Das ist sicherlich eine Charakterisierung, für die wir viele Beispiele kennen, die aber auf der anderen Seite auch die gestiegenen Anforderungen, die das Berufsleben heute mit sich bringt, beschreibt.
Jetzt müssen wir aus dem Ganzen Konsequenzen ziehen. Was fangen wir jetzt mit all den Daten an, die es zu diesem Thema gibt? Man kann natürlich so oder so darüber diskutieren. Ich glaube aber, wir müssen hier schon eine breite Diskussion über Maßnahmen oder über Stellschrauben führen.
Wenn wir feststellen, dass Grundqualifikationen, die man für das Berufsleben einfach braucht, wie sich vernünftig schriftlich ausdrücken, ein bisschen kopfrechnen oder ein bisschen schreiben können, fehlen,
dann ist dies sicherlich auf Defizite in den Schulen, aber auch auf Defizite im Elternhaus zurückzuführen. Vor diesem Hintergrund ist es ganz wichtig – Sie haben in Ihrer Stellungnahme auch geschrieben, der Orientierungsplan sei ein wichtiger Baustein; das sehe ich auch so; das gilt vor allem mit Blick
auf die Kinder, die einen Migrationshintergrund haben –, dass der Orientierungsplan hier wirklich verbindlich eingeführt wird.
Dann werden wir auch zu einer besseren Ausbildungsreife bei den Kindern und den Jugendlichen kommen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist ja jetzt klar geworden: Nicht nur der Ministerpräsident bemängelt die fehlende Ausbildungsreife. Er ist damit durchaus in guter Gesellschaft.
Man kann auch quer durch die Zeitungen gehen: Die „Handwerkszeitung“ schreibt, rund ein Viertel der Schüler verließen die allgemeinbildenden Schulen ohne ausreichende Ausbildungsreife, der „Tagesspiegel“ sprach sogar von 50 %; auch die FAZ befürchtet einen Mangel an qualifizierten Auszubildenden. Vor mir liegt eine Mitteilung vom Kuratorium der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung, dem Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen und dem Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen, in der ebenfalls deutlich festgestellt wird:
Eine erfolgreiche Ausbildung in einem der rund 350 Ausbildungsberufe setzt … eine entsprechende Ausbildungsreife voraus.
Auch dort wird zunächst auf den Prozentsatz der Jugendlichen hingewiesen, die ganz ohne Schulabschluss abgehen. Aber das ist in der Tat nicht die Frage, sondern die Frage ist: Bringen die jungen Leute das mit, was sie brauchen?
Herr Lehmann, Sie sagen, wie intensiv über das Thema gesprochen werde, hänge davon ab, wie viele Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen. Das ist aber nicht zutreffend.
Ich bin relativ viel in mittelständischen Betrieben unterwegs, und da höre ich sehr oft: „Ich würde wirklich gern ausbilden, könnte auch Leute brauchen, aber bei denen, die zu mir kommen und sich bewerben, hätte ich viel zu viel zu tun; da könnte ich mich nicht mehr um meinen Betrieb kümmern, wenn ich die erst auf den richtigen Stand bringen wollte.“
Frau Kollegin Berroth, Sie sagten gerade, es gehe nicht um die Frage des Angebots. Ist es aber nicht so, dass die Tatsache, dass jeder vierte Abiturient eine Lehre macht, dazu führt, dass jede fünfte Lehrstelle von einem Abiturienten besetzt wird? Wie haben denn die 20 % der jungen Menschen, die ihre Schulausbildung mit dem Hauptschulabschluss beenden – in den Achtzigerjahren betrug deren Quote noch 80 % –, eine Chance, eine Lehrstelle zu bekommen? Es ist sehr wohl eine Frage des Angebots.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Genau! – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/ DVP: Keine Ahnung!)
Ich kann Ihnen sagen: Ich habe nach dem Abitur selbst eine kaufmännische Lehre gemacht; aber die war in einer Art konzipiert, wie sie ein Hauptschulabgänger nicht hätte machen können. Das war nämlich eine stark verkürzte Ausbildung. Nichtsdestotrotz war damals diese duale Ausbildung für mich eminent wichtig, und ich profitiere bis heute davon. Das heißt aber nicht, dass die einen den anderen etwas wegnähmen und man jetzt eine Neiddebatte führen müsste.
Es müssen vielmehr für beide Schülergruppen entsprechende Möglichkeiten da sein. Es gibt übrigens auch Abiturienten, die nicht ausbildungsreif sind; das sollte man auch einmal ergänzend sagen.
Aber noch einmal zum Thema: Worum geht es bei der Ausbildungsreife? Bemängelt werden schlechte Kenntnisse in Rechtschreibung und Grammatik sowie eine Verschlechterung der Rechenfähigkeit. Ich betone bewusst: der Rechenfähigkeit. Ich glaube, ein Angelpunkt war, dass man in unseren Grundschulen das Rechnen durch die Mathematik ersetzt hat,
als man plötzlich gemeint hat, schon da müsse man alles hoch wissenschaftlich machen, statt einmal kindgerecht vorzugehen und zu sagen: Jetzt lernen wir rechnen, und mit Mathematik beschäftigt ihr euch später. Natürlich ist das aus wissenschaftlicher Sicht dasselbe.
(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Frag doch einmal den Winkler, wie viel 23 minus zwei ist! – Gegenruf des Abg. Karl Zimmermann CDU: Er weiß, was das ist! Das ist das Wahlergebnis der SPD! – Gegenruf des Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Das ist aber optimis tisch!)
Der andere Punkt wurde auch schon angesprochen, nämlich das Thema Disziplin, das Thema Belastbarkeit und das Thema Leistungsbereitschaft. Da ist nun in der Tat die Frage: Wer ist dafür verantwortlich, so etwas bei jungen Menschen zu entwickeln? Da werden immer die Eltern angesprochen, und die Eltern werden da auch immer ein bisschen vorgeführt.
und wer sich erinnert, bei welchem Lehrer er etwas gelernt hat und bei wem das nicht möglich war, der weiß, was auch jeder merkt, der sich heute Schulen anschaut: Es gibt Lehrer, bei denen die meisten Klassen gut geführt sind und bei denen sie sich ordentlich benehmen, und es gibt andere Lehrer, bei denen dies nicht gelingt. Das nur dem Elternhaus zuzuschieben ist einfach zu kurz gesprungen. Die gesamte Gesellschaft ist verantwortlich. An dieser Stelle wird ja immer das berühmte afrikanische Sprichwort zitiert, dass man ein ganzes Dorf brauche, um ein Kind zu erziehen.
Aber ich muss noch eines dazusagen – das ist mir wirklich wichtig –: Es ist vieles auf dem Weg, um die Situation zu verbessern. Ich habe mich gefreut, als beim CDU-Parteitag Generalsekretär Strobl verkündet hat, dass künftig jedes Kind, wenn es in die Schule kommt, Deutsch kann. Ich habe nur eines vermisst, nämlich dass er sich bei der FDP/DVP bedankt, dass sie dies durchgesetzt hat.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Jawohl! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Vielleicht wusste er das nicht! – Glocke der Präsiden- tin)
Wir müssen darauf achten – ich komme zum Schluss –, dass wir Kenntnisse kindgerecht und altersgerecht vermitteln. Denn wenn wir erst nach der Hauptschule damit anfangen, Nachschulungen zu machen, ist gerade, was das Verhalten angeht, vieles nicht mehr nachzuholen.
Unser Ziel muss sein, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Wir müssen jungen Menschen die Fähigkeit geben, ein gelungenes Leben zu führen und den Lebensunterhalt selbst zu verdienen.