Protokoll der Sitzung vom 25.11.2009

(Abg. Thomas Knapp SPD: Selbst schuld!)

Diese beiden Geräte miteinander gekoppelt, und man hat ein modernes, nutzungsabhängiges Mautsystem eingeführt.

Datenschutz ade!

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP/DVP und Abge- ordneten der CDU – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Außen hui und innen pfui!)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Innenminister Rech das Wort.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Da lacht der Innenminis ter!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Zunächst einmal macht dieser Fünfte Tätigkeitsbericht zum Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich, den wir vorgelegt haben, deutlich, dass die beiden letzten Jahre für den Datenschutz in der Tat sehr turbulente Jahre waren. Insofern begrüße ich es ausdrücklich, Herr Kollege Stoch, dass in diesem Datenschutzbericht offen die Themen angesprochen und die Probleme dargelegt werden, dass auch die Bigpoints schonungslos dargelegt werden und gesagt wird, was daraus zu folgern ist.

Herr Kollege Walter, die Zusammenlegung der Aufsicht über den Datenschutz im öffentlichen und im nicht öffentlichen Bereich allein wird gewisse Synergien bringen; dazu stehe ich nach wie vor. Aber es muss halt mehr dazukommen.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Ja, sagen wir ja!)

Es muss auch die Sensibilität der Bürger hinzukommen. Es muss das Bewusstsein in der Frage, was wir tagtäglich mit unseren persönlichen Daten machen, hinzukommen. Sie haben von einer „Bloßlegungsgesellschaft“ gesprochen.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Entblößung!)

„Entblößungsgesellschaft“, okay. – Da sage ich voller Verzweiflung – eigentlich ist es eine lapidare Erkenntnis –: Den Menschen vor sich selbst zu schützen war schon immer schwierig. Ich habe auch in anderem Zusammenhang schon immer gesagt: Gesetze und Verbote haben Menschen noch nie anders gemacht, als sie sind.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das ist wich- tig!)

Deshalb dürfen wir unsere Hoffnung nicht auf die Staatsgewalt, nicht auf ein zentralistisches Denken und nicht allein auf die Behörde setzen.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Nein!)

Ich will noch einmal eines sagen: In immer – –

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Wir setzen nie allein auf die Landesregierung!)

Da sage ich allerdings: Sie könnten unbesehen, mit verbundenen Augen, bedenkenlos 24 Stunden am Tag auf diese Landesregierung setzen.

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Andreas Stoch SPD: Das hält mein Herz nicht aus!)

Ich verspreche es Ihnen. Sie leben ja auch ganz gut und schlafen ruhig. Ich weiß das.

(Lachen des Abg. Jürgen Walter GRÜNE – Abg. Pe- ter Hofelich SPD: Im Paradies vielleicht, aber nicht hier auf Erden!)

In immer kürzeren Zeitabständen – das will ich durchaus sagen – berichten die Medien über sogenannte Datenschutzaffären. Jetzt will ich mir die Bezeichnung „Affäre“ nicht zu eigen machen, weil sich der Sachverhalt in der Realität manchmal doch etwas anders darstellt als in den Presseberichten. Aber wir müssen feststellen, dass sich die Fälle von Missbrauch personenbezogener Daten häufen; auf jeden Fall kam es zu erheblichen Datenschutzverstößen, auch bei uns im Land.

Einer dieser Fälle ist hier angesprochen worden: die geheime Überwachung von Mitarbeitern eines Discounters durch den Einsatz von Detektiven und Videotechnik. Dies wird im Tätigkeitsbericht ausführlich dargestellt. Ich will dazu nur sagen: Unter Federführung von Baden-Württemberg haben damals zwölf Datenschutzaufsichtsbehörden fast ein halbes Jahr lang ermittelt und am Ende gegen die verschiedenen Gesellschaften des Discounters Bußgelder in Höhe von immerhin 1,5 Millionen € verhängt. Das einzig Erfreuliche an diesem Fall war, dass er bei dem Unternehmen zu einem Umdenkungsprozess geführt hat. Der Fall wurde untersucht, und die Verfahren wurden, begleitet durch die Aufsichtsbehörde, optimiert. Alle datenschutzrechtlich relevanten Verfahren und das neue Konzept für den Einsatz von Videotechnik und von Detektiven können bundesweit durchaus als vorbildlich angesehen werden – wenn sie denn so in die Praxis umgesetzt werden.

Ein weiteres Thema, das für Schlagzeilen gesorgt hat und das die Aufsichtsbehörde mehrfach beschäftigt hat und noch immer beschäftigt, betrifft die Frage, ob bzw. inwieweit Unternehmen im Rahmen von Krankheitsrückkehrgesprächen Gesundheitsdaten der Mitarbeiter erheben, speichern und an runden Tischen mit vielen Gesprächsteilnehmern erörtern dürfen. Neuerdings wurde die Frage an die Aufsichtsbehörde herangetragen, ob sich Stellenbewerber Eignungsuntersuchungen ihres potenziellen künftigen Arbeitgebers unterziehen müssen, zu welchem Zeitpunkt dies geschehen darf und woraufhin untersucht werden darf.

Die Befassung mit diesen und anderen Fragen des Arbeitnehmerdatenschutzes, die diesmal einen Schwerpunkt der Arbeit der Aufsichtsbehörde darstellen, macht eines deutlich: Die Rechtslage ist nicht eindeutig, und Verstöße sind häufig nur schwer feststellbar. Ich appelliere deshalb aufgrund der gewonnenen Erfahrungen an alle Unternehmen, ihre Verfahrensweisen in diesem Bereich zu überprüfen und die durch das Datenschutzrecht gesetzten Grenzen zu beachten.

Herr Kollege Stoch, die neue Bundesregierung – aber erst diese – hat sich vorgenommen, in dieser Legislaturperiode des Deutschen Bundestags den Arbeitnehmerdatenschutz in einem eigenen Kapitel im Bundesdatenschutzgesetz auszugestalten. Der Tätigkeitsbericht enthält hierfür eine Themensammlung, und diese ist sehr zukunftweisend.

Ich trete also nachdrücklich dem Vorwurf entgegen, es handle sich hierbei um Nacherzählungen. Das ist schon sehr weit in die Zukunft gerichtet.

Der zweite Schwerpunkt der Arbeit der Aufsichtsbehörde – natürlich bedingt durch die sogenannte Kontenaffäre im August vergangenen Jahres und durch besonders zahlreiche Beschwerden von Bürgern in diesem Bereich – bezog sich auf den Bereich Werbung und Lotterien. Es wurde hier zu Recht schon angesprochen: Die Aufsichtsbehörde hat eine Vielzahl von Verstößen festgestellt und bei manchen Unternehmen zudem den Eindruck gehabt, dass sie solche Verstöße als lässliches Vergehen ansehen.

Glücklicherweise hat die Aufsichtsbehörde keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass Unternehmen, insbesondere Lotterieeinnehmer der Süddeutschen Klassenlotterie, in die Kontenaffäre verwickelt gewesen wären. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Dennoch hat die Aufsichtsbehörde gegenüber der Süddeutschen Klassenlotterie angeregt, Lotterieeinnehmern Vorgaben zu machen, die den Datenschutz gewährleisten sollen. Die Süddeutsche Klassenlotterie hat diese Vorschläge inzwischen aufgegriffen.

Auch der Bundesgesetzgeber hat auf die sogenannte Kontodatenaffäre reagiert und die für den Wettbewerb geltenden Datenschutzvorschriften neu gefasst. Bei dieser Gelegenheit hat er noch einige andere wichtige Verbesserungen – teilweise auf Antrag von Baden-Württemberg – herbeigeführt.

Ich sage es noch einmal: Es wäre ein Irrglaube, anzunehmen, dass sich dadurch der Missbrauch von Daten verhindern ließe. Ein Missbrauch ist auch bei noch so strengen Vorschriften möglich.

