Protokoll der Sitzung vom 27.07.2006

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion GRÜNE erhält Herr Abg. Walter das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine beiden Vorredner haben schon darauf hingewiesen: Das Medium Fernsehen steht vor einschneidenden Veränderungen, wahrscheinlich den einschneidendsten Veränderungen, die es jemals gab. Es steht eine technologische Revolution ins Haus. Die Digitalisierung des Fernsehens und des Rundfunks wird Veränderungen bringen, deren ganze Dimension wir heute wahrscheinlich noch gar nicht abschätzen können. Deshalb ist es richtig, dass jetzt eine neue Fernsehrichtlinie auf den Weg gebracht wird, weil sich die alte Richtlinie aus dem Jahr 1989 letztendlich auf ein ganz anderes Medium, nämlich das analoge Fernsehen, bezieht.

Zukünftig wird es völlig neue Plattformen geben. Das Fernsehen-on-Demand, wie es auf Neudeutsch so schön heißt, wird eine Rolle spielen, wie es sie seither noch nicht gegeben hat. Es wird schwieriger werden, Einfluss darauf zu nehmen. Auch die neue Fernsehrichtlinie wird nicht verhindern, dass Sendungen via Internet und via Handy gesendet und empfangen werden können, für deren Inhalte es kaum noch eine Kontrolle geben wird. Wird plötzlich von einem ganz anderen Land Werbung eingespielt? Wo werden die Sendungen gekauft? Wo werden die Filme heruntergeladen? Daraus entstehen Schwierigkeiten. Man kann sich mit

der neuen Technologie weltweit Formate einkaufen. Da wird auch eine europäische Richtlinie nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

Trotzdem müssen wir diese Richtlinie machen, weil wir darlegen müssen, dass wir einerseits einen aktiven Jugendund Verbraucherschutz haben wollen und gleichzeitig wollen – das hat ja auch schon die vorherige Debatte gezeigt –, dass Fernsehen nicht nur eine Ware ist, wie es die EUKommissarin Reding gern hätte, sondern auch ein Kulturgut ist, das es zu schützen gilt. Wir wollen, dass die Vielfalt weiterhin erhalten bleibt, und deswegen ist es gut, dass diese Richtlinie kommt.

Allerdings – auch darauf wurde schon hingewiesen – gibt es Schwachpunkte, die aber vom Parlament oder von der Kommission selbst teilweise schon korrigiert sind. Es geht beispielsweise um die Sendezeit für Werbung. Es geht ja nicht nur um das Product-Placement, sondern auch darum, dass die derzeitige Beschränkung, wonach pro Stunde maximal 20 Minuten Werbung gesendet werden dürfen, ursprünglich völlig aufgehoben werden sollte. Das hätte natürlich dazu geführt, dass in einer attraktiven Sendung wie beispielsweise der Übertragung eines Fußballspiels möglicherweise dann, wenn das Spiel aufgrund eines Fouls unterbrochen ist, sofort Werbung gesendet wird. All diese Entwicklungen hätten Sie, wenn Sie die Werbung völlig freigeben würden. Dagegen gibt es Widerstand.

Außerdem brauchen wir eine klare Trennung: Was ist eigentlich Werbung, und was ist ein Bericht? Frau Kollegin Kipfer, Sie haben darauf hingewiesen, dass das auch eine Frage der journalistischen Sorgfalt und eine Frage der Glaubwürdigkeit der Journalistin und des Journalisten ist. Ich weiß aus Gesprächen mit Journalisten, dass man da große Gefahren für den eigenen Berufsstand sieht. Deswegen ist es gut, dass festgeschrieben werden soll, dass es diese Trennung weiterhin geben soll. Alles andere wäre für die Zuschauerinnen und Zuschauer einfach nicht mehr rezipierbar.

Seitens der privaten Industrie wurde schon der Vergleich mit Zeitschriften angestellt und erklärt, für diese gäbe es auch keine Beschränkungen, wie viel Werbung abgedruckt wird. Das ist aber ein völlig irriger Vergleich. Denn erstens wirkt Werbung im Fernsehen ganz anders. Laufende Bilder sind etwas anderes als eine abgedruckte Werbung, bei der man viel schneller weiterblättert. Zweitens ist die Grenze durch das Product-Placement derart verschwommen, dass sie teilweise nicht mehr wahrnehmbar ist. So etwas ist in Zeitschriften schwieriger möglich, auch wenn man in Zeitungen und Zeitschriften manchmal Artikel liest, bei denen man ziemlich stark den Eindruck hat, dass sie von irgendeiner PR-Agentur geschrieben und an die Redaktionen lanciert wurden. Das gibt es schon heute, aber wenn man etwas sorgfältig liest, kann man das sehr schnell feststellen.

Im Fernsehen kann man sich dem aber nicht entziehen. Denn man kann ja nicht bei bestimmten Sequenzen eines Films einfach wegschauen, weil man denkt, jetzt komme Product-Placement. Hier gilt es also, auf der Hut zu sein.

Die Richtlinie ist teilweise auch von falscher Seite in die Kritik geraten, indem man gesagt hat, es würde nicht genügend geschützt. Ich finde, das Gegenteil ist bei dem, was

jetzt aktuell vorliegt, der Fall. Man hat den deutschen Ansatz zum Vorbild gemacht. Das halte ich für eine positive Entwicklung.

Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas anderes Positives sagen – Herr Minister, Sie haben darauf hingewiesen, dass Rundfunkstaatsverträge Regierungsgeschäft sind; wir können uns gern einmal bilateral darüber unterhalten, inwieweit eigentlich auch der Landtag eine Rolle spielen sollte; Sie sind ja nicht nur Minister, sondern auch Abgeordneter –: Das Positive daran ist, dass wir bezüglich dieser Fernsehrichtlinie direkt mit Brüssel verhandeln können und direkt unsere Vorschläge einbringen können. Das gilt es auszunutzen. Deswegen begrüße ich es, dass wir heute hier im Landtag über diese Fernsehrichtlinie diskutiert haben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Herrn Abg. Bachmann das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei dieser Debatte über die Novellierung der Fernsehrichtlinie der EU darf man eines nicht vergessen: Am Anfang ist der Knopf.

(Der Redner hält eine Fernbedienung hoch.)

Zu Anschauungszwecken habe ich Ihnen hier eine Fernbedienung mitgebracht.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Die ist aber groß! – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Kann man damit auch Ihre Rede wegzappen?)

Hier sehen Sie die Knöpfe, die dem Zuschauer die Macht über das Sehen, Nicht-Sehen oder Etwas-anderes-Sehen verleihen. Auch wenn es manchen nicht passt: Man wird dem Zuschauer mit Rechtsnormen nicht die Freiheit nehmen können, zu sehen, was ihm gefällt, oder eben nicht zu sehen, was ihm nicht gefällt.

Liza Minnelli hat es einmal zutreffend auf den Punkt gebracht: „Über die angeblichen Gefahren des Fernsehens kann ich nur lachen. Ein Knopfdruck genügt, und die Gefahr ist vorüber.“

(Vereinzelt Beifall)

Gestatten Sie mir, dass ich einige der umstrittenen Punkte unter diesem liberalen Aspekt noch einmal beleuchte.

Thema 1: Werbebeschränkungen. Die Mitteilung der Landesregierung bringt es auf den Punkt: Die Deregulierung ist in dem Entwurf der Änderungsrichtlinie unzureichend erfolgt. Es wird Sie nicht verwundern, dass wir die Forderung nach einer Streichung der quantitativen Vorgaben unterstützen. Jedem Zuschauer ist es heutzutage unbenommen, Filme im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ohne oder im Privatfernsehen mit Werbung zu sehen.

Immer mehr Zuschauer haben mittels DVD, Video-on-Demand oder anderer Techniken jederzeit die Möglichkeit, Filme werbefrei anzuschauen. Müssen wir also heute immer noch versuchen, die Menschen vor sich selbst zu schützen?

Wer gern Werbung sieht, dem wollen wir als Liberale dies nicht verbieten. Ich freue mich besonders über die Zustimmung der Kollegin Kipfer, die ja auch gesagt hat, dass wir dies freigeben könnten.

Bette Davis hat zur Werbung, die ja auch nützlich sein kann, einmal Folgendes formuliert: „Fernsehen ist fabelhaft. Man bekommt nicht nur Kopfschmerzen davon, sondern erfährt auch gleich in der Werbung, welche Tabletten dagegen helfen.“

(Heiterkeit des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Thema 2: Schleichwerbung. Die von der EU vorgesehenen Lockerungen gehen den deutschen Ländern zu weit. Im Mittelpunkt des Interesses – Herr Kollege Walter hat es ja auch gesagt – stünden hier der Schutz des Verbrauchers und die Glaubwürdigkeit der Beiträge. Eine klare Trennung von Programm und Werbung müsse beibehalten werden. Ich frage Sie: Geht das überhaupt? Wenn zum Beispiel in einem Film ein Automobil mitspielt, ist das nicht automatisch Schleichwerbung?

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Es ist dafür bezahlt wor- den!)

In der Richtlinie heißt es klipp und klar, dass die Erwähnung der Marke eines Herstellers von Waren den Tatbestand der Schleichwerbung dann erfüllt, wenn sie absichtlich zu Werbezwecken erfolgt. Absichtlich ist es, wenn dafür bezahlt wird. Ich frage Sie: Ist ein offizielles Entgelt nicht viel ehrlicher, als es die Praktiken von Filmemachern sind, die vor nicht allzu langer Zeit durch die Medien gingen?

Wer Schleichwerbung verhindern will, Herr Kollege Walter, muss alle Krimis im Saarland drehen lassen; denn Max Palu fährt Fahrrad. Aber wollen wir wirklich alles dem Saarland überlassen?

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Thema 3: Programmquoten. Die Quoten für die Förderung der europäischen Produktion und Produzenten sollen in der Richtlinie beibehalten werden. Sie seien Instrumente zur Förderung der kulturellen Vielfalt in Europa. Auch aus Sicht der deutschen Länder besteht hier Nachbesserungsbedarf, und wir als Liberale sehen das genauso.

Kulturelle Vielfalt ist nicht durch Quoten zu erzwingen, sondern wird durch die Reaktion der Medienkonsumenten hergestellt. Die Bürgerinnen und Bürger bestimmen mit Hilfe der Knöpfe,

(Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

auf welchem Weg und in welchem Umfang sie sich Zugang zur kulturellen Vielfalt verschaffen wollen. Das Fernsehen hat die Welt zu einem elektronischen Dorf gemacht – so der Kommunikationswissenschaftler Herbert Marshall McLuhan. Niemand ist in Zeiten des Internets in der Lage, den Zuschauer zu zwingen, nur die Produkte seines eigenen Landes zu sehen und die Programme anderer Länder in einem globalen Dorf nicht zu kennen. Hier hilft nur eines: Die Sendungen aus heimischer Produktion müssen einfach besser sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der heutigen Medienwelt hat der Zuschauer die Freiheit, zu sehen, was ihm gefällt. Wir Liberale haben nichts gegen Freiheit und wollen auch niemanden zu seinem Glück zwingen. Nach unserer festen Überzeugung soll jeder Mensch nach seiner Fasson selig werden und auch fernsehen dürfen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Aber all jenen, die gern bestimmen würden, was andere mit ihrer Freizeit anfangen sollen, sei zum Trost ein Stoßseufzer von Heinz Erhardt mit auf den Weg gegeben:

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Haben Sie eigent- lich nur Zitate?)

Damit wir sehen, was wir hören, erfand Herr Braun die Braun’schen Röhren. Wir wär’n Herrn Braun noch mehr verbunden, hätt’ er was anderes erfunden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erhält Herr Minister Stächele das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind uns fast einig: Es gab, wenn ich es richtig gehört habe, nur an einer Stelle einen kleinen Dissens, nämlich, Herr Kollege Walter, hinsichtlich der quantitativen Werbebeschränkung. Nur das war der Punkt.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Und der Kollege von der FDP/DVP hat die Fernbedienung dabeige- habt! Das haben die anderen nicht!)

Die liegt bei mir daheim. Die kann ich nicht mitbringen;

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/ DVP: Sonst können Frau und Kinder nicht fernse- hen!)

es sei denn, ich müsste die aus dem Hotel mitbringen.

Es geht im Grunde also nur um diesen einen Punkt. Es kommt ja zum Ausdruck, was der Bundesrat im März einstimmig beschlossen hat.