Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir kehren aus Bologna zurück und widmen uns erneut mit großer Ernsthaftigkeit dem Thema Bildung.
Bildung hat für uns als CDU höchste Priorität. Dies lässt sich unschwer daran ablesen, dass wir als CDU-Landtagsfraktion gemeinsam mit der Landesregierung in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise und bei sinkenden Schülerzahlen mit der Qualitätsoffensive Bildung rund 4 000 Lehrer mehr ins Sys tem geben.
Diese Priorisierung lässt sich aber auch an dem Erfolg ablesen, den wir für das Bildungssystem in Baden-Württemberg bereits heute feststellen dürfen. Schulabschlüsse à la BadenWürttemberg haben 1-a-Qualität und genießen hohe Anerkennung. Im Bundesvergleich haben wir die geringste Schulabbrecherquote und verzeichnen wir mit 2,9 % die niedrigste Arbeitslosenquote bei Jugendlichen.
Die Gründe für diesen Erfolg liegen auf der Hand: Sie sind in unserem differenzierten und gegliederten Schulwesen zu suchen, einem Schulwesen, das Lösungen für die unterschiedlichen Bildungsbedürfnisse anbietet. Ich finde schon, dass wir darauf auch ein ganz klein bisschen stolz sein dürfen, selbst als Schwaben.
Die beruflichen Schulen sind ein wesentliches und zentrales Element unserer Bildungslandschaft. Die beruflichen Schulen sind „i-g-l“: integrativ, gerecht und leistungsstark. Sie können dies sein, weil sie zugleich auch hochgradig innovativ sind. Mit ihrem besonderem Profil sind sie eine selbstbewusste, gleichwertige tragende Säule in der baden-württembergischen Landschaft neben den allgemeinbildenden Schulen. Sie sind damit nun gerade alles andere als der von der Opposition gern behauptete „Reparaturbetrieb“.
Die Angebote der beruflichen Schulen sind sehr vielfältig. Es gilt ganz streng das Motto „Kein Abschluss ohne Anschluss“. Dieser Anspruch wird auch tatsächlich erfüllt: zum einen mit dem Berufsvorbereitungsjahr und seiner Weiterentwicklung, dem „Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf“. Dort erfahren junge Menschen mit hohem, oft auch sonderpädagogischem Förderbedarf die Förderung, die sie dahin führt, dass sie – jedenfalls zwei Drittel der Absolventen – am Ende des Berufsvorbereitungsjahrs einen dem Hauptschulabschluss entsprechen den Bildungsstand erreichen. Bei den Kooperationsklassen – auch diese sind sehr erfolgreich – ist dieser Anteil noch deutlich höher.
Wir kennen das Berufseinstiegsjahr, in dem junge Menschen ihre Ausbildungsreife weiter verbessern können und schon ers te berufliche Vorbildung erfahren. Sie sind nach bestandener Abschlussprüfung fit für die Ausbildung.
Die zweijährige Berufsfachschule als Vollzeitschule ermög licht Abschlüsse in anerkannten Ausbildungsberufen.
Nicht vergessen werden dürfen natürlich auch die klassischen Berufsschulen, die als Partner der Wirtschaft in der dualen Ausbildung nicht wegzudenken sind.
Ein außerordentliches Erfolgsmodell mit besonderer Dynamik finden wir in den Berufskollegs und beruflichen Gymnasien. Denn schon heute – der Kultusminister weist in schönster
Regelmäßigkeit darauf hin – kommen rund die Hälfte der Studienzugangsberechtigten aus den beruflichen Schulen. Damit sind die beruflichen Schulen d i e Schulen des Bildungsaufstiegs, gerade auch für junge Menschen mit Migrationshintergrund. Ein Blick in die Statistik – und in die Klassenzimmer, liebe Frau Kollegin – macht dies deutlich.
Dennoch geben wir uns mit dem Erreichten nicht zufrieden. Angesichts des demografischen Wandels, angesichts der Anforderungen von Wirtschaft und Arbeitsmarkt sowie angesichts des zu erwartenden Fachkräftemangels sehen auch wir Handlungsbedarf. Es wird darum gehen, die Unterrichtsversorgung weiter zu verbessern und das noch bestehende Unterrichtsdefizit von 4,6 % zu reduzieren. Die Frage der Lehrergewinnung ist dabei sicherlich ein Ansatzpunkt. Dennoch sollte man, anstatt beliebig viel Geld ins System zu stecken, auch einmal darüber nachdenken, wie wir die Ressourcen effizienter und effektiver einsetzen können.
Das nächste Handlungsfeld ist die Sicherstellung und weitere Verbesserung der Unterrichtsqualität. Die beruflichen Schulen sind auf diesem Feld durchaus als Vorreiter zu bezeichnen. Sie sind schon heute mit den Projekten „Stärkung der Eigenständigkeit beruflicher Schulen“ (STEBS) und „Operativ Eigenständige Schule“ (OES) – die Bildungspolitiker kennen diese Projekte – auf einem guten Weg und durchaus vorbildgebend.
Ein weiterer Punkt, über den wir nachdenken, ist die Frage, inwieweit die Ausweitung der Ganztagsschule auf die Berufsschulen angezeigt ist. Dies gilt ebenso für den Ausbau der beruflichen Gymnasien entsprechend den Bedürfnissen des Ausbildungsmarkts.
Für all diese Fragen wird die Enquetekommission, die wir zu diesem Thema eingesetzt haben, Lösungsvorschläge erarbeiten. Deshalb setzen wir als CDU-Fraktion hohe Erwartungen in die Arbeit dieser Enquetekommission.
Abschließend möchte ich festhalten: Die beruflichen Schulen sind schon heute integrativ, gerecht und leistungsstark. Wer mir das nicht glaubt, kann das gern schwarz auf weiß nachlesen, und zwar im Bildungsmonitor 2009, dem Leistungscheck der Bundesländer. Der Blick auf das Handlungsfeld der beruflichen Bildung zeigt Ihnen, dass Baden-Württemberg hier schon heute Platz 1 belegt.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Frau Krueger, Ihrem Lob der beruflichen Schulen möchte ich hinzufügen: Das Lob gilt den Lehrkräften an den beruflichen Schulen, die trotz widriger Umstände hervorragende Ergebnisse an diesen Schulen vorweisen können.
(Beifall bei der SPD und des Abg. Winfried Kretsch- mann GRÜNE – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)
Ich sehe einen wesentlich größeren Handlungsbedarf als den, den Sie skizziert haben. Dabei geht es nicht nur darum, den Einsatz der zur Verfügung stehenden Ressourcen zu optimieren. Es geht um viel mehr.
In einer Pressemitteilung zur Einsetzung der Enquetekommission haben Sie zum Ausdruck gebracht, dass auf der Grundlage einer Bestandsaufnahme Handlungsstrategien für die Zukunft zu entwickeln seien. Außerdem sollen die notwendigen Entwicklungen und Innovationen angestoßen werden, die allen jungen Menschen künftig einen erfolgreichen Start in das Berufsleben ermöglichen.
Das heißt, hier besteht ein erheblicher Handlungsbedarf, weil die angesprochenen Aufgaben noch nicht so erfüllt werden, wie wir uns das für unser Land wünschen.
Meine Damen und Herren, schauen Sie einmal in die Schulen bzw. in die Kollegien. Weshalb hängt in fast jedem Lehrerzimmer einer beruflichen Schule die Unterschriftensammlung der GEW mit der Forderung, das Unterrichtsdefizit an den beruflichen Schulen zu beseitigen und ein Sonderprogramm für die beruflichen Schulen mit jeweils 300 neuen Stellen in den kommenden fünf Jahren auf den Weg zu bringen? Die Unterschriftenliste gebe ich gern an Ihre Fraktion weiter. Sie sollten sich daran beteiligen; denn dies ist sinnvoll und notwendig.
Weshalb beteiligen sich an den Schülerdemonstrationen auch massenhaft Berufsschüler mit der Forderung nach einer besseren Bildungspolitik des Landes? Weshalb demonstrierten bei der vergangenen Landtagssitzung die Schüler der Landes- und Bezirksfachklassen gegen die Kürzung der Zuschüsse für die Jugendheime und möchten dem Kultusminister morgen 1 000 Protestunterschriften übergeben? Ich weiß nicht, ob Sie, Herr Rau, sich die Zeit nehmen werden, um auch anwesend zu sein.
Warum ist das alles so? Es ist so, weil Sonntagsreden eben nicht weiterhelfen und die Landesregierung sich diese grundsätzliche Kritik und diesen Protest ehrlich verdient hat.
Ich fasse das noch einmal zusammen und stelle fest: Die beruflichen Schulen in unserem Land müssen unter schwierigen Voraussetzungen einem anspruchsvollen Bildungsauftrag gerecht werden. Die Lehrerinnen und Lehrer wollen, auch wenn es ihnen nicht immer leicht gemacht wird, die Schüler zu erfolgreichen Abschlüssen führen. Dazu sind die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen.
Sie kennen das aus unserem Antrag zum Thema „Unterrichtsausfall an den beruflichen Schulen in Baden-Württemberg“, der auch auf der heutigen Tagesordnung steht. Da bleibt Ihnen unsere Feststellung nicht erspart, dass das strukturelle Unterrichtsdefizit ausweislich der Zahlen des Ministeriums bei 4,6 % liegt, dass 4,5 % des Unterrichts krankheitsbedingt ausfallen und dass 3,1 % des Unterrichts durch Vertretungen abgedeckt werden müssen. Das heißt, jede achte Stunde in den beruflichen Schulen wird entweder vertreten oder fällt aus.
Dabei handelt es sich um ein Volumen von etwa 2 000 Deputaten. Das sollten Sie sich vor Augen führen.
Wir sehen Handlungsbedarf in vielen Bereichen; ich habe es bereits gesagt. Es muss um die Reduzierung des strukturellen Unterrichtsausfalls gehen, es muss auch um den Abbau der Bugwelle an Mehrarbeit, die geleistet wird, gehen, und es muss um den Aufbau einer echten Lehrerreserve gehen, damit wir dieses Problem angehen.
Ich weise noch darauf hin, dass es auch bei der Zuweisung der Lehrerstellen nicht gerecht zugeht. Wir verteilen die Lehrerstellen nach Schülerzahlen und nicht nach den Stunden, die damit verbunden sind. Es ist offensichtlich, dass im Teilzeitunterricht weniger Stunden angeboten werden müssen als im Vollzeitunterricht.
Was wir wollen, ist „Kein Abschluss ohne Anschluss“. Das steht oft nur auf dem Papier. Wir haben an den beruflichen Schulen einen erheblichen Numerus clausus.
Das sind die Probleme, die anstehen. Wir werden uns damit in der zweiten Runde vielleicht noch etwas detaillierter auseinandersetzen, wenn wir die Antwort des Ministers gehört haben.