mit Migrationshintergrund eine besondere Bedeutung beizumessen ist. Wer die deutsche Sprache spricht, ist sicherlich im Vorteil. Das ist völlig klar. Dann müssen aber auch entsprechende Maßnahmen folgen.
Herr Staatssekretär Hillebrand, Sie erkennen insgesamt an, dass es wichtig ist, die unterschiedlichen Angebote für die Menschen mit Migrationshintergrund zu entwickeln. Ich bedauere aber, dass Sie in der Antwort auf die Große Anfrage zum Ausdruck bringen, dass Gesundheitsangebote zwar vorhanden sind, aber wenig genutzt werden, und zwar von Menschen mit Migrationshintergrund eklatant weniger genutzt werden.
Dann macht es doch Sinn, ein Projekt wie das MiMi-Projekt aus Hannover aus dem Jahr 2003 umzusetzen. Es ist meines Erachtens sinnvoll, ein solches Projekt nicht nur in Stuttgart, sondern in ganz Baden-Württemberg umzusetzen. In Stuttgart wird dieses Projekt seit Jahren sehr erfolgreich umgesetzt.
Sie wissen, dass es wichtig wäre, die Kommunen dabei finanziell, vor allem aber auch logistisch zu unterstützen. Sie benötigen nur sehr wenig Geld – das haben wir Ihnen alles vorgerechnet –, um dieses Projekt in Baden-Württemberg zu installieren. Dies ist im Übrigen ein Projekt, das auch unter emanzipatorischen Gesichtspunkten sehr sinnvoll ist.
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Besprechung der Großen Anfrage abgeschlossen.