Protokoll der Sitzung vom 25.11.2009

Wir haben mit dem Konzept „Operativ Eigenständige Schule“ in den letzten zehn Jahren dafür gesorgt, dass die beruflichen Schulen in der Lage sind, sich regelmäßig den neuen Herausforderungen zu stellen, und wir bieten den Lehrerinnen und Lehrern der beruflichen Schulen so viel Fortbildung an, dass jede Lehrerin, jeder Lehrer jedes Jahr an einer Fortbildung teilnehmen kann, wenn es erforderlich ist.

Bei 20 000 Lehrerinnen und Lehrern, die wir insgesamt an den beruflichen Schulen haben, besuchen jährlich allein etwa 11 000 Lehrkräfte die Akademie in Esslingen; die anderen finden ihr Angebot in der regionalen Fortbildung.

Baden-Württemberg ist eine der Regionen in Europa mit der niedrigsten Jugendarbeitslosigkeit. Das hat auch mit dem Angebot der beruflichen Bildung und den beruflichen Schulen zu tun.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Die Leistungen, die in diesem Land in der beruflichen Bildung erbracht werden, schlagen sich regelmäßig auch darin nieder, dass wir seit der Einführung des Bildungsmonitors des Instituts der deutschen Wirtschaft im Bereich der beruflichen Bildung auf Platz 1 liegen. Es gab kein Jahr, in dem wir mit der beruflichen Bildung in Deutschland nicht auf Platz 1 lagen. Auch das ist eine Anerkennung der Gesamtleistung.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wir haben in den beruflichen Schulen neben der Ausbildung in den Berufen auch die Möglichkeit des Aufstiegs durch Bil

dung. Auch hier sind wir erfolgreicher als alle anderen 15 Bundesländer. Wir haben den höchsten Anteil derjenigen, die ihre Studienberechtigung in den beruflichen Schulen erwerben. 50 %, die Hälfte aller Studienberechtigungen werden in den beruflichen Schulen erworben. Dabei ist besonders wichtig, dass Schülerinnen und Schüler aus bildungsfernen Schichten dort Chancen wahrnehmen, die sie in den allgemeinen Schulen so noch nicht wahrnehmen – was ich bedaure.

Wir haben einen wesentlich höheren Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Migrationsgeschichte, die dort eine Hochschulreife, eine Fachhochschulreife oder einen mittleren Bildungsabschluss erwerben. Ich glaube, dass dieses Korrektiv im Gesamtkonzept der Bildungsangebote in unserem Land deswegen eine wichtige Rolle spielt.

(Beifall der Abg. Dr. Birgit Arnold FDP/DVP)

Wir kümmern uns auf der anderen Seite um die Berufsvorbereitung bei leistungsschwächeren Schülerinnen und Schülern. Das geht über die hier schon genannten Angebote, die sehr stark ausdifferenziert werden mussten, weil die Problemlagen so unterschiedlich sind, bis hin zum Konzept der Jugendberufshelfer und der individuellen Lernbegleiter, die gerade Jugendlichen mit einem hohen Unterstützungsbedarf entgegenkommen.

Wir haben die Zahl der Plätze in den beruflichen Bildungsgängen, die zu einer Studienberechtigung führen – an den Berufskollegs und den beruflichen Gymnasien –, in diesem Jahrzehnt entscheidend ausgebaut. Wir haben in diesem Jahrzehnt in den Berufskollegs 43 % mehr Plätze geschaffen. Wir haben in diesem Jahrzehnt in den beruflichen Gymnasien 31 % mehr Plätze geschaffen. Wir sind mitten in einem dynamischen Ausbau, mit dem wir dem Bedarf entsprechen.

(Zuruf von der SPD: Wenig!)

Klar, für die Opposition ist alles zu wenig. Das ist der einfachste Zwischenruf, den man sich ausdenken kann.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Der Kollege hat nur von Pflichtaufgaben geredet!)

Wir haben deshalb auch die Unterrichtsversorgung in den beruflichen Schulen sehr flexibel ausbauen müssen. Weil sich im Verlauf des letzten Jahres durch die Wirtschafts- und Finanzkrise beispielsweise eine starke Verlagerung auf vollzeitschulische Nachfragen ergeben hat, haben wir nachgesteuert.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Aber Flexibilität kann doch nicht bedeuten, dass in der Klasse meines Soh nes der Englischunterricht komplett ausfällt!)

Herr Gall, darf ich Ihnen einfach geschwind die Fakten nennen? Das ist am besten für Sie. Aber ich weiß: Mit Fakten haben Sie meist ein Problem, wenn sie Ihren Vorurteilen nicht entsprechen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Aber was ich sage, ist auch Fakt: Fakt ist, dass Englisch komplett ausfällt! Das sind auch Fakten!)

Jetzt sage ich Ihnen: Wir hatten für dieses Jahr bezüglich der beruflichen Schulen eine Prognose, die durch die Wirtschaftskrise über den Haufen geworfen wurde, und wir waren flexi

bel genug, insgesamt 470 Stellen mehr, als in der ursprünglichen Planung vorgesehen waren, in die beruflichen Schulen zu bringen. Das ist eine große Leistung gewesen. Zudem haben wir uns schon jetzt festgelegt, im nächsten Jahr auf jeden Fall 800 Stellen in den beruflichen Schulen zu besetzen, und das bei nur 600 frei werdenden Stellen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das heißt, mit den Lehrerzahlen geht es weiter aufwärts, obwohl die Schülerzahlen dort nicht mehr steigen. Die berufliche Bildung und die beruflichen Schulen sind uns viel wert. Sie werden durch die Enquetekommission noch stärker in den Mittelpunkt auch der öffentlichen Debatte rücken. Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen wissen, was sie an den beruflichen Schulen dieses Landes und an den Lehrerinnen und Lehrern, die dort arbeiten, haben. Ich glaube, dass die Enquetekommission die Chance bietet, den Stellenwert der beruflichen Schulen auch in der Öffentlichkeit noch deutlicher zu machen. Diese Schulen haben es verdient.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Krue ger.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Es ist doch schon alles gesagt!)

Sehr geehrter Herr Präsident, lieber Kollege Kaufmann! Der Kultusminister hat gerade schon die Flexibilität der beruflichen Schulen angesprochen und erläutert, wie sie auf die sehr schnell wechselnden Anforderungen reagieren. Deshalb, mit Verlaub: Die „widrigen Umstände“, die Sie vorhin angesprochen haben, kann ich in den beruflichen Schulen – ich habe in meinem Wahlkreis von jeder Sorte reichlich hiervon; zu guten Teilen sind das auch die größten Schulen, die es von diesem Schultyp in Baden-Würt temberg gibt – bislang wahrhaftig nicht feststellen. Ich glaube, selbst die Lehrer, die Sie angesprochen haben, würden sich bei dieser Formulierung in ihrer Schule so nicht wiederfinden.

(Abg. Gunter Kaufmann SPD: Gehen Sie einmal in die Lehrerzimmer!)

Dass die GEW Unterschriftenlisten an das Schwarze Brett hängt, mag ihr zugestanden sein. Das ist nichts, worüber wir uns an dieser Stelle längere Zeit unterhalten müssten.

(Abg. Gunter Kaufmann SPD: Das stört Sie nicht!)

Sie haben sehr viel über Lehrer geredet,

(Abg. Gunter Kaufmann SPD: Ohne Lehrer funktio- niert Schule nicht!)

aber ich will einmal sagen: Bei aller Hochachtung, die wir vor Lehrern – ohne sie funktioniert es nicht; das ist absolut richtig –, gerade in den beruflichen Schulen, haben, ist natürlich auch klar: Das, worum es in allen Schulen geht, sind zunächst einmal die Kinder und die Jugendlichen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Natürlich!)

Deswegen sind diese jungen Menschen unser Ansatz, und die Frage ist: Welchen Weg können wir ihnen eröffnen, damit sie eine gelingende Bildungskarriere absolvieren und hinterher auch ein gutes und befriedigendes Leben führen können?

Da muss ich schon sagen: Berufliche Gymnasien brauchen wir natürlich. Ich habe vorhin geschildert – auch der Kultusminister hat es getan –, wie erfolgreich gerade die beruflichen Gymnasien sind. Aber sie sind natürlich nicht der Nabel der Welt. Auch das muss man einmal sagen. Nicht alle Menschen sind in der Lage – sie wollen dies oft auch nicht –, über das Abitur und ein Studium einen Beruf zu erlernen, sondern es gibt natürlich auch sehr viele, die andere Wege gehen. Diese anderen Wege sind keineswegs geringer zu achten. Auch dies muss, glaube ich, sehr deutlich gesagt werden.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Deshalb hat mir bei der Debatte über die beruflichen Gymnasien, sosehr ich das Thema Übergänge des Herrn Lehmann schätze – ich halte das ebenfalls für ein wichtiges Thema –,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Der versteht auch etwas davon!)

Folgendes nicht gefallen: Es klang wiederum durch: Alle Kinder und alle Jugendlichen müssen ins Gymnasium, müssen ins Studium, und das im Vorfeld am besten auch noch über eine Schulform, die Ihnen dann sympathischer wäre, nämlich über eine Einheitsschule. Aber das wollen natürlich auch die Eltern nicht. Das Beispiel Hamburg zeigt es gerade. Die dortige Schulsenatorin hat, glaube ich, sehr stark mit Eltern und Schülern zu kämpfen, die nun tatsächlich – anders als die von Ihnen vorhin geschilderten „Massen“ – auf der Straße sind und demonstrieren. Selbst in der SPD und bei deren Anhängern finden sich nicht sehr viele Befürworter eines solchen Schulsystems. Insofern werden wir an unserem Kurs festhalten.

Ich glaube aber, neben dem Thema Übergänge, das wir selbstverständlich in der Enquete aufgreifen werden – darauf haben wir uns verständigt –, ist ebenfalls wichtig, dass diese beruflichen Schulen in der Diskussion, in der Öffentlichkeit nach wie vor unzureichend wahrgenommen werden, dass sie deshalb auch oft unterschätzt werden und dass manch einer auch nicht den Weg findet, der ihm im Grundsatz eigentlich offenstehen würde. Ich glaube, auch dies ist etwas, was wir durch die Arbeit der Enquete ändern wollen, um so unser berufliches Schulsystem weiterzuentwickeln und weiter voranzubringen.

Aber, lieber Kollege Lehmann,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Der ist wirklich lieb! Den mag ich!)

die Überschrift der heutigen Debatte war natürlich alles andere als nur eine Zielformulierung; vielmehr war sie die zutreffende Beschreibung des Istzustands.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kaufmann.

Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich höre, was meine Vorredner gesagt haben, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren:

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Da schmeckt dir das Mittagessen nicht mehr!)

Sie stehen vor einem wunderschönen Fahrzeug, bewundern, was es da alles an Einrichtungen gibt, aber Sie nehmen nur zum Teil zur Kenntnis, dass der Tank nicht voll ist, man den Treibstoff aber braucht, um das Fahrzeug auch zu bewegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Karl-Wil- helm Röhm CDU: Wir fahren Autos, die nicht viel Sprit brauchen, Herr Kollege!)