Zunehmende Bedeutung für das Wirtschaftsleben hat die Erteilung von Auskünften zur Zahlungsfähigkeit von Bürgern und zu deren sogenannten Scorewerten durch Auskunfteien. Allein in Baden-Württemberg – auf diese Zahl möchte ich hinweisen – erteilt eine hier ansässige Auskunftei pro Jahr rund 80 Millionen derartiger Auskünfte. Deswegen begrüße ich, dass es endlich klare Regelungen für die Meldung säumiger Schuldner durch Auskunfteien geben wird.

Dem Bürger wird ein Rechtsanspruch eingeräumt, seinen Scorewert und dessen Zustandekommen zu erfahren. Ich hoffe sehr, dass die Unternehmen den Auskunftsanspruch nach Sinn und Zweck der Regelung auch erfüllen.

Es gibt immer wieder viele Beschwerden, die sich auf die Videoüberwachung von Bürgern durch Private beziehen. Da muss man jeden Fall für sich beurteilen. Man wird beispielsweise die Überwachung öffentlicher Verkehrsmittel heute in vielen Fällen leider als notwendig ansehen müssen. Video überwachung in Gaststätten oder im nachbarlichen Verhältnis allerdings darf nach wie vor nur mit großer Zurückhaltung angegangen werden. Keinesfalls darf es da zu einem flächendeckenden Videoeinsatz kommen.

Viele Datenschutzprobleme werden auch durch das Internet aufgeworfen. Ich will das nur anhand einiger Fragen verdeutlichen: Muss ein Hausbesitzer oder ein Hausbewohner hinnehmen, dass Aufnahmen der Fassade seines Hauses oder seiner Wohnung von jedermann im Internet abgerufen werden können? Viele Betroffene – auch ich; das will ich unverhohlen sagen – befürchten, dass sich Kriminelle auf diese Weise wichtige Informationen beschaffen könnten. Mir ist bei diesem Gedanken einfach unwohl.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Wie meine Hausfassade aussieht, kann ein Spaziergänger oder sonst jemand beurteilen. Aber das sollte nicht über das Internet weltweit möglich sein.

Die zuständige Datenschutzaufsichtsbehörde hat mit Unterstützung der anderen Behörden gegenüber dem Anbieter eines solchen Internetdienstes – Sie wissen, wen ich meine – letztlich wenigstens durchgesetzt, dass die Gesichter und die Kraftfahrzeugkennzeichen verpixelt werden und der Betroffene außerdem der Veröffentlichung von Aufnahmen der eigenen Hausfassade widersprechen kann.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP meldet sich.)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Bullinger?

Gern.

Bitte, Herr Abg. Dr. Bullinger.

Herr Minister, ein Kollege hat vorhin gesagt, eine Gemeinde habe versucht, solche Dinge zu unterbinden. Ist das rechtlich überhaupt zulässig? Mich interessiert als Gemeinderat, ob so etwas überhaupt möglich und zulässig ist.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Eine Ge- meinde aus Schleswig-Holstein in der Nähe von Kiel hat das gemacht! – Zuruf: Molfsee!)

Eine Gemeinde hat das für ihr Gemeindegebiet verboten.

Ja, aber diese Frage ist rechtlich noch nicht abschließend beurteilt.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Ich habe es im „Focus“ gelesen!)

Ich habe Verständnis dafür, dass eine Gemeinde versucht, dies für ihre Bürger in toto durchzusetzen, damit sich nicht jeder individuell wehren muss. Aber das ist meines Wissens rechtlich noch nicht abschließend geklärt. Aber ich prüfe das gern, Herr Kollege, und gebe Ihnen dann gesondert Nachricht.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Okay!)

Übrigens ist in diesem Zusammenhang die Zulässigkeit von sogenannten Bewertungsportalen ebenfalls noch nicht abschließend geklärt. Müssen also beispielsweise Lehrer oder Hochschulprofessoren hinnehmen, dass sie von Schülern bzw. von Studierenden anonym und tatsächlich für jeden nachlesbar im Internet bewertet werden? Die Bewertung ist auch eine solche Frage. Der Bundesgerichtshof hat diese Fragen in einem Einzelfall bejaht, während die Datenschutzaufsichtsbehörden solchen Bewertungsportalen sehr kritisch gegenüberstehen.