Gunter Kaufmann
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Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere Erfahrungen mit unse rem Gesetzentwurf sind ganz andere als die, die Frau Krue ger dargestellt hat.
Wir sind auf breite Zustimmung gestoßen. Es gab Unterschrif tenaktionen; Eltern- und Lehrerverbände haben sich positiv zu diesem Gesetzentwurf geäußert.
Frau Krueger, die kommunalen Landesverbände unterstützen durchaus die Zielsetzung unseres Gesetzentwurfs, sagen aber, dass ihnen im Moment die finanziellen Ressourcen fehlten,
weil das Land nicht ausreichend Mittel zur Verfügung stellt. Dieses Argument können Sie hier nicht anführen, denn Sie als Regierungsfraktionen wären ja in der Lage, diese Mittel zur Verfügung zu stellen.
Schauen Sie sich einmal an, wie viele Schüler wir in den der zeitigen Eingangsklassen der beruflichen Gymnasien haben. Ich darf darauf hinweisen, dass sich für diese Klassen rund 27 000 zugangsberechtigte Schülerinnen und Schüler bewor ben haben, insbesondere natürlich von den Realschulen; das wissen Sie. Aber für 9 000 Zugangsberechtigte aus den Real schulen fehlten im vergangenen Schuljahr Plätze in den Ein gangsklassen. Jeder dritte zugangsberechtigte Realschüler musste auf eine Alternative ausweichen. Das ist eine Situati on, die unbefriedigend ist und die Sie hier nicht beschönigen können.
Vielleicht darf ich Sie daran erinnern, dass Artikel 11 der Lan desverfassung – entsprechend auch § 1 des Schulgesetzes – deutlich sagt:
Jeder junge Mensch hat... das Recht auf eine seiner Be gabung entsprechende Erziehung und Ausbildung.
Dem Geist dieser gesetzlichen Bestimmung werden Sie mit Ihrer Haltung nicht gerecht. Das Auseinanderklaffen von An spruch und Wirklichkeit ist eine unerträgliche Situation für die Lehrer, für die Eltern und für die betroffenen Schüler, denn Ihr ewiges Mantra „Kein Abschluss ohne Anschluss“ muss von den Betroffenen als Hohn empfunden werden.
Herr Röhm, beruhigen Sie sich.
Jetzt beruhigen Sie sich.
Dabei wird die Landesregierung auch nicht müde, im Zusam menhang mit der G-8-Diskussion permanent darauf hinzuwei sen, dass für alle, die sich für den Weg zum Abitur neun Jah re Zeit lassen wollen, der Weg über die Realschule und die be ruflichen Gymnasien der richtige ist. Nur: Wer dieser Emp fehlung folgt, geht ein erhebliches Risiko ein, weil die Schü lerzahlen in den Eingangsklassen an den beruflichen Gymna sien gedeckelt sind und weil für ein Drittel der Bewerber kein Platz an diesen Schulen ist. Das ist eine Situation, die wir nicht akzeptieren. Wir können auch nicht akzeptieren, dass die Aus bildung junger Menschen von Kassenlage und Konjunktur be einflusst wird, meine Damen und Herren.
Herr Röhm, an Ihrer Schule besteht das Recht, in die Ober stufe zu gehen.
Wer die Versetzung hat, kann in die Oberstufe.
Jetzt schlage ich Ihnen vor: Stellen Sie sich einmal für einen Moment vor, an Ihrer Schule wäre es so, dass nur zwei von drei Berechtigten, die in die Oberstufe gehen können, zuge lassen würden, Sie also ein Drittel abweisen müssten.
Stellen Sie sich einmal vor, man würde dann den Abgewiese nen noch sagen – jetzt zitiere ich Frau Krueger –: „Welches Menschenbild habt ihr denn eigentlich? Beginnt der Mensch erst beim Abitur?“ Die Frau Ministerin hat hier gesagt: „Aus reichende Plätze – das ist doch eine rein quantitativ, planwirt schaftlich definierte Diskussionsebene“ und – ich zitiere wie der – „eine Abwertung aller Abschlüsse, die nicht zum Abitur führen“. Sie erkennen doch selbst die Absurdität dieser Argu mentation. Aber in Bezug auf die Realschüler, die in eine Oberstufe wechseln wollen, ist Ihnen diese Argumentation nicht zu billig. Ich muss sagen, das ist traurig.
Ich will noch einmal auf den Kern unseres Anliegens kom men. Es geht in der Tat nicht um die Bewertung von Schulab schlüssen. Es geht um die Frage, inwieweit die Landesregie rung ihre eigenen Ansprüche an die Bildungspolitik ernst nimmt.
Das tut sie aus unserer Sicht nicht. Genau deshalb brauchen wir im Schulgesetz eine verbindliche Aussage, die garantiert, dass jeder Absolventin und jedem Absolventen mit Realschul abschluss oder einem gleichwertigen mittleren Bildungsab schluss bei Vorliegen der entsprechenden notenmäßigen Vor aussetzungen der Weg zum Abitur geöffnet wird. Mit der schwammigen Formulierung vom bedarfsgerechten Ausbau wurde die Landesregierung den Herausforderungen bislang nicht gerecht, wie die Zahlen belegen. Nur ein Rechtsanspruch kann diese Zitterpartie beenden, und deshalb plädieren wir für dieses Gesetz.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Ich frage die Landesregierung bezüg lich der Kooperationsklassen in der neuen Werkrealschule:
a) An wie vielen Werkrealschulen werden zum Schuljahr
2011/2012 die in der Konzeption für die Werkrealschule vorgesehenen zweijährigen Kooperationsklassen mit den beruflichen Schulen nach Klasse 8 eingeführt?
b) Welche organisatorischen Gründe sind dafür verantwort
lich, dass z. B. der Merkurschule Ottenau in Gaggenau zum Jahresende 2010 noch keine lokalen Eckdaten für die Ein führung einer zweijährigen Kooperationsklasse mit einer beruflichen Schule vorlagen?
Herr Staatssekretär, Ihre Aus führungen zur Merkurschule in Gaggenau haben schon ge zeigt, dass es sich um ein sehr komplexes Verfahren handelt. Sie haben das so einfach beschrieben: „Die Kooperationspart ner müssen sich finden.“ Das sind aber keine konkreten Vor gaben und auch keine Eckdaten.
Sie müssen doch einmal erklären: Wie ermitteln Sie rechtzei tig den Bedarf an Kooperationsklassen? Wie stellen Sie dann die Weichen, damit diese Kooperation mit den verschiedenen Schulen – neben der Werkrealschule sind auch die beruflichen Schulen mit einzubinden – stattfinden kann? Das heißt, dort müssen doch jetzt rechtzeitig die Klassen, die Ressourcen, die finanziellen Mittel usw. bereitgestellt werden. Den organisa torischen Hintergrund haben Sie nicht erläutert. Deswegen möchte ich Sie bitten, zu erläutern, wie Sie konkret den Be darf ermitteln
und zu welchem Zeitpunkt Sie den Schulen die Planungsda ten zur Verfügung stellen.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir darin zustimmen, dass mit den Formulierungen „Es geht ein Impuls von der Schule aus“ und „Die Schulverwal tung begleitet“ keine klaren Zuständigkeiten beschrieben sind, um den Prozess auch organisatorisch richtig und zeitig zu ge stalten? Ich denke, es müsste etwas konkreter dargestellt wer den, wie man Kooperationen rechtzeitig auf den Weg bringt. Denn das genannte Beispiel zeigt, dass Sie erst jetzt in die konkreten Überlegungen hineingehen. Es wäre für viele Schu len sehr schwierig, das dann noch zum nächsten Schuljahr auf den Weg zu bringen.
Frau Ministerin, ich darf Sie in Ihrer Aussage unterstützen, dass es sich um längst überfäl lige Maßnahmen handelt. Ich darf Sie daran erinnern, dass diese Maßnahmen in diesem Haus schon öfter eine Rolle ge spielt haben und dass das auch Forderungen waren, die – auch mit entsprechenden Anträgen – von unserer Seite hier immer wieder zur Abstimmung gestellt wurden.
Dass der Englischunterricht in der Sekundarstufe II, in der Oberstufe, endlich auch an den Berufsschulen eingeführt wird, ist eine reine Selbstverständlichkeit. Ich erinnere an die Dis kussion mit den IHKs, in der gefragt wurde: Wie lange muss ein Betrieb für einen Außenhandelskaufmann, der ausgebil det wird, noch den Unterricht an der Berlitz-School oder sonst irgendwo selbst bezahlen? Diese Maßnahme war also über fällig.
Aber ich darf Sie auch fragen, ob nicht auch Sie es für not wendig erachten, in der dualen Ausbildung zusätzlich auch bestimmte Anreicherungen anzubieten, und zwar beispiels weise den Erwerb der Fachhochschulreife, um die Attraktivi tät der Lehre entsprechend zu steigern. Das ist ja auch in der Kommission zum Ausdruck gekommen.
Was Ihre Position und Ihre Ausführungen zu den Ganztagsan geboten betrifft, so darf ich Sie fragen, ob nicht auch Sie mit uns der Meinung sind, dass solche Angebote nicht nur auf BEJ und BVJ begrenzt sein dürfen, sondern dass natürlich auch in dem gesamten beruflichen Bereich einschließlich der Koope rationsklassen, einschließlich der Berufsförderklassen Schul sozialarbeit einzuführen ist. Es wird Sie auch nicht verwun dern, dass wir Sie noch einmal daran erinnern, dass wir Schul sozialarbeit als eine Aufgabe der Bildungspolitik ansehen und insoweit hier auch eine Finanzierung des Landes einfordern.
Vielen Dank.
Frau Ministerin, Sie haben in Ihrer Auftaktveranstaltung zur Umsetzung der Handlungsemp fehlungen der Enquetekommission am 26. Januar 2011 das soeben von Ihnen vorgestellte Maßnahmenbündel genannt. Heute im Landtag haben Sie auf einen Punkt, nämlich die Schaffung zusätzlicher Profile an den beruflichen Gymnasi en, nicht hingewiesen. Ich stehe der Schaffung zusätzlicher Profile grundsätzlich positiv gegenüber. Aber ich will darauf aufmerksam machen, dass die Schaffung zusätzlicher Profile die Schaffung zusätzlicher Klassen beinhaltet und damit auch zusätzliche Lehrkräfte erfordert – z. B. für Umwelttechnik und das Profil „Internationale Wirtschaft“.
Ich habe seinerzeit aber mit Erstaunen zur Kenntnis genom men, dass die Landesregierung der Auffassung war – ich zi tiere aus der Presseerklärung vom 23. November 2010 –, für die zusätzlichen Klassen „würden keine zusätzlichen finanzi ellen Mittel benötigt“. Ich halte diese Aussage schlichtweg für nicht nachvollziehbar und nicht darstellbar. Denn angesichts der Herausforderungen, die an den beruflichen Schulen anste hen, ist eine Finanzierung durch die demografische Rendite nicht möglich.
Ich darf Sie in diesem Kontext noch einmal daran erinnern, dass im Lehrplan der beruflichen Schulen 4,4 % des Unter richts schon gar nicht erscheinen. Zusätzlich fallen noch 7,3 % des Unterrichts aus, weil Lehrkräfte verhindert sind und Un terricht nicht ordnungsgemäß gehalten werden kann. Zu ei nem Teil gibt es selbstverständlich auch Vertretungsunterricht. Das heißt aber im Prinzip: Jede neunte Stunde an den beruf lichen Gymnasien wird nicht regulär gehalten. Insofern ist Ih re Aussage, dies alles sei aus der demografischen Rendite, das heißt aus dem Schülerrückgang, zu finanzieren, nicht nach vollziehbar.
Ich erinnere Sie noch einmal an unsere Forderung und frage Sie, wie Sie deren Erfüllung sichern wollen. Berufliche Gym nasien sind attraktiv und haben einen erheblichen Zulauf. Aber viele Kinder, welche die notenmäßigen Voraussetzungen für den Besuch eines beruflichen Gymnasiums erfüllen, können nicht an eine solche Schule kommen, weil dort noch immer ein Numerus clausus herrscht und Sie nicht die notwendige Zahl von Klassen bereitgestellt haben.
Herr Präsident, verehrte Kol leginnen und Kollegen! Ich frage die Landesregierung zum Ausbau der beruflichen Gymnasien um 100 zusätzliche Klas sen:
a) Inwieweit werden bzw. wurden die Schulträger und die
Schulen in die Vorschläge der Landesregierung zum Aus bau der beruflichen Gymnasien um 100 zusätzliche Klas sen einbezogen?
b) Inwieweit kann dem Wunsch des Landkreises Rastatt Rech
nung getragen werden, ein Wirtschaftsgymnasium an der Handelslehranstalt Gernsbach einzurichten?
Herr Staatssekretär, Sie ha ben bezüglich der Verteilung dieser 100 zusätzlichen Klassen auf die einzelnen Schulen sehr blumig geantwortet. Könnten Sie einmal belastbare und nachvollziehbare Kriterien nennen, nach denen die Zuteilung an die einzelnen Schulen aus Sicht des Kultusministeriums erfolgt ist? Ich gehe davon aus, dass das, was Sie jetzt gesagt haben, auch dazu führt, dass die Lis te, die Sie jetzt vorgelegt haben, nicht die endgültige Liste sein kann, da, wenn die Anhörung der Landkreise am 15. Dezem ber zu Ende gegangen ist, noch entsprechende Vorschläge vor liegen. Aber Sie haben noch nicht dargelegt, nach welchen ob jektiven, nachprüfbaren Kriterien diese Zuteilung an die ein zelnen Schulen erfolgt ist.
Herr Staatssekretär, ich darf doch davon ausgehen, dass Sie insbesondere die Situation in Nordbaden kennen. Sie kommen ja selbst aus dieser Region. Wie ist es dann zu erklären, dass von den zugeteilten Klassen nur 17 % auf Nordbaden entfallen? Dort wohnt immerhin ein Viertel der Bevölkerung des Landes. Sie können wohl nicht unterstellen, dass in Nordbaden eine Überversorgung vorhan den ist.
Herr Minister Frankenberg, ich komme auf die Frage der Ausbildung von Religionspäda gogen zurück. Meine Vorrednerinnen haben in ihren Fragen schon zum Ausdruck gebracht, dass insbesondere der Bedarf an Grund-, Haupt- und Realschulen eine wichtige Rolle spielt und dass sowohl an den Pädagogischen Hochschulen Heidel berg und Freiburg als auch an der Pädagogischen Hochschu le Karlsruhe seit vielen Jahren die entsprechenden Modellvor haben und Ansätze vorhanden sind.
Ich muss daher noch einmal nachfragen: Inwieweit möchten Sie islamische Religionspädagogik in eine klassische Lehrer ausbildung mit entsprechenden Prüfungen überführen, sodass diese Lehrkräfte dann auch an den genannten Schulen zur Ver fügung stehen? Das ist meines Erachtens im Moment nicht der Fall.
Vorhin wurde schon angedeutet, dass Sie sich mit diesem Stu diengang in Tübingen zunächst einmal auf die Ausbildung der Lehrer an den Gymnasien konzentrieren wollen. Deshalb ist es schon von Interesse, wie es an den von mir genannten Hochschulen weitergehen soll und wann dies tatsächlich Be standteil der Lehrerbildung sein kann.
Frau Ministerin, Sie haben die Bedeutung der Qualität der Ausbildung an den Hochschu len unterstrichen. Das kann ich nur unterstützen, insbesonde re was den Erwerb sonderpädagogischer Fachkompetenz be trifft; Sie haben es dargestellt.
Jetzt frage ich Sie: Kennen Sie die Situation beispielsweise an der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg mit dem Schwerpunkt Sonderpädagogik? Dort gibt es erhebliche Un ruhe unter den Studierenden. Uns erreichen Briefe mit dem Inhalt, dass das Lehrangebot, von dem ja letztendlich die Qua lität abhängt, nicht im notwendigen Umfang vorhanden ist. Dort stellt sich inzwischen die Frage, ob man auf die Prüfung noch adäquat vorbereitet ist, wenn entsprechende Vorlesun gen ausfallen.
Ich höre, dass insbesondere an dieser Hochschule die Vakan zen mittlerweile als Finanzierungsinstrument eingesetzt wer den, sodass ein erheblicher Mittelanteil über die Vakanzen ein gespart wird. Dieser Ausfall wird durch Lehraufträge kom pensiert, die allerdings nicht im notwendigen Umfang ein Äquivalent für die Studierenden darstellen.
Wie gehen Sie mit dieser Situation um? Ist Ihnen das bekannt? Wie sehen Sie die Situation im nächsten Semester?
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! „Die Krise ist jung“, wurde vorhin ge sagt. Damit ist die Situation durchaus zutreffend beschrieben. Denn die Wirtschaftskrise betrifft insbesondere die jungen Menschen, weil die Verantwortlichen in unserem Land deren Ausbildung vernachlässigen und weil das Recht der Jugend auf eine adäquate Ausbildung in unserem Land fehlt. So ein fach ist das.
Es gibt eben kein Recht auf Ausbildung. Ein solches Recht wäre dringend nötig.
Deshalb entsprechen die Übergänge von der Schule in die Ausbildung und von der Ausbildung in den Beruf weder den
Bedürfnissen der jungen Menschen noch den gesellschaftli chen Notwendigkeiten, um den entsprechenden Fachkräfte bedarf in unserem Land sicherzustellen.
Das lässt sich an zwei Beobachtungen, die unabhängig von der Krise sind und bei uns seit Jahren schon offensichtlich sind, darstellen. Erstens: Das Durchschnittsalter beim Eintritt in die klassische Lehre ist bei uns mittlerweile von 16 Jahren auf über 19 Jahre gestiegen.
Damit hat die Lehre in gewisser Weise schon den Charakter der Erwachsenenbildung angenommen und ist nicht mehr das, was den jungen Absolventen, den Schulabgängern, gerecht wird.
Beruhigen Sie sich! – Was bedeutet es, wenn ein junger Mensch im Durchschnitt erst im Alter von 19 Jahren in die Lehre eintritt? Das bedeutet, dass wir ein aufwendiges Über gangssystem in Form von Warteschleifen installiert haben. Ein solches System gibt es in dieser Form im übrigen Europa nicht. Deswegen sieht bei uns auch die Jugendarbeitslosen quote anders aus. Denn die potenziell Arbeitslosen sind bei uns eben in der Warteschleife. Das muss man bei einem sta tistischen Vergleich immer berücksichtigen.
Unsere beruflichen Schulen könnten aber berufsqualifizierend ausbilden, wenn man sie nur machen ließe. Von der Möglich keit, auch die dort erworbenen Kompetenzen auf eine späte re Lehre anrechnen zu lassen – das wurde vorhin schon vom Kollegen Lehmann gesagt –, hat die Landesregierung keinen Gebrauch gemacht. Sie hat es versäumt, die im Berufsbil dungsgesetz eingeräumten Spielräume offensiv im Sinne der Jugendlichen zu nutzen. Sie ist vor der Wirtschaft eingeknickt. Das lag, wie vorhin zutreffend beschrieben wurde, an der Blo ckade des Wirtschaftsministeriums.
Die zweite Bemerkung: Meine Damen und Herren, die Hälf te aller Absolventen einer betrieblichen Ausbildung arbeitet fünf Jahre nach dem Abschluss der Lehre in einem anderen als dem erlernten Beruf. Darauf hat der Sozialwissenschaft ler und Berufsforscher Martin Baethge im März dieses Jahres noch einmal deutlich hingewiesen. Die Frage, ob man in ei nem erlernten Beruf auch später qualifiziert beschäftigt wird, ist sicher für viele junge Menschen bei der Berufswahl ent scheidend. Deshalb trägt dieser Sachverhalt auch dazu bei, dass für viele junge Menschen die duale Ausbildung in be stimmten Berufen nicht mehr attraktiv ist und dass sich des halb dort auch keine Bewerber finden.
Die beruflichen Schulen könnten auf diese Situation aber an gemessen beispielsweise mit Angeboten einer beruflichen
Grundbildung für ganze Berufsfelder oder mit der Verzahnung der Berufskollegs mit der dualen Ausbildung reagieren; das wäre ebenfalls ein zukunftweisendes Angebot. Trotzdem kann sich die Landesregierung nicht zu einer positiven Weiterent wicklung der dualen Berufskollegs durchringen. Sie wissen: Das ist ein Schulversuch, der im Jahr 2011 beendet werden soll.
Hinzu kommt noch, dass man die Bedingungen für die Ju gendlichen dort verschlechtert hat. Denn der berufsqualifizie rende Abschluss am Berufskolleg ist nur noch in Verbindung mit der Fachhochschulreife zu erwerben. Das bedeutet, dass für die etwas Anspruchsloseren, die die Fachhochschulreife nicht erwerben können, die Option Berufsqualifizierung weg fällt. Das war vor zwei Jahren noch anders. Damals war das eine gleichwertige Option und nicht nur an die Fachhoch schulreife gebunden. Das hat auch dazu geführt, dass be stimmte Förderungen durch die Arbeitsagentur weggefallen sind.
Meine Damen und Herren, vorhin wurde auf das Spitzenge spräch zur Ausbildungssituation eingegangen. Dazu will ich zwei Dinge erwähnen. Das war natürlich ein zaghafter Appell, Frau Schütz: viel schöngeredet, aber nur ein zu zaghafter Ap pell.
Wo blieb der Hinweis, dass in Baden-Württemberg im letzten Jahr jeder fünfte Ausbildungsplatz verloren ging und dass die nach dem Ausbildungspakt neu geschaffenen Ausbildungs plätze nur zwei Drittel der verlorenen Ausbildungsstellen er setzt haben? Neue Ausbildungsplätze sind halt keine zusätz lichen Ausbildungsplätze. Das darf man einfach nicht schön reden.
Das Zweite ist der Hinweis, dass im Mai 2010 die Statistik zu den Unversorgten ganz gut ausgesehen hat. Man muss aber dazusagen: Nur jeder zweite Bewerber bei der Bundesagen tur für Arbeit um eine Lehrstelle hat auch eine Lehrstelle ge funden oder mündete in ein entsprechendes Lehrverhältnis ein. Wo war der Rest? Der Rest war im Übergangssystem oder hat sich aus Frust schon von der Bundesagentur verabschie det
und wird nicht mehr mitgezählt. Deshalb bleiben nur wenige Unversorgte in der Statistik übrig, aber viele sind halt entwe der im Übergangssystem, oder sie gehen irgendwelchen Jobs nach. Das wissen Sie, wenn Sie die Praxis kennen und die Pra xis einfach zur Kenntnis nehmen. Ein Drittel der nicht studi enberechtigten Schulabgänger durchlaufen mittlerweile min destens eine Maßnahme des sogenannten Übergangssystems. Was das dann – wenn man die statistischen Zahlen zur Jugend arbeitslosigkeit vergleicht – für Auswirkungen hat, hatte ich eben schon dargestellt.
Deshalb kommen wir an der Tatsache nicht vorbei: Wenn ein Schulentlassener seinen Wunsch nach einer dualen Ausbil dung nicht realisieren kann, dann benötigt er eine schulisch organisierte Grundausbildung in einem bestimmten Berufs feld, auf die er dann entsprechend aufbauen kann. Das könn ten auch zweijährige vollzeitschulische Ausbildungsgänge mit einbezogenen Betriebspraktika sein, die einen späteren Auf stieg durch Weiterqualifizierung ermöglichen.
Wir, die SPD, verlangen für die jungen Menschen eine Aus- und Weiterbildungsgarantie, wie ich das vorhin gesagt habe. Das muss das Land garantieren.
Ja, Herr Präsident. – Letzter Satz: Die wirtschaftliche Prosperität unseres Landes steht auf dem Spiel, wenn wir den jungen Menschen keine besseren Qualifizierungsangebote machen.
Vielen Dank.
Frau Kollegin Berroth, Sie haben gerade darauf hingewiesen, dass es doch sinnvoll wä re, wenn möglichst viele Schulabgänger in eine duale Ausbil dung gingen. Können Sie quantifizieren, wie viele Ausbil dungsplätze es in Baden-Württemberg geben müsste, um die sem Anspruch gerecht zu werden?
Darf ich Sie außerdem bitten, zur Kenntnis zu nehmen, dass immer weniger Betriebe in unserem Land ausbilden und die Zahl der Ausbildungsplätze, wie Sie feststellen werden, wenn Sie sich die Entwicklung einmal über einen längeren Zeitraum anschauen, erheblich zurückgegangen ist?
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Sie kennen das Windkrafturteil des Ver waltungsgerichts Stuttgart. In diesem wurde der Regionalplan der Region Heilbronn-Franken für nichtig erklärt, und zwar mit der Begründung, dass zu wenig Flächen für Windkraftan lagen ausgewiesen würden.
Nun wissen Sie alle, dass Baden-Württemberg bei der Aus weisung von Windkraftanlagen und hinsichtlich der Wind energie insgesamt beim Ranking der Bundesländer auf dem letzten Platz liegt, und wir alle wissen auch, wie sehr die Lan desregierung versucht hat, hier zu bremsen. Das fing mit der Änderung des Landesplanungsgesetzes an. Da wurde diese unsägliche Schwarz-Weiß-Lösung gefunden, nach der einzel ne Vorranggebiete ausgewiesen wurden, und alles andere war automatisch Ausschlussgebiet für die Windkraft. De facto war das eine Verhinderungsplanung. Das war, wie Sie auch selbst erklärt haben, von der Landesregierung politisch so gewollt.
Nun liegt in diesem Urteil wohl eine ganz andere Dynamik. Denn sinngemäß lautet der Tenor des Urteils:
Die Planungsträger dürfen sich mit einer bloßen Feigenblatt planung, die auf eine verkappte Verhinderungsplanung hin ausläuft, nicht begnügen. Ferner ist die Entscheidung des Bun desgesetzgebers, Windkraftanlagen im Außenbereich grund sätzlich zu privilegieren, auch im Rahmen der Regionalpla nung zu beachten. Bei der Abwägung sind die öffentlichen Belange so zu gewichten, dass für die Windenergienutzung im Planungsgebiet tatsächlich in substanzieller Weise Raum geschaffen wird. Das ist in fast keinem Regionalverband der Fall. Die Zulässigkeit von Windkraftanlagen darf nur dann ausgeschlossen werden, wenn ein schlüssiges Gesamtkonzept vorhanden ist, keine Abwägungsfehler vorliegen und die Pla nung im Ergebnis der Nutzung der Windenergie in substan zieller Weise Raum schafft.
So weit der Tenor des Urteils. Diesen Anforderungen genüg te der zitierte Regionalplan nicht. Deshalb liegt in dieser Rechtsauffassung auch eine gewisse Dynamik, weil sich dies auch auf andere Regionalpläne beziehen kann.
Daher frage ich die Landesregierung: Wie gehen Sie mit dem Urteil um? Wie bewerten Sie die Rechtsauffassung, die darin zum Ausdruck kommt? Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem Urteil?
Herr Minister, Ihre Aussage, dass Ihnen das Urteil Rückenwind gibt, freut mich, aber es er
staunt mich auch. Sie haben doch alle Regionalpläne geneh migt; dafür sind Sie zuständig.
Sie haben alles durchgewinkt. Dabei sollten Sie prüfen. Ihre Aufgabe besteht doch darin, die Abwägungsprozesse nachzu vollziehen – es ist alles dokumentiert –, um sich damit ausei nanderzusetzen.
Sie laufen jetzt in die rechtliche Falle hinein, weil Sie mit die ser Schwarz-Weiß-Lösung Vorranggebiete schaffen und den Rest als Ausschlussgebiet definieren. Damit haben Sie nicht die Möglichkeit, so, wie wir das mit unserem Gesetzentwurf vorgeschlagen haben, einen Bereich als Vorranggebiet zu de finieren, einen Bereich als Ausschlussgebiet zu definieren, und dann bleibt ein anderer Bereich – ich sage jetzt einmal: ein Graubereich –, in dem eine Einzelfallprüfung vorgenommen wird. Da wird dann dezidiert für diesen Einzelfall entschie den. Damit wird auch nicht ein ganzer Regionalplan für nich tig erklärt.
Ich will noch einmal auf das Gerichtsurteil zurückkommen. Das Urteil hat Abwägungsfehler und Ähnliches in dem kon kreten Vorhaben festgestellt, aber es hat auch ganz zum Schluss, ab Seite 44, einige Grundsätze aufgestellt, die bei ei ner Bewertung zu berücksichtigen sind. Diese grundsätzlichen Bemerkungen kann man quasi als Handlungsanweisung ver stehen, wie Abwägungsprozesse generell zu erfolgen haben.
In den vorliegenden Abwägungsprozessen war es so – jeder, der bei der Diskussion in den Regionalverbänden beteiligt war, weiß das –, dass man zunächst einmal die harten Krite rien, die von der Landesregierung vorgegeben waren, berück sichtigt hat. Dann kamen der zweite und der dritte Suchlauf mit den weichen Kriterien. Da war es immer so, dass der öf fentliche Belang, der durch das Baugesetz vorgegeben ist, nämlich die Privilegierung der Windkraft, unter den Tisch ge fallen ist. Das alles ist weggewogen worden, und das hat na türlich dazu geführt, dass generell zu wenig Flächen ausge wiesen wurden.
Wie gehen Sie jetzt damit um? Das müssen Sie doch sagen. Überprüfen Sie die Regionalpläne alle noch einmal daraufhin, inwieweit das, was ich jetzt geschildert habe, zutrifft? Wenn beispielsweise der Bürgermeister dagegen war, dann ist die Fläche weggefallen. Wenn man gesagt hat, man sehe das Windkraftwerk von unten, dann ist es auch weggefallen. Da wurde eine ganze Menge fragwürdiger Kriterien aufgestellt, die alle das öffentliche Interesse und die gesetzlich vorge schriebene Privilegierung der Windkraft ausgehebelt haben. Deshalb ist es Ihre Aufgabe, wenn Sie durch das Urteil Rü ckenwind bekommen haben, der Sache noch einmal nachzu gehen. Ich frage: Wie gehen Sie konkret damit um? Stellen Sie alle Regionalpläne noch einmal auf den Prüfstand?
Herr Minister, ich will das einmal ein bisschen klarer formulieren. Müssten Sie nicht ei gentlich sagen, dass Ihre Vorgaben, die seinerzeit als Kriteri en in den Abwägungsprozess eingeflossen sind, einfach zu hart waren, weshalb Sie einen großen Fehler gemacht haben, was in Baden-Württemberg dazu geführt hat, dass die Wind kraft mit Null-Komma-was-weiß-ich Prozent fast unter den Tisch gefallen ist? Das wollen Sie jetzt korrigieren – so habe ich Sie verstanden –, indem Sie sagen, es müssten eigentlich mehr Vorranggebiete ausgewiesen werden.
Das heißt aber – das müssen Sie auch klar sagen –: Wir müs sen andere Vorgaben machen. Sie sind zurzeit ja auch dabei, eine Windpotenzialanalyse durchzuführen, wenn ich das rich tig mitbekommen habe.
Das heißt, wir stellen den Re gionalverbänden einen neuen Windatlas zur Verfügung, wir überprüfen die Referenzgröße, die bislang gegolten hat – es hat sich in der Zwischenzeit auch in der Technik einiges ver ändert –, wir prüfen die Abstände, wir prüfen genau die Kri terien, die in den Abwägungsprozessen eingeführt wurden, und hoffen, dann zu einem besseren Ergebnis zu kommen. Das müssten Sie klar und deutlich formulieren, Herr Minis ter.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung zur Nichtberück sichtigung der Stadt Rastatt im Städtebauförderungsprogramm 2010:
a) Inwieweit waren die gegenwärtigen Bemühungen der Stadt
Rastatt um eine Ansiedlung von IKEA ausschlaggebend für die Ablehnung von zwei Förderanträgen der Stadt im Rah men des Städtebauförderungsprogramms 2010?
b) Welche Gründe leiten das Wirtschaftsministerium bei sei
ner Auffassung, die Ansiedlung von IKEA in Rastatt wür de eine Beeinträchtigung der Bemühungen um eine Attrak tivitätssteigerung der Rastatter Innenstadt zur Folge haben?
Herr Minister, Sie haben jetzt noch einmal aus fachlicher Sicht dargelegt, welche Zielkon flikte bei dieser Ansiedlung vorhanden sind. Dies wurde der Stadt durch das Ministerium bereits mitgeteilt. Kann man da raus jetzt schließen, dass die Stadt, solange das Revisionsver fahren läuft und dieser Zielkonflikt aufrechterhalten wird, nicht davon ausgehen kann, dass entsprechende Förderanträ ge zur Steigerung der Attraktivität der Innenstadt genehmigt werden?
Herr Minister, gibt es Beispie le im Land, bei denen eine solche Diskrepanz und solche Ziel konflikte dazu geführt haben, dass eine städtebauliche Förde rung nicht erfolgen konnte?
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Diskussion über den Hoch wasserschutz am Oberrhein wird aktuell durch die „Kies-Af färe“ überlagert. Es ist in der Tat erstaunlich, wie aus sachlich nicht nachvollziehbaren Gründen die Realisierung einer Hoch wasserschutzmaßnahme verzögert wurde. Dabei ist die schlep pende Umsetzung des Hochwasserschutzprogramms zwischen Basel und Mannheim schon seit Jahrzehnten ein Trauerspiel. Man kommt sich fast komisch vor, alljährlich feststellen zu müssen, dass es nicht richtig vorwärtsgeht.
Die derzeitige Debatte über Spenden, Schotter und Geschie be wird sicher weitergehen, auch wenn die Landesregierung unlängst auf ihrer Klausurtagung grünes Licht für den Hoch wasserrückhalteraum Weil-Breisach gegeben hat. Aber die fast täglichen Äußerungen der Landesregierung zur „Kies-Affä re“ haben mittlerweile schon den Charakter von Wasserstands meldungen. Offensichtlich steht Ihnen das Wasser schon bis zum Hals, nachdem bereits ein Staatssekretär abgetaucht ist.
Meine Damen und Herren, Spatenstiche und Ankündigungen von grünem Licht für bestimmte Bauabschnitte sind immer schnell gemacht. Dabei entsteht für diese Einzelvorhaben ei ne medial sehr wirksame Begleitkampagne, die aber dann doch verdeckt, um was es insgesamt geht. Mit unserem An trag haben wir daher versucht, die anstehenden Investitionen in den Hochwasserschutz zu beleuchten.
Was uns in diesem Zusammenhang jedoch nach wie vor fehlt und was wir dringend brauchen, sind transparente Ablauf- und Finanzierungspläne über einen längeren Zeitraum hinweg mit klaren Zielen und Fristen, meine Damen und Herren.
Die Landesregierung hat am 23. März dieses Jahres versucht, eine Bilanz zum Hochwasserschutz vorzulegen, und der Mi nisterpräsident wird dazu wie folgt zitiert:
In den Hochwasserschutz angelegtes Geld ist gut inves tiert, weil mit dem Ausbau der Rückhalteräume effektive Schadensvorsorge geleistet wird.
Meine Damen und Herren, dem ist uneingeschränkt zuzustim men.
Denn wir wissen, dass bei Extremhochwasser am Rhein der potenzielle Schaden nahezu das Zehnfache der notwendigen Vorsorgeinvestitionen ausmacht. Der Ministerpräsident hätte aber auch noch dazusagen müssen: „Wir wissen: In der Ver gangenheit wurde zu wenig getan.“
Zum Glück gab es in den letzten Jahren bei uns kein schwe res Jahrhunderthochwasser. Nur durch Zufälle des Wetterge schehens hat es beim letzten Mal die Elbe und nicht den Rhein getroffen. Wir alle wissen, dass in Karlsruhe, Mannheim/Lud wigshafen und auch weiter rheinabwärts Milliardenschäden möglich sind, dass Hunderttausende Menschen in Mitleiden schaft gezogen werden können, wenn so etwas wieder eintritt. Deshalb haben die Investitionen in den Hochwasserschutz ei nen hohen Nutzen.
Warum aber kommen wir in Baden-Württemberg nur im Schneckentempo voran? Warum kann beispielsweise auch ein Staatssekretär offensichtlich schalten und walten, und im Staatsministerium erfährt man erst über Berlin, dass man end lich zu einer Entscheidung kommen muss, die überfällig ist?
Meine Damen und Herren, ich will daran erinnern: Hochwas serschutz am Rhein ist keine freiwillige Aufgabe. Dieser Hochwasserschutz entspricht einer internationalen Verpflich tung, entspricht Verträgen, die wir mit Frankreich abgeschlos sen haben, und zwar bereits im Jahr 1982. Die vertragliche Frist zur Wiederherstellung des Schutzes gegen ein 200-jähr liches Hochwasser ist bereits 1990 abgelaufen. Nur so viel zum zeitlichen Verzug.
Das Rahmenkonzept für das Integrierte Rheinprogramm wur de 1988 erstellt. Dabei geht es, wie Sie alle wissen, um 13 Maßnahmen. In über 20 Jahren haben wir erst drei Vorhaben realisiert, wobei beim Polder Söllingen der Probebetrieb noch aussteht. Auf der linksrheinischen Seite dagegen hat Frank reich seine Verpflichtungen erfüllt, und in Rheinland-Pfalz sind die meisten Rückhalteräume bereits im Bau.
Wenn die Landesregierung nach 22 Jahren feststellt, dass bis her 40 % des geplanten Retentionsvolumens erreicht wurden, ist dies keine Erfolgsmeldung. 40 % in 22 Jahren heißt: Bei gleichem Tempo brauchen wir noch 33 Jahre, um endlich den geforderten Schutz vor einem Extremhochwasser zu erhalten. Das ist keine Beruhigung für die betroffenen Rheinanlieger; denn angesichts des Klimawandels werden die Extremsitua tionen immer häufiger.
Nun hat sich auch der Rechnungshof verschiedentlich zum Thema Hochwasserschutz gutachterlich geäußert. Das war zum einen bei der Beurteilung des Wirtschaftlichkeitsgutach tens zur Verwendung des Kiesmaterials aus dem Raum WeilBreisach im Rahmen der Geschiebezugabe. Da hatte die Be auftragung des Rechnungshofs meines Erachtens aber eher ei ne Alibifunktion, um zu kaschieren, dass eine Kabinettsvor lage lange verschleppt wurde. In der Sache kam da auch nichts Neues heraus.
Aber die jüngste Beratende Äußerung des Rechnungshofs vom 9. April ist in unserem Kontext wichtig, weil sie sich aus
führlich mit der Finanzierung des Hochwasserschutzes, näm lich des Integrierten Rheinprogramms, beschäftigt. Der Rech nungshof hat die bisherigen Planungs-, Genehmigungs- und Bauzeiten ausgewertet und kommt zu dem Ergebnis, dass die bislang jährlich zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel zukünftig nicht ausreichen. Das ist eine klare Sprache: Wir können so nicht weitermachen. Die Rechnungsprüfer konsta tieren eine immense Finanzierungslücke.
Um bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts, also bis 2030, die notwendigen Hochwasserschutzmaßnahmen am Rhein zu re alisieren, was im Interesse des Hochwasserschutzes nötig und geboten ist, müssten die jährlichen Haushaltsmittel hierfür verdreifacht werden. Der Investitionsbedarf beläuft sich nach den Berechnungen des Rechnungshofs auf rund 1 Milliarde €, wobei auf das Land 450 Millionen € entfallen. Dazu schreibt der Rechnungshof klar und deutlich – ich zitiere –:
Die bisherigen Finanzierungsraten von 10 Millionen € jährlich
für das IRP –
reichen für den angestrebten Hochwasserschutz bei Wei tem nicht aus. Das Land muss vielmehr je nach Baufort schritt Tranchen von 20 bis 40 Millionen € pro Jahr ein planen und sicherstellen.
Meine Damen und Herren, das ist eine gewaltige Herausfor derung. Das erforderliche Geld muss haushaltsrechtlich gesi chert und kontinuierlich bereitgestellt werden.
Daher empfiehlt auch der Rechnungshof, Ablauf- und Finan zierungspläne zu erstellen und sie entsprechend dem Stand der Umsetzung jährlich projektscharf fortzuschreiben.
Mit unseren beiden Anträgen wollen wir – wie bereits in den vergangenen Jahren – dieses Thema auch zukünftig aufgrei fen, um ihm gerecht zu werden. Die Diskussion wird also wei tergehen, meine Damen und Herren.
Frau Präsidentin, Frau Minis terin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu den Ausführungen der Landesregierung kann ich nur sagen: Ich habe Verständ nis für die Position, aber das Schönreden hat schon seine Grenzen; das muss man deutlich sagen.
Sie werfen uns vor, wir hätten zu wenig oder überhaupt nicht mit den Beteiligten oder Betroffenen gesprochen, wir hätten
die Auseinandersetzung vor Ort gescheut. Da darf ich Sie an die letzte Legislaturperiode erinnern und an das, was wir lau fend machen. Wir sind auch am südlichen Oberrhein aktiv. Schon Walter Caroli hat dort die Diskussion geführt. Ich selbst führe sie ebenfalls. Jeder hat in seiner Klientel, in seinem Be reich zugegebenermaßen schon dafür zu sorgen, dass das Gan ze nicht auseinanderläuft. Sie sollten sich aber auch um den staatlichen Forst kümmern, der dort schwer mauert.
Ich will auf Folgendes hinaus: Natürlich verzögern – da ha ben Sie recht – Einsprüche die Verfahren.
Aber man muss die Verfahren ja erst einmal einleiten. Es kann doch nicht sein, dass man wegen jeder Verlegung eines Hun desportplatzes die Verfahren hinauszögert oder weil jede be liebige Einwendung noch abgeklärt werden soll.
Die Verfahren sind dafür da, die entsprechenden Gesichts punkte zu würdigen. Das ist eben der Unterschied zu Rhein land-Pfalz.
Ich habe nicht gesagt, dass Rheinland-Pfalz schon fertig ist, sondern ich habe gesagt, die meisten der Vorhaben dort sind schon im Bau, so, wie es auch in der Beratenden Äußerung des Rechnungshofs steht. Die habe ich nämlich in diesem Fall wörtlich zitiert. Ich habe nicht „100 %“ gesagt. Frankreich ist allerdings schon ein wenig weiter. Aber in Rheinland-Pfalz müssen die Verfahren abgeschlossen sein, und bei uns müs sen wir mit den Verfahren erst in die Pötte kommen.
Ich weiß auch, dass bei uns 40 % realisiert sind, aber das sind 40 % des Retentionsvolumens – ich sage es noch einmal –, die man in 22 Jahren durchgezogen hat. Sie müssen einmal sehen, in welch langen Zeiträumen wir da zu arbeiten haben. Das ist der entscheidende Punkt.
Ich will noch einmal auf einen Gesichtspunkt zurückkommen, den Kollege Jägel angesprochen hat, damit er da auch richtig liegt. Es geht nicht um Dammrückverlegungen in dem Sinn, dass bei Plittersdorf, Ottersdorf oder weiß Gott wo Dämme rückverlegt werden. Das ist gar nicht das Thema. Er soll sich ein bisschen schlau machen.
Es geht darum, dass in dem Beispiel, das Frau Splett genannt hat – beim Polder Bellenkopf/Rappenwört –, die Frage ge stellt wird, ob dort statt eines Polders eben der Polderrand als Damm angelegt wird, sodass die Flutungen der liebe Gott macht und sie nicht gesteuert werden. Das ist der einzige Un terschied.
Das hätte auch seine Vorteile: Es ist in der Regel wesentlich billiger. Dort hätte man 10 Millionen € einsparen können. Of fensichtlich geht es jetzt nicht. Gut, dann haben wir die Ge spräche geführt, aber eine befriedigende Lösung ist das nicht.
Zu dem, was die ökologischen Flutungen anbelangt, was Herr Ehret gesagt hat, stimme ich der Frau Ministerin zu. Ökolo gische Flutungen sind die Voraussetzung für die Genehmi gung der technischen Vorhaben. Aber manchmal argumentiert die Landesregierung so, dass die ökologische Seite des Inte grierten Rheinprogramms, nämlich die Kombination von Bau werken und Renaturierung, schon durch die ökologischen Flu tungen erfüllt sei. Das ist ein ganz anderes Thema.
Integriertes Rheinprogramm heißt, dass man neben den tech nischen Maßnahmen natürlich noch zusätzliche Flächen für die Auenrenaturierung zur Verfügung stellt. Das betrifft das Maßnahmenpaket II. Da hatten Sie ehrlicherweise gesagt, dass da noch so gut wie gar nichts passiert ist. In der Stellungnah me der Landesregierung zum Antrag Drucksache 14/5921 steht ja auch: soweit die personellen und finanziellen Ressour cen vorhanden sind. Wir warten noch darauf, dass diese Res sourcen bereitgestellt werden. Da würden wir Sie auch ent sprechend unterstützen.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir weisen mit unserem Antrag zur befristeten Beschäftigung von Lehrkräften auf eine Situation hin, die nicht nur an den Schulen als äußerst unbefriedigend angesehen wird. Hartz IV statt Ferien, heißt es am Schuljahresende für nicht wenige Lehrkräfte, die als Ver
tretungslehrkräfte befristet beschäftigt waren oder gerade ihr Referendariat abgeschlossen haben. Die Frage, ob sich das Land hier als ein fairer Arbeitgeber zeigt, ist durchaus berechtigt.
Sie wissen es: Wer in Baden-Württemberg als Krankheits- oder Elternzeitvertretung arbeitet, wird zu Beginn der Sommerferien arbeitslos, auch wenn die Arbeit nach den Sommerferien weitergeht. Bei vielen dieser Lehrkräfte vollzieht sich der Wechsel von befristeter Beschäftigung zur Arbeitslosigkeit über mehrere Jahre hinweg immer wieder.
Aus der vorliegenden Stellungnahme der Landesregierung wird deutlich, dass zum Schuljahr 2008/2009 bei zwei von drei Einstellungen das befristete Beschäftigungsverhältnis nach den Sommerferien fortgeführt wurde. Das ist aus unserer Sicht nicht unproblematisch. Auch der Hinweis auf Beispiele aus anderen Bundesländern macht die Sache für uns nicht besser.
In ihrer Stellungnahme verweist die Landesregierung auf die Situation in Hessen, wo es ähnlich sei. Ich darf in diesem Kontext sagen: Hessen hat seit 2009 eine andere Regelung. Dort werden befristet beschäftigte Vertretungslehrkräfte, die im nachfolgenden Schuljahr wieder benötigt werden, auch während der Sommerferien bezahlt. Das wäre auch eine Lösung für Baden-Württemberg.
Meine Damen und Herren, auch Lehramtsbewerber werden nach einem erfolgreichen Abschluss des Referendariats zu Ferienbeginn in die Arbeitslosigkeit entlassen, selbst wenn ihnen für das nächste Schuljahr eine Einstellung garantiert wurde. Das hierdurch entstehende finanzielle Loch führt durchaus dazu, dass sich viele überlegen, ob sie sich nicht in einem benachbarten Bundesland, in dem die Beschäftigung früher aufgenommen werden kann, verpflichten, wodurch sie bei uns nicht mehr verfügbar wären, obwohl sie bei uns ausgebildet wurden. Das halten wir ebenfalls für nicht sachgerecht.
Wenn Sie sich die Situation der Referendare vor Augen führen, so sollten Sie daran denken, dass es sich um junge Menschen handelt, die nach einem vier- oder fünfjährigen Studium und einem 18 Monate langen Referendariat vor den Sommerferien in die Arbeitslosigkeit entlassen werden und dann fast drei Monate finanziell auf dem Trockenen sitzen. Die letzte Zahlung erfolgt in der Regel am 30. Juni, und die ersten Abschlagszahlungen sind dann im September fällig. Aber die Miete läuft weiter, die Lebenshaltung verursacht Kosten, und auch mit Kindern ist dies eine schwierige Situation. Wenn man dann auf staatliche Unterstützung durch Hartz IV oder ALG II angewiesen ist, so ist das bedauerlich, und wir müssen uns fragen, ob ein solcher Umgang mit diesen Menschen gerechtfertigt ist.
Sie wissen: Arbeitslosengeld gibt es für Lehramtsbewerber nicht, da man als Beamtin oder Beamter auf Widerruf keine
Sozialversicherungsbeiträge gezahlt hat. Auch ist die Antragstellung bei der ARGE sehr aufwendig. Viele empfinden das als demütigend, einige verzichten daher von vornherein darauf. Auch ist das finanzielle Ergebnis nicht gerade berauschend.
Meist sind diese jungen Lehrkräfte zudem privat versichert und können gar nicht so schnell aus diesem Versicherungsverhältnis heraus, nur um dann möglicherweise nach sechs oder acht Wochen doch wieder einen Aufnahmeantrag stellen zu müssen. Sie zahlen daher 100 % der Beiträge selbst. Das ist eine Situation, bei der man fragen muss, ob man diesen jungen Menschen das so zumuten sollte.
Der Sparkurs der Landesregierung in diesem Bereich ist auch gegenüber den Vertretungslehrkräften beschäftigungspolitisch falsch; er ist gegenüber den Betroffenen unsozial, vor allem aber pädagogisch unsinnig und organisatorisch sehr aufwendig.
Es muss für alle Schulen eine Lehrerreserve geben, und wenn diese Lehrerreserve nicht ausreichen sollte, muss entsprechend aufgestockt werden. Es gibt sehr viele qualifizierte Bewerber. Schauen Sie sich die Einstellungszahlen an; dort gibt es sicher noch ein Potenzial, auf das man durchaus zurückgreifen kann.
Die SPD-Landtagsfraktion fordert daher eine verlässliche und kontinuierliche Lehrereinstellungspolitik. Eine Unterbrechung der Gehaltszahlungen allein über die Sommerferien ist, wenn es anschließend weitergehen soll, unseres Erachtens nicht gerechtfertigt. Hier wird auch im Kollegium mit zweierlei Maß gemessen.
Auch die Lehramtsanwärter mit Einstellungszusage, die sich aus ihrer Schule ja nicht verabschieden, sollten fairerweise nicht erst zu Beginn des neuen Schuljahrs, sondern bereits zum Ende des alten Schuljahrs in den Schuldienst übernommen werden.
Wer gebraucht wird, soll auch in den Sommerferien sein Gehalt bekommen. Unsere beiden Anträge formulieren dieses Anliegen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorhin wurde von den Vertretern der Regierungskoalition darauf hingewiesen, dass sich der Lehrerbedarf in einer Schule ändern kann. Frau Vossschulte, das ist richtig. Dass eine gewisse Flexibilität vorhanden sein muss, ist richtig. Dass nicht alle befristeten Vertragsverhältnisse verlängert werden können, ist auch richtig.
Aber der Punkt, um den es geht, ist doch ganz einfach. Wenn Sie in die Stellungnahme zu unserem Antrag schauen, dann
sehen Sie doch, dass zwei von drei befristet angestellten Lehrkräften nach den Ferien wiederkommen. Da ist die Frage: Ist es fair, wenn die sich im Juli verabschieden und sagen: „Wir sehen uns nach den Sommerferien wieder“, und bis dahin nicht bezahlt werden? Nur um diesen Sachverhalt geht es.
Bei den Lehramtsanwärtern ist gegen eine flexible Lehrereinstellung selbstverständlich gar nichts einzuwenden. Ich begrüße auch ausdrücklich, dass frühzeitig Zusagen gegeben werden, um die guten und sehr guten Leute zu halten. Aber soll man dann einfach sagen: „Wir wissen ja, dass ihr wiederkommt“? Diese Pädagogen verabschieden sich in die Ferien, und wir wissen, dass sie nach den Ferien wiederkommen. Die Frage ist, ob wir dann als Arbeitgeber wirklich eine faire Haltung einnehmen, wenn wir sagen: „Aber für diese Zeit setzen wir euer Gehalt aus.“
Ich will daran erinnern, dass die jungen Leute, die ihren Dienst beginnen, ohnehin schon einen Beitrag zum Sparen leisten. Sie müssten wissen, dass ein Studienrat mit einem vierprozentigen Abschlag von seinem Gehalt über die ersten drei Jahre zu rechnen hat. Somit leisten diese Lehrkräfte schon einen entsprechenden Sparbeitrag für den Landeshaushalt.
Insofern stellt sich die Frage: Ist es gerecht, wie wir mit den Beschäftigten umgehen? Da hilft auch kein Hinweis auf die Landeshaushaltsordnung. Sie ist zudem nicht sakrosankt. Für uns stellt sich die politische Frage: Wie gehen wir mit dieser Situation um?
Es wurde auf private Unternehmen, auf die Industrie hingewiesen. Dazu muss ich sagen: Dort ist dieses Verhalten die Ausnahme. Der Lehrling und der Trainee werden in der Regel übernommen, es sei denn, das Projekt fängt erst später an. Bei uns ist es aber die Regel, dort ist es die Ausnahme. Das ist der gewaltige Unterschied, meine Damen und Herren.
Insofern möchte ich schon einmal darauf verweisen, dass bei der Diskussion im Finanzausschuss – Frau Rastätter hat es angesprochen – insbesondere von der FDP/DVP darauf hingewiesen wurde, dass man nach Lösungsmöglichkeiten sucht. Ich bedaure ausdrücklich, dass hier in dieser Richtung keine Aussage getroffen wurde.
Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Frau Krueger, Ihrem Lob der beruflichen Schulen möchte ich hinzufügen: Das Lob gilt den Lehrkräften an den beruflichen Schulen, die trotz widriger Umstände hervorragende Ergebnisse an diesen Schulen vorweisen können.
Ich sehe einen wesentlich größeren Handlungsbedarf als den, den Sie skizziert haben. Dabei geht es nicht nur darum, den Einsatz der zur Verfügung stehenden Ressourcen zu optimieren. Es geht um viel mehr.
In einer Pressemitteilung zur Einsetzung der Enquetekommission haben Sie zum Ausdruck gebracht, dass auf der Grundlage einer Bestandsaufnahme Handlungsstrategien für die Zukunft zu entwickeln seien. Außerdem sollen die notwendigen Entwicklungen und Innovationen angestoßen werden, die allen jungen Menschen künftig einen erfolgreichen Start in das Berufsleben ermöglichen.
Das heißt, hier besteht ein erheblicher Handlungsbedarf, weil die angesprochenen Aufgaben noch nicht so erfüllt werden, wie wir uns das für unser Land wünschen.
Meine Damen und Herren, schauen Sie einmal in die Schulen bzw. in die Kollegien. Weshalb hängt in fast jedem Lehrerzimmer einer beruflichen Schule die Unterschriftensammlung der GEW mit der Forderung, das Unterrichtsdefizit an den beruflichen Schulen zu beseitigen und ein Sonderprogramm für die beruflichen Schulen mit jeweils 300 neuen Stellen in den kommenden fünf Jahren auf den Weg zu bringen? Die Unterschriftenliste gebe ich gern an Ihre Fraktion weiter. Sie sollten sich daran beteiligen; denn dies ist sinnvoll und notwendig.
Weshalb beteiligen sich an den Schülerdemonstrationen auch massenhaft Berufsschüler mit der Forderung nach einer besseren Bildungspolitik des Landes? Weshalb demonstrierten bei der vergangenen Landtagssitzung die Schüler der Landes- und Bezirksfachklassen gegen die Kürzung der Zuschüsse für die Jugendheime und möchten dem Kultusminister morgen 1 000 Protestunterschriften übergeben? Ich weiß nicht, ob Sie, Herr Rau, sich die Zeit nehmen werden, um auch anwesend zu sein.
Warum ist das alles so? Es ist so, weil Sonntagsreden eben nicht weiterhelfen und die Landesregierung sich diese grundsätzliche Kritik und diesen Protest ehrlich verdient hat.
Ich fasse das noch einmal zusammen und stelle fest: Die beruflichen Schulen in unserem Land müssen unter schwierigen Voraussetzungen einem anspruchsvollen Bildungsauftrag gerecht werden. Die Lehrerinnen und Lehrer wollen, auch wenn es ihnen nicht immer leicht gemacht wird, die Schüler zu erfolgreichen Abschlüssen führen. Dazu sind die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen.
Sie kennen das aus unserem Antrag zum Thema „Unterrichtsausfall an den beruflichen Schulen in Baden-Württemberg“, der auch auf der heutigen Tagesordnung steht. Da bleibt Ihnen unsere Feststellung nicht erspart, dass das strukturelle Unterrichtsdefizit ausweislich der Zahlen des Ministeriums bei 4,6 % liegt, dass 4,5 % des Unterrichts krankheitsbedingt ausfallen und dass 3,1 % des Unterrichts durch Vertretungen abgedeckt werden müssen. Das heißt, jede achte Stunde in den beruflichen Schulen wird entweder vertreten oder fällt aus.
Dabei handelt es sich um ein Volumen von etwa 2 000 Deputaten. Das sollten Sie sich vor Augen führen.
Frau Krueger, das sollten Sie hier ansprechen. Das erwarten wir aber auch von der Regierung.
Wir sehen Handlungsbedarf in vielen Bereichen; ich habe es bereits gesagt. Es muss um die Reduzierung des strukturellen Unterrichtsausfalls gehen, es muss auch um den Abbau der Bugwelle an Mehrarbeit, die geleistet wird, gehen, und es muss um den Aufbau einer echten Lehrerreserve gehen, damit wir dieses Problem angehen.
Ich weise noch darauf hin, dass es auch bei der Zuweisung der Lehrerstellen nicht gerecht zugeht. Wir verteilen die Lehrerstellen nach Schülerzahlen und nicht nach den Stunden, die damit verbunden sind. Es ist offensichtlich, dass im Teilzeitunterricht weniger Stunden angeboten werden müssen als im Vollzeitunterricht.
Deshalb wäre es auch gerecht,
dort die Deputate nach den tatsächlich erforderlichen Stunden zuzuweisen.
Was wir wollen, ist „Kein Abschluss ohne Anschluss“. Das steht oft nur auf dem Papier. Wir haben an den beruflichen Schulen einen erheblichen Numerus clausus.
Allein an den beruflichen Gymnasien mussten im vergangenen Jahr 10 000 Schüler abgewiesen werden,
weil es an den Schulen nicht genügend Plätze gab.
Das sind die Probleme, die anstehen. Wir werden uns damit in der zweiten Runde vielleicht noch etwas detaillierter auseinandersetzen, wenn wir die Antwort des Ministers gehört haben.
Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich höre, was meine Vorredner gesagt haben, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren:
Sie stehen vor einem wunderschönen Fahrzeug, bewundern, was es da alles an Einrichtungen gibt, aber Sie nehmen nur zum Teil zur Kenntnis, dass der Tank nicht voll ist, man den Treibstoff aber braucht, um das Fahrzeug auch zu bewegen.
Sie versorgen die beruflichen Schulen mit weniger als 100 %. Als Zielwert haben Sie nicht die 100-prozentige Lehrerversorgung angedacht, sondern Sie liegen schon bei den eigenen Ansprüchen nur bei 95 %.
Angesichts der Herausforderung, dass wir diese Schulen weiterentwickeln wollen, ist das einfach falsch.
Wir begrüßen ausdrücklich – das sage ich dazu – die Konzepte „Operativ Eigenständige Schule“ und „Stärkung der Eigenständigkeit beruflicher Schulen“, die man mit den Begriffen OES und STEBS in Verbindung bringt. Aber, Herr Minister – da darf ich Sie direkt ansprechen –: Sie können nicht erwarten, dass die Arbeit, die damit verbunden ist, diese enorme Arbeit der Qualitätssicherung und der Qualitätsweiterentwicklung, von den Kolleginnen und Kollegen an den Schulen in freiwilliger Mehrarbeit gemacht wird.
Da können Sie überall hingehen; jeder wird Ihnen da bestätigen, dass das, was an Arbeitszeit notwendig ist, um das wirklich voranzutreiben, nicht durch das abgedeckt ist, was Sie für Entlastungsstunden ansetzen. Da sind an jeder Schule mehr Stunden notwendig als das, was im Moment zur Verfügung steht.
Sicher, Schulen sind flexibel, und sie haben die Verbindung zur Praxis. Sie sind auch innovativ in der Weiterentwicklung – insbesondere auch private Schulen; betrachten wir nur die Entwicklung der sozialwissenschaftlichen Gymnasien. Es gab zwei solcher Schulen in öffentlicher Trägerschaft, aber gleichzeitig waren schon 22 private Gymnasien auf dem Markt. Die öffentlichen Schulen haben hier nachziehen müssen. Es gibt im Moment auch Vorschläge der Wirtschaftsgymnasien, innovativ in den Bereich der Informationstechnik hineinzugehen. Wirtschaftsgymnasien in Karlsruhe, Friedrichshafen, Offenburg und anderswo wollen ein eigenständiges Profil „Informatik und Wirtschaft“ einführen. Herr Minister, behindern Sie diese Schulen nicht, sondern unterstützen Sie sie entsprechend. Ich halte das für einen sehr innovativen Gedanken.
Lassen Sie nicht zu, dass private Anbieter und private Schulen hier wieder den Vorreiter spielen.
Das wäre nicht unsere Politik. Das ist nicht unser Verständnis von öffentlichen Schulen.
Wir müssen davon ausgehen, dass die beruflichen Schulen noch vor weiteren zusätzlichen Herausforderungen stehen. Wir brauchen beispielsweise mehr Ganztagsschulen. Schulsozialarbeit muss in diesem Bereich ebenfalls stattfinden. Sie ist insbesondere notwendig, wenn es um das BVJ, das BEJ und die Fragen des Übergangs von der Schule in den Beruf geht. Dort finden Sie alle Probleme, die sich in unserer Gesellschaft im Umfeld der Schulen ergeben. Das können Sie nur abfangen, wenn es mehr finanzielle Mittel für Ganztagsschulen gibt, wenn die Schulsozialarbeit erheblich ausgebaut wird.
Wir haben darauf hingewiesen: Es sind nicht nur die beruflichen Gymnasien – da hat Frau Krueger recht –, die hier eine wichtige Rolle spielen, sondern es sind auch die anderen Schularten. Ich will darauf hinweisen, dass es uns auch um Folgendes geht: Wenn wir die beruflichen Schulen zu Kompetenzzentren weiterentwickeln wollen, dann sollten wir eine faire Anrechnung der erworbenen Qualifikationen für einen weiteren beruflichen Weg ermöglichen. Es ist im Moment in vielen Bereichen eben nicht der Fall, dass die Qualifikationen, die an den Berufsfachschulen, an den Berufskollegs erworben werden, in ausreichendem Maß auch bei einer dualen Ausbildung angerechnet werden.
Letztendlich sei noch darauf hingewiesen – das betrifft jetzt die Personalpolitik –, dass wir eine leistungsgerechte Bezahlung und auch adäquate Aufstiegsmöglichkeiten für die Lehrkräfte, insbesondere bei den technischen Lehrern, fordern. Wir hatten im Schulausschuss schon oft darüber diskutiert. Hier ist die Situation für die Beteiligten eher frustrierend – das muss man sehr deutlich sagen –: niedrige Bezahlung, kaum Aufstiegsmöglichkeiten. Sie wissen das. Ich denke, da ist in erster Linie auch der Finanzminister gefordert.
Meine Damen und Herren, wir wollen diese beruflichen Schulen weiterentwickeln. Wir sehen die hervorragende Arbeit, die dort geleistet wird. Wir sehen aber auch die vielen Baustellen, an denen die Regierung noch einiges zu erledigen hat.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bezüglich der Beteiligung des Landes am Rettungspaket für die Galopprennbahn in Iffezheim frage ich die Landesregierung:
a) Wie beurteilt die Landesregierung das Konzept der Gemeinde Iffezheim zur Rettung der Galopprennbahn, nachdem sich auch das Land an den anstehenden Sanierungsmaßnahmen im Bereich der Rennanlage bzw. an der Ablösung von Schulden des Internationalen Clubs Baden-Baden e. V. beteiligen soll?
b) Kann die Landesregierung eine mündliche Zusage des derzeitigen Ministerpräsidenten bestätigen und gegebenenfalls auch weiterhin aufrechterhalten, nach der sich das Land an einem Rettungspaket für die Galopprennbahn in Iffezheim finanziell beteiligen wird, wobei presseöffentlich 1,2 Millionen € im Raum stehen?
Herr Staatssekretär, ich teile das Lob, das Sie über die Rennbahn ausgesprochen haben, und freue mich darüber. Allerdings will ich Sie darauf hinweisen – das ist auch meine Frage –, dass die Gläubigerversammlung, wie Sie wissen, bereits am 15. Dezember stattfindet und es insofern aus meiner Sicht wichtig ist, dass das Konzept, das der Gläubigerversammlung vorgelegt werden soll, auch beinhaltet, dass sich das Land angemessen beteiligt. Insofern kann ich Ihre Aussage nicht verstehen, dass Sie erst nach der Gläubigerversammlung eine Prüfung dieses Konzepts vornehmen wollen.
Herr Staatssekretär, wie ich vorhin schon gesagt habe, teile ich die Einschätzung nicht, man müsse zunächst die Gläubigerversammlung abwarten. Denn das Ergebnis der Gläubigerversammlung wird natürlich auch davon abhängen, wie sich das Land hier positioniert.
Darf ich Ihre Aussage, Sie prüften die Angelegenheit wohlwollend, zumindest aber so verstehen, dass es eine grundsätzliche Bereitschaft des Landes gibt, sich an den anstehenden Sanierungsmaßnahmen zu beteiligen? Sie wissen sicher genauso gut wie ich, dass eine Gemeinde, auch wenn sie schuldenfrei ist, dies nicht allein schultern kann.
Herr Kollege Kluck, mich wundert insbesondere, dass Sie dieses Wahlsystem als fair bezeichnen, wo es doch durch die Form der Zweitausteilung die kleineren Parteien extrem benachteiligt.
Durch die doppelte Anwendung des d’hondtschen Verfahrens sind insbesondere die kleinen Parteien bei der Stimmauszählung benachteiligt. Wenn ich richtig gerechnet habe, hätte es der von Ihnen wohl sehr geschätzte Herr Drautz womöglich in den Landtag geschafft, wenn man die Abgeordnetenzahlen landesweit nach d’Hondt ermittelt hätte.
Insofern muss ich mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen, dass Sie dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht widersprochen haben.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In dieser Krise zeigt sich schlagartig, welche Defizite wir in der Berufsbildung haben, und dies nicht erst seit heute, sondern schon seit Jahren. 50 % der Bewerber um einen Ausbildungsplatz, die bei der Agentur für Arbeit gemeldet sind, kommen nicht in eine duale Ausbildung, sondern befinden sich in Übergangssystemen, in sogenannten Warteschleifen.
Das durchschnittliche Alter beim Eintritt in die duale Ausbildung liegt in Baden-Württemberg mittlerweile nicht mehr bei 16 oder 17 Jahren, sondern bei fast 19 Jahren.
Die Kapazität der beruflichen Schulen reicht bei Weitem nicht aus, um das bereitzustellen, was wir zur Deckung des Bedarfs benötigen, um den Fachkräftemangel zu beseitigen und um den Fachkräftenachwuchs zu sichern. Insofern ist eine Verantwortung des Landes gegeben.
Was ich jetzt herausgehört habe, Frau Krueger, war im Tenor: „Eigentlich sind wir nicht zuständig. Es gibt ja den Bund, dann gibt es die Agentur, dann gibt es die Arbeitgeber.“