Protokoll der Sitzung vom 04.02.2010

Dieser Herausforderung müssen wir uns doch stellen.

Deshalb greifen wir, wenn man so will, an diesem Punkt auch integrativ ein. Einerseits geschieht das über das MEKA und andererseits über die Ausgleichszahlungen. Zum Dritten erfolgt das im Naturschutzbereich durch die Pflege von Grünlandflächen, und zwar gerade von solchen Flächen, die extensiv bewirtschaftet werden und die für den Naturschutz wichtig sind. Es geht darum, dass auch solche Flächen erhalten bleiben und weiter bewirtschaftet werden können. Das ist ein aktiver Beitrag sowohl zur Generierung hochwertiger Nahrungsmittel als auch gleichermaßen zum Klimaschutz.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! – Abg. Al- fred Winkler SPD: Ein Beiträgle!)

Insofern sind das Synergieeffekte, die wir mit unserer Politik erreichen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo!)

Mir stellt sich das so dar, als lebten Sie auf einer Insel.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Richtig!)

Die Agrarpolitik hat sich in den letzten zehn Jahren gravierend verändert. Wir werden in Stuttgart, in Freiburg und wo auch immer das Rad nicht mehr zurückdrehen können. Denn hier gelten die Rahmenbedingungen von Europa.

In dieser Situation geht es wirklich darum, dass unsere Bauern heute mit den Weltmarktpreisen in allen Bereichen – nicht nur bei Schweinefleisch, bei dem das schon immer so war, sondern auch bei Raps, Getreide, Milch, Fleisch, Rindfleisch etc. – mithalten können müssen; sie sind in allen Bereichen in den Weltmarkt hineingestellt. Damit sind sie direkt, wie die Industrie und das Handwerk, betroffen. Im Unterschied zu Handwerk und Industrie sind sie jedoch flächengebunden – das Kapital bleibt also in der Fläche –, und das führt zu einer Kapitalintensität, mit der sie es noch nie zu tun hatten, weil sie noch nie in dieser Richtung unternehmerisch gearbeitet haben. Das muss man doch auch einmal sehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es! – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Keine Vorstellung!)

Genau in dieser Situation, in einer Situation, in der sich innerhalb weniger Jahre tatsächlich ein politischer Paradigmenwechsel vollzogen hat, muss man neu justieren. Da dürfen wir aber den Landwirten kein X für ein U vormachen. Sie forderten, die Quote aufrechtzuerhalten, und stellten sich dabei in eine Reihe mit Demonstranten etc. Herr Murschel, das ist doch Populismus pur.

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Genau! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wie in anderen Be- reichen auch!)

Damit streut man den Menschen doch Sand in die Augen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Herr Murschel als Sandmännchen! – Vereinzelt Heiterkeit)

Da machen wir nicht mit. Das tun wir nicht, sondern wir handeln mittel- und langfristig; denn es geht uns mittel- und lang

fristig darum, dass auch morgen noch landwirtschaftliche Familienbetriebe – wohlgemerkt: Familienbetriebe – diese Kulturlandschaft bewirtschaften.

Als Bürger und als Konsumenten möchten wir einen möglichst hohen Ertrag an gesunden, regionalen Nahrungsmitteln, gekoppelt möglichst auch mit sinnvollen Carbon Footprints. Wir möchten als Bürger und als Verbraucher auch, dass wir, wenn wir morgens aus unserem Schlafzimmerfenster schauen, eine ordentliche, gepflegte Kulturlandschaft vor Augen haben. Das ist doch der entscheidende Punkt.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo!)

Da muss man auch ein paar Neuerungen hinnehmen. Ich will in Bezug auf den Landwirtschaftssektor nur den Bereich der grünen Gentechnik ansprechen. Ich bin nun wirklich kein Fetischist. Aber wir müssen – um das einmal deutlich zu sagen – die Tür offenhalten.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Aber welche?)

Wir müssen eigene Forschung und dabei auch angewandte Forschung betreiben.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Welche Forschung?)

Wir müssen uns doch nicht unbedingt auf das Thema Transgenetik, also das Kreuzen mit artfremden Genen, einlassen. Es kann auch Cisgenetik sein. Die Biotechnologie kann der Beschleunigung der herkömmlichen Kreuzung dienen. Hierzu gibt es jedoch von Ihnen keine Antworten. Sie lehnen vielmehr alles pauschal ab. Das ist doch unser Problem.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Das ist doch nicht das Problem!)

Das ist der Grund, weshalb wir in diesem Bereich gar nicht vorwärtskommen.

Ich sage Ihnen ganz offen: Ich will keiner Gruppe in Deutschland und in Baden-Württemberg, keiner Berufsgruppe staatlicherseits irgendwelche Chancen verbauen; ganz im Gegenteil.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr gut!)

Dort, wo Mittelständler produzieren – die Bauern haben mittelständische Betriebe –, hat der Staat auch die Pflicht und die Schuldigkeit, ihnen bei der Forschung, der angewandten Forschung etc. ein paar Vorleistungen zu erbringen. Das machen wir in anderen Bereichen z. B. durch Transferzentren gleichermaßen. Dort, wo es um unsere Lebensgrundlagen geht, muss das doch letztlich ähnlich sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Kollege Winkler hat vorhin gesagt, unser Haushaltsplan hätte keine Struktur, wir würden auf den Strukturwandel nicht reagieren etc. Ich wundere mich ja: Die SPD-Fraktion legt Anträge vor, in denen sie fordert, beim Regionalprogramm zu kürzen.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Was? Unglaub- lich! Unerhört!)

Nun muss man wissen, was darin steht. Darin steht z. B., dass wir als Reaktion auf neue Herausforderungen – Klimaschutz und Strukturwandel – auch mehr Investitionsmittel an bäuerliche Familienbetriebe vergeben.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Richtig!)

Wir machen nichts anderes, als eine Eigenkapitalbeihilfe zu geben,

(Abg. Alfred Winkler SPD: Richtig!)

damit die Betriebe, die morgen am Markt sind, mit möglichst viel Eigenkapital – was alle wollen – ihre Aufgabe erfüllen können. Gerade in diesem Bereich wollen Sie jetzt streichen, obwohl man gerade in der jetzigen Situation dort handeln muss.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Das ist ja nicht ausge- schöpft!)

Herr Kollege Winkler