Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 81. Sitzung des 14. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie. Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen und die Gespräche im Saal einzustellen.
Aus dienstlichen Gründen haben sich Herr Minister Rau, Herr Staatssekretär Drautz und Herr Staatssekretär Fleischer entschuldigt.
Ich darf darauf hinweisen, dass der Ministerpräsident unter Tagesordnungspunkt 7 eine Information zum Bahnprojekt Stuttgart–Ulm geben wird. Möglicherweise wird dieser Punkt vor der Fragestunde aufgerufen, je nachdem, wie die Mittagspause liegt. Ich bitte, damit einverstanden zu sein, dass wir dies klären, wenn wir die Mittagspause festlegen.
Aktuelle Debatte – Abbau von Industriearbeitsplätzen in Baden-Württemberg: Was unternimmt die Landesregierung, um bestehende Arbeitsplätze zu sichern und neue Arbeitsplätze zu ermöglichen? – beantragt von der Fraktion der SPD
Das Präsidium hat die üblichen Redezeiten festgelegt: fünf Minuten für die einleitenden Erklärungen und fünf Minuten für die Redner in der zweiten Runde.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die industrielle Produktion ist das Rückgrat der Wirtschaft in Baden-Württemberg. Nur dann, wenn die Industrie – groß, mittelständisch, klein – gestärkt aus der Krise hervorgeht, werden wir Wertschöpfung und Wohlstand in Baden-Württemberg halten.
Deshalb war es richtig, dass die Beschäftigten von Daimler, nachdem der Vorstand von Daimler entschieden hatte, die Produktion der C-Klasse zu verlagern, in der letzten Woche die Arbeit niedergelegt haben und Tag für Tag auf den Straßen für den Erhalt der Produktion am Standort in der Region Stuttgart demonstriert haben.
Meine Damen und Herren, das ist meine erste Feststellung: Wenn es einen Konflikt zwischen einer Belegschaft und dem Vorstand um den Erhalt von Arbeitsplätzen an einem Standort in Baden-Württemberg gibt, dann ist es Aufgabe der Regierung dieses Landes, sich an die Seite der Belegschaft zu stellen, und nicht, Verständnis für den Vorstand zu äußern.
Wenn wir heute feststellen, dass es eine Arbeitsplatzgarantie gibt, dann begrüßen wir das, dann sagen wir Dank den Kolleginnen und Kollegen und der Gewerkschaft IG Metall, auch den Belegschaften von anderen Unternehmen, die dafür demonstriert haben. Ich stelle aber fest, dass dieser Erfolg nicht durch eine Unterstützung der Regierung zustande gekommen ist, sondern dass gilt, was in der „Stuttgarter Zeitung“ zu lesen war: „Still schaut die Regierung zu“.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold!)
Ein Zweites will ich sagen: Wenn es darum geht, den Standort zu stärken und die Stärken dieses Standorts in den Vordergrund zu rücken, dann muss die Landesregierung von BadenWürttemberg kompromisslos hinter diesem Standort stehen und darf sich nicht hinter betriebswirtschaftlichen Erwägungen verstecken.
Es wäre nicht das erste Mal, dass sich Vorstandsentscheidungen von Daimler innerhalb kurzer Zeit als grottenfalsch erweisen. Ich erinnere an den Aufbau einer A-Klasse-Produktion in Brasilien, die innerhalb eines Jahres völlig im Fiasko endete und dann eingestellt wurde, und zwar mit hohem Milliardenverlust.
Ich erinnere an das Abenteuer mit Chrysler, unter dem das Unternehmen noch heute leidet, das das Unternehmen beschädigt hat, Substanz gekostet hat und sich im Nachhinein auch als grottenfalsch herausgestellt hat.
Wenn wir in Sindelfingen eine Produktion haben, die innerhalb des Konzerns mehrfach bepreist wurde, die „Fabrik des Jahres“ wurde, dann zeigt das doch, dass die industrielle Produktion in Baden-Württemberg nach wie vor international wettbewerbsfähig ist. Wir werden alles dafür tun, dass dies so bleibt.
Ich will noch ein Wort zu dem Thema sagen, das wir schon mehrfach angesprochen haben, das uns aber zunehmend Sorge bereitet und jetzt auch bei der Jahrestagung des Landesverbands der Industrie noch einmal herausgehoben wurde: der Maschinenbau in Baden-Württemberg. Die Zulieferer haben Sorge, im nächsten Jahr finanziell über die Runden zu kommen. Das ist ein Riesenthema, wenn sie mit ihrer verhagelten Bilanz für 2009 die Gespräche mit den Banken für 2010 führen, und so richtig aufwärts geht es im Maschinenbau im nächsten Jahr noch nicht. Aber diese Unternehmen brauchen Geld, auch um die Arbeitskräfte zu halten; denn Kurzarbeit ist nicht für umsonst zu haben.
Basel II führt automatisch dazu, dass es schwieriger wird, mit Krediten versorgt zu werden. Herr Mappus, Sie haben diesen Sachverhalt genauso analysiert und gesagt, deshalb müsse Basel II entschärft oder ausgesetzt werden. Da sind wir überhaupt nicht auseinander. Nur: Dieser Weg ist nicht erfolgversprechend. Das hat Frau Merkel probiert, das hat Herr Steinbrück probiert. Sie sind in Europa auf ein entschiedenes Nein gestoßen. Auch die internationalen Beschlüsse – G 20 oder Weltwährungsfonds – weisen in die genau entgegengesetzte Richtung: Nicht weniger Sicherheiten, sondern mehr Sicherheiten werden notwendig sein.
Deshalb brauchen wir dringend eine eigenständige badenwürttembergische Antwort auf die Frage, wie wir den Unternehmen trotz schwieriger Eigenkapitalsituation zur notwendigen Liquidität verhelfen. Da erwarten wir mehr, Herr Minis terpräsident und Herr Wirtschaftsminister, als den Verweis auf Instrumente aus normalen Zeiten oder normalen Abschwüngen. Diese Krise erfordert eigenständige Antworten auf die Herausforderungen.
Wir müssen etwas unternehmen, damit unsere mittelständische Industrie, die in vielen Bereichen Weltmarktführer ist und eine gute Zukunft hat, durch diese Krise nicht nachhaltig beschädigt wird.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eines vorab, Herr Schmiedel: Bei uns, bei der CDU, haben Arbeit und Arbeitsplätze in der Politik immer Vorfahrt. Davon können Sie und die SPD sich eine Scheibe abschneiden.
(Beifall bei der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Oje! Das haben wir in den letzten Wochen gemerkt!)
Meine Damen und Herren, die Stimmung im Werk Sindelfingen war in den letzten Tagen und Wochen explosiv, gar keine Frage. Wir hatten und haben Verständnis für die Sorgen der Arbeiter. Die Menschen hatten schlicht und einfach Angst um ihre Arbeitsplätze.
Mit dem Beschäftigungspakt, der gestern zwischen Vorstand und Betriebsrat für das Werk Sindelfingen vereinbart wurde, gibt es eine neue Basis für den Betriebsfrieden im Werk Sindelfingen. Deswegen begrüßen wir es, dass die Daimler-Führung eindeutig und definitiv zugesichert hat, dass bis zum Jahr 2020 – elf Jahre lang, meine Damen und Herren – kein einziger Arbeitsplatz im Werk Sindelfingen verloren gehen wird.
Herr Schmiedel, nicht durch das Anheizen der Diskussion, sondern durch verantwortungsvolle Schlichtung konnte hier geholfen werden. Ehrlicher Umgang mit den Fakten statt Populismus war und ist das Gebot der Stunde.
Meine Damen und Herren, selbst der Betriebsratsvorsitzende von Daimler, mit dem wir gesprochen haben – es war doch die Landesregierung, die zusammen mit den Fraktionsspitzen von CDU und FDP/DVP mit Vorstand und Betriebsräten gesprochen hat, während Sie nur mit Journalisten gesprochen haben –,
hat gesagt: Wir können die Entscheidung nicht ändern; wir müssen das Beste daraus machen. Ich glaube, dass dies mit dieser Einigung erfolgt ist.
Wir sehen im Übrigen auch eine Chance in der Ankündigung von Daimler-Chef Zetsche, die Forschungs- und Technologieentwicklung, insbesondere für alternative Antriebsformen, in Sindelfingen zu konzentrieren und auszubauen. Wir werden den Daimler-Vorstand hier auch beim Wort nehmen. Nur unser Automobilcluster in Baden-Württemberg kann die Herausforderungen, die wir in der Branche eindeutig haben, meistern. Hier ist die Wiege des Automobils, und hier ist auch die Wiege der Innovation.
Wir erwarten auch ein klares Signal von Daimler, dass die neue Generation des Automobils hier in Baden-Württemberg realisiert wird. Daimler hat die Kraft, die industriepolitische Führung zu übernehmen. Das ist jetzt auch wichtig.
Es bleibt dabei, dass der 3. Dezember ein harter Schlag für das Autoland Baden-Württemberg, für Sindelfingen, für den Kreis Böblingen, für die Region Stuttgart und vor allem auch für die Zulieferindustrie hier in der Region war. Die Entscheidung des Daimler-Vorstands, die C-Klasse zu verlagern, betrifft das industrielle Herz einer ganzen Region. Der Stern gehört unserer Meinung nach untrennbar zu Baden-Württemberg und nicht zu Alabama.
Das Werk Sindelfingen mit fast 40 000 Arbeitsplätzen und der weltweiten Entwicklung und Forschung ist mit Abstand der größte und wichtigste Standort im Konzern. Die Mitarbeiter sind bekannt für Qualität, Flexibilität und Kompetenz.