Ich bin auch dankbar für die Gelegenheit, eines klarstellen zu können: Natürlich respektiere ich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und anderer Verfassungsgerichte. Ich habe nur die Frage gestellt, ob man sich in den bisherigen Genehmigungsverfahren vornehmlich oder ausschließlich auf Angaben der betroffenen Organisationen gestützt hat oder ob auch einmal versucht wurde, Kontakt zu betroffenen Aussteigern aufzunehmen. Das ist der Stand der Dinge nach der letzten Kabinettssitzung. Ich halte es nach wie vor für klar, dass man sich einerseits an rechtliche Bestimmungen zu halten hat, dass man sich aber andererseits auch mit Betroffenen in Verbindung setzen sollte.
Wenn es ein bestimmtes Klagerisiko gibt – das möchte ich als Zweites sagen –, dann würde ich sicher zu denen gehören, die ein gewisses Klagerisiko auch eingehen würden, weil ich es bedenklich fände, wenn diese Anerkennung stattfinden würde. In der Tat bin ich nämlich der Meinung, dass ein solches Beispiel Schule machen könnte. Im Übrigen würde es am Schluss auch ganz übel auf die Kirchen zurückfallen – das sage ich nur einmal am Rande –, wenn dann fünf, sechs Organisationen hinterherkommen und wir dann die Rechte der Kirchen einschränken müssen, weil wir am Ende den anderen die ganzen Befugnisse nicht geben wollen.
Das würde mich also dazu bringen, es selbst bei einem bestimmten Risiko zu machen. Aber vorrangig ist für mich die Frage zu klären, wie man noch weitere Informationen gewinnen kann, um dann zum Schluss im Kabinett eine sicherlich einvernehmliche Entscheidung zu treffen.
Ich hätte gern schon einmal konkret gewusst, welche Schritte die Landesregierung jetzt anstellt, um z. B. mit den betroffenen Gruppen zu sprechen, weil da die Informationen herkommen können. Das hätte ich auch
Wir hatten das Thema mittlerweile, wenn ich mich richtig erinnere, zweimal im Kabinett, das letzte Mal in einer Sitzung, deren Datum ich nicht mehr weiß. Da wurde über den Stand der Dinge und der Diskussion berichtet.
Ich kann dazu nur sagen, dass ich vorgeschlagen habe, dass man in gewisser Weise das vorhandene Material, das wir von Aussteigern haben, auf jeden Fall sichtet und dass ich bei der nächsten Gelegenheit, wenn das Thema wieder auf der Tagesordnung steht, den Vorschlag machen werde, mit diesen Personen in Kontakt zu treten, um sich weitere Informationen zu verschaffen.
Mehr kann ich im Moment nicht sagen, weil das Thema nicht in der letzten Sitzung besprochen wurde. Ich weiß nicht, ob es auf die Tagesordnung der kommenden Sitzung kommt. Da Sie mich fragen, kann ich Ihnen nur sagen, was ich vorschlagen werde.
Herr Minister, Sie haben das Stichwort Klagerisiko angeführt. Deshalb interessiert mich ein spezieller juristischer Teilaspekt. Es gibt eine Erstanerkennung in einem anderen Bundesland. Wir müssen uns jetzt über die Frage einer Zweitanerkennung in anderen Bundesländern unterhalten. Wie schätzen Sie juristisch – als Justizminister – die Möglichkeit ein, dass in einem eventuellen Klageverfahren die Gerichte zu dem Schluss kommen könnten, die Frage nach der Zweitanerkennung in künftigen Fällen sehr rigide zu bewerten, also keinen Handlungsspielraum, wie wir ihn jetzt zur Prüfung nutzen, wie wir ihn jetzt praktizieren, mehr anerkennen, weil sie sagen: „Die Erstanerkennung hat nahezu bindende oder bindende Wirkung für weitere Bundesländer“? Wie schätzen Sie diese Möglichkeiten in einem Klageverfahren ein? Wie fließt das in die politische Bewertung der Landesregierung ein?
Gut. Es ist natürlich auch genau die schwierige Frage, welchen Handlungsspielraum wir eigentlich haben. Aber das kann einen nach meiner Meinung nicht davon abbringen, zu sagen, dass wir diesen Handlungsspielraum ausloten und ihn auch ein Stück weit in Richtung der Entscheidung, die wir haben wollen, nutzen. Das dürfen wir schon. Es gibt eine entscheidende Behörde: Das ist die Landesregierung. Da fällt es aber nicht in mein Ressort, wobei ich ausdrücklich anbiete, dieser Geschichte auch persönlich nachzugehen, wenn ich den Auftrag bekomme, und mit den Betroffenen Kontakt aufzunehmen.
Mir geht es im Grunde nur darum, die Spielräume, die wir haben, auszunutzen. Dass wir gar keinen Spielraum haben, würde ich so nicht sagen. Er mag gering sein, aber ich würde ihn auch im Sinne der Entscheidung nutzen, die wir haben wollen. Wenn es am Ende nicht geht, dann geht es nicht. Aber zwei Schritte, die ich vorhin genannt habe, fehlen mir zur Stunde schon noch, nämlich das komplette Bild auch aus der Sicht der Betroffenen und die Abschätzung des Klagerisikos.
Herr Minister Dr. Goll, wie beurteilen Sie die Äußerung des Herrn Kollegen Dr. Rülke, der die bisherige rechtliche Prüfung als rein kursorisch bezeichnet hat?
(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Abg. Ursula Haußmann SPD: Eine klare Antwort jetzt bitte einmal!)
Ich habe diese Äußerungen meines Fraktionsvorsitzenden nicht zu klassifizieren und nicht zu begutachten. Hier geht es um eine Regierungsbefragung.
Ich teile die Befürchtung im Kern, dass man bisher im Wesentlichen von der ersten bis zur letzten Entscheidung von dem ausgegangen ist, was die Organisation selbst auf den Tisch legt. Wenn es so wäre, dann wäre mir das, ehrlich gesagt, zu wenig.
Herr Minister Dr. Goll, wir haben in der letzten Schulausschusssitzung von Herrn Minister Rau gehört, dass sämtliche Möglichkeiten in seinem Ressort ausgeschöpft seien und die Sache eigentlich klar sei. Er hat damit den Ball in andere Ministerien gespielt. Er liegt jetzt u. a. in Ihrem Ministerium.
Uns würde schon interessieren, wie Sie damit umgehen bzw. wo Sie tatsächlich noch Möglichkeiten sehen, regelnd einzugreifen, insbesondere was den Aspekt der Verfassungstreue angeht. Haben Sie belastbares Material, mit dem Sie dann in der Lage sind, einen möglichen Prozess zu bestehen? Das ist die erste Frage.
Die zweite Frage: Im Eröffnungsstatement wurde darauf hingewiesen, dass man sich möglicherweise auf einer „abschüssigen Piste“ befinde. Was kommt da noch in Bewegung?
Ich habe von einer abschüssigen Piste geredet, weil mir – ich weiß nicht, ob man Leute zum Jagen tragen soll; das muss man aber wahrscheinlich gar nicht –
sofort die Namen von Organisationen einfallen, die es als nächste versuchen könnten. Deswegen gilt auch das berühmte Zitat „respice finem – bedenke das Ende“, das insbesondere der frühere Ministerpräsident Erwin Teufel gelegentlich zu zitieren pflegte.
Mir geht es nur darum, dass man alle Möglichkeiten ausschöpft. Ich hatte bisher den Eindruck, dass mit Aussteigern, von denen wir sogar die Namen kennen, der entsprechende Kontakt noch nicht aufgenommen wurde. Da gibt es, wenn man so will, eine Art negativen Kompetenzkonflikt zwischen den Ressorts, weil zunächst jeder sagt: Sind wir eigentlich dafür zuständig? Ich biete also allen Ernstes an, wenn jemand das möchte und ich den Auftrag bekomme, es selbst zu machen.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr gut! – Abg. Rai- ner Stickelberger SPD: Quasi verfassungsrichterlich!)
Gibt es weitere Fragen? – Nein. Damit sind die Regierungsbefragung und auch der Tagesordnungspunkt 5 beendet.
Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst – Hochschulpakt I und II in Baden-Württemberg – Drucksache 14/3536
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Gelingt es, in kürzester Zeit genügend Studienplätze zur Verfügung zu stellen? Gelingt uns der finanzielle Kraftakt, der bundesweit nötig ist, um den wachsenden Bedarf an höherer Bildung zu decken, zumal er in eine Zeit fällt, in der die öffentlichen Haushalte so angespannt sind wie nie zuvor?
Wir alle wissen – rhetorisch und mit warmen Worten wird es von allen beteuert –: Wir brauchen ein massives Hochschulwachstum. Wir brauchen es angesichts des Dreiklangs erstens von geburtenstarken Jahrgängen in den Schulen, zweitens einem veränderten Übergangsverhalten – immer mehr junge Menschen gehen auf ein berufliches Gymnasium oder ein allgemeinbildendes Gymnasium und erlangen so die Hochschulreife – und drittens den doppelten Abiturjahrgängen, die schon heute und auch in den nächsten Jahren aus allen Bundesländern sukzessive an die Hochschulen drängen.
Das ist eine enorme quantitative Herausforderung für unser Hochschulsystem, und diese quantitative Herausforderung ist gleichzeitig mit den Qualitätsfragen zu bewältigen, die im Zusammenhang mit den Fehlern bei der Umsetzung der Bolog na-Reform zu bearbeiten sind. Letzteres ist erst jetzt ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen, und zwar insbesondere durch die Proteste der Studierenden.
Wir haben also zum gleichen Zeitpunkt zwei Aufgaben im Hochschulbereich zu bewältigen, nämlich den quantitativen
Ausbau und die qualitative Verbesserung von Studium und Lehre. Das erfordert einen enormen Aufwand an Finanzmitteln, an Personen, an zeitlichen Ressourcen in den Hochschulen bis hin zu den räumlichen Gegebenheiten, die dafür zur Verfügung zu stellen sind.
In einem bin ich mir sicher: Die beiden Großbaustellen, die hiermit benannt sind, sind viel wichtiger für die Zukunftschancen unserer jungen Generation als die Exzellenzinitiative, die über Jahre hinweg fast ausschließlich die Aufmerksamkeit im Hochschulbereich auf sich gezogen hat. An dem Punkt „Verbesserung von Lehre und Studium“ werden sich die Zukunfts chancen der jungen Generation entscheiden und nicht am Thema Exzellenzinitiative.
Deswegen ist es höchste Zeit, uns massiv und verstärkt um die Aufwertung der Lehre im Zentrum der Hochschulpolitik zu kümmern. Die Hochschulpakte I und II – im engeren Sinne jeweils die ersten Säulen der Hochschulpakte I und II, die der Bund und die Länder miteinander vereinbart haben – sind eine Stütze für den Ausbau der Studienplätze. Der Hochschulpakt I wurde im Jahr 2007 verabredet, die Fortsetzung, also der Hochschulpakt II, wurde im Juni dieses Jahres verabschiedet. Diese Hochschulpakte sind sozusagen die großen Schwes tern des Programms „Hochschule 2012“ für Baden-Würt temberg für den Ausbau von Studienplätzen.
Man könnte jetzt an den Hochschulpakten herumkritteln. Das eine oder andere daran ist sicher zu kritisieren, z. B. die Fragen, ob es genügend Planungssicherheit gibt oder ob die neuen Studienplätze auskömmlich finanziert sind. Das kann man machen. Aber ich möchte dies gern beiseite lassen und etwas anderes vornewegstellen.
Ich bin mir sicher: Es ist ein Glück, dass es gelungen ist, wenigstens diese beiden Pakete zu schnüren, dass Bund und Länder miteinander vereinbart haben, über einen längeren Zeitraum – vorläufig bis zum Jahr 2016 – diese zusätzlichen Gel der in die Verbesserung von Studium und Lehre zu stecken. Ich bin froh, dass es trotz der Föderalismusreform auch gelungen ist, dass der Bund Geld in die Verbesserung der Lehre der Hochschulen steckt.