Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge- ordneten der SPD)

Ich danke unserem Koalitionspartner – wobei dieses Projekt bei uns nie zur Debatte stand –, und ich danke – auch wenn wir sonst ab und zu die Klingen kreuzen – ausdrücklich der SPD, stellvertretend Ihnen, Herr Kollege Schmiedel.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Jetzt schmusen Sie ja richtig! – Abg. Reinhold Pix GRÜNE: Heidenei! – Gegenruf des Abg. Jörg Döpper CDU: Sind Sie ei- fersüchtig? – Heiterkeit)

Jetzt sollten Sie von den Grünen einmal genau zuhören, ganz genau sogar.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Das tun wir immer! – Weitere Zurufe)

Ich danke dem Kollegen Schmiedel deshalb, weil es für ihn und seine Fraktion im Zweifel angenehmer und einfacher gewesen wäre, das Ruder herumzureißen, dagegen zu sein, populistisch dagegen zu agitieren, so, wie es die Grünen gemacht haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Bri- gitte Lösch GRÜNE: Was ist denn das für ein Demo- kratieverständnis! – Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Ich danke Ihnen ausdrücklich dafür, dass Sie dem nicht erlegen sind.

Wenn wir schon einmal bei den Grünen sind – es gibt ohne Frage auch Argumente gegen Stuttgart 21,

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Finanzielle!)

so, wie es bei vielen Projekten oder Themenfeldern unterschiedliche Ansichten geben kann –, dann fällt mir eines auf: Wenn es irgendwo, vor allem im Verkehrsbereich, ein großes Projekt gibt, über das die Diskussion noch gar nicht richtig ausgetragen ist, sind Sie, meine Damen und Herren, immer die Ersten, die sofort auf der Matte stehen und automatisch dagegen sind. Ich fordere Sie ausdrücklich auf, in Zukunft gerade auch bei verkehrswirksamen Großprojekten, auch wenn sie teuer sind – –

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Windparks! – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Sie meinen die Windparks!)

Ich meine jetzt nicht nur Stuttgart 21, ich meine z. B. das Thema „Untertunnelung in Karlsruhe“, ich meine – diese Debatte hatten wir vor zwei Wochen – das Thema Autobahnausbau, bei dem Sie, um es einmal sehr vorsichtig auszudrücken, auch eine eher vermeintlich populäre, aber nicht unbedingt sachliche Variante vorgetragen haben.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Wir wollen halt Kli- maschutz! – Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜ- NE)

Ich fordere Sie ausdrücklich auf: Kehren Sie vor allem bei verkehrspolitischen Themen zu einer sachlichen Debatte zurück. Hören Sie auf, in diesem Parlament fundamental-oppositionell zu agitieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Jetzt zum Thema Verkehrspolitik: Wir waren uns – jedenfalls hatte ich dieses Gefühl, auch in meiner früheren Funktion im Ministerium für Umwelt und Verkehr – eigentlich immer darin einig, dass wir alles versuchen müssen, um moderne Verkehrsströme zu bündeln und so viel wie möglich – und zwar im Fern- und im Nahverkehr – auf die Schiene zu bekommen. Der Ministerpräsident hat das vorgetragen.

Es gibt in Deutschland exakt zwei Bundesländer – nur zwei! –, die die große Chance haben, an der Magistrale für Europa teilzunehmen, die in diesem Bereich, im Fernverkehr, eine einmalige Chance wahrnehmen können. Ich kann nicht nachvollziehen, warum Sie dagegen sind.

Ich könnte noch die Gegnerschaft zu Stuttgart 21 nachvollziehen. Aber nachdem Sie – obwohl Sie nach meinem Eindruck lange dafür waren – jetzt auch gegen die bisherige Konzeption der Schnellbahntrasse Stuttgart–Wendlingen–Ulm sind und dadurch diese einmalige Chance kaputt machen wollen, nachdem Sie gegen ein Projekt sind, für das wir Gelder von der Europäischen Union bekommen, das von Berlin unterstützt wird, ein Projekt, für das alle sind – Flughafen, die Region, die Stadt, das Land, der Bund, die Bahn –

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Die Bevölkerung auch?)

und gegen das nur Sie sind, muss die Frage erlaubt sein, ob Sie damit nicht aus reiner Fundamentalopposition von den ursprünglich gemeinsamen Planungen für unsere Verkehrspolitik abgewichen sind, meine Damen und Herren.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Rückwärtsgewandt!)

Wenn Sie jetzt in einem Zwischenruf auf die Bevölkerung verweisen, darf ich sagen: Ich nehme alle Stimmen der Bevölkerung ernst. Aber aus 26 % Zustimmung bei den Kommunalwahlen automatisch darauf zu schließen, dass die große Mehrheit gegen das Projekt ist, diese Argumentation ist, mit Verlaub, sehr mutig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Jür- gen Walter GRÜNE: Warum habt ihr dann keinen Bürgerentscheid gemacht, wenn ihr so sicher seid? – Abg. Franz Untersteller GRÜNE: 65 000 Unter- schriften! – Weitere Zurufe – Unruhe)

Eines sage ich Ihnen – und das ist ganz gewiss –: Wir werden uns in den nächsten Jahren, auch bei der politischen Debatte in diesem Haus, auch auf die Frage konzentrieren: Wer macht in Berlin die Politik? Vor allem: Macht er in Berlin Politik für oder gegen Baden-Württemberg?

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Genau!)

Ich habe nicht den Eindruck, dass wir in Baden-Württemberg darunter leiden, dass wir zu viel Geld aus Berlin bekommen. Ich habe eher den Eindruck, dass wir das Problem haben, dass sehr viel mehr Geld aus Baden-Württemberg in den Rest der Republik abfließt: Länderfinanzausgleich, Risikostrukturausgleich, Einkommensteuerausgleich, was weiß ich, was es alles gibt.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Gesundheitsfonds!)

Wenn wir jetzt die Möglichkeit haben, in einem Bereich, in dem wir in der Tat einen gewissen Nachholbedarf haben – das ist der Bereich Infrastruktur/Verkehrspolitik –, Unterstützung von Berlin zu bekommen, und einer Ihrer vermeintlich führenden Köpfe dann nichts Besseres weiß, als in Berlin massiv dagegen zu schießen, dann müssen Sie den Menschen in Baden-Württemberg auch bei den nächsten Wahlen erklären, warum Sie als Grüne von Berlin aus Politik gegen BadenWürttemberg machen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU zu den Grünen: Ziehen Sie ihn aus dem Verkehr!)

Ich kenne viele Städte in Deutschland, die sich alle Finger danach lecken würden, wenn sie zu Beginn des 21. Jahrhunderts die einmalige Chance hätten, weite Teile ihrer Innenstadt, die bisher ineffizient genutzt wurden, neu zu gestalten, modern zu gestalten, auf das 21. Jahrhundert vorzubereiten. Ich kann nur sagen: Dies ist eine großartige Chance.

(Lachen des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Deswegen erwarte ich – und zwar jetzt gleich, Kollege Kretschmann – zumindest eine Erklärung dafür, wie Sie Stuttgart–Wendlingen–Ulm gestalten würden, wenn nicht so, wie wir das ansonsten in diesem Parlament vereinbart haben. Wenn Sie noch ein Fünkchen Glaubwürdigkeit

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Machen Sie sich da keine Sorgen!)

für sich in puncto Verkehrspolitik haben wollen, dann stellen Sie sich hierher und erklären Ihren Wechsel auch in diesem Bereich. Ansonsten sind Sie in verkehrspolitischen Debatten nicht mehr ernst zu nehmen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge- ordneten der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo!)

Für die Fraktion GRÜNE erhält Herr Abg. Kretschmann das Wort.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Jetzt kommt der Schie- nengegner! – Gegenruf des Abg. Jürgen Walter GRÜ- NE: Sie können ja fusionieren!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eine kleine Historie zu Stutt gart 21:

Am 19. Juli 2007 wurde das sogenannte Memorandum of Understanding unterzeichnet. Darin heißt es:

Die Kosten für das Projekt betragen voraussichtlich rund 2,8 Milliarden €.

Oettinger:

Die positive Situation der Steuereinnahmen bringt dem Land den nötigen Spielraum.

(Heiterkeit der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Am 6. März 2008 fand die erste Sitzung des Lenkungskreises statt. Oettinger:

Die Einhaltung des Kostenrahmens hat für das Land hohe Priorität, ebenso aber die geplante verstärkte Öffentlichkeitsarbeit. Wir haben hier im Land noch viel Gemeinsames vor. Daher ist es wichtig, dass die Bürger der Deutschen Bahn vertrauen und die Akzeptanz des Projekts steigt.

Im Juli 2008 gaben die Grünen ein Gutachten beim Ingenieurbüro Vieregg-Rößler in Auftrag, das durch seine Berechnungen das Transrapid-Projekt zu Fall gebracht hat. Die Gutachter veranschlagten dort die Baukosten auf 6,9 bis 8,7 Milliarden €.

Am 18. Juli 2008 sagte Minister Rech:

Die Deutsche Bahn AG und das Land Baden-Württemberg weisen Aussagen des Ingenieurbüros Vieregg-Rößler zu angeblichen Kostensteigerungen beim Projekt Stuttgart 21 als rein spekulativ zurück. Tatsache ist vielmehr: Das Bahnprojekt Stuttgart–Ulm ist eines der am besten und umfassendsten geplanten Projekte der Deutschen Bahn AG. Daher ist davon auszugehen, dass der derzeit vorgesehene Kostenrahmen eingehalten wird.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Oh, oh!)

19. August 2008: überarbeitete Kostenrechnung, jetzt 3,076 Milliarden €. Dazu sagte Oettinger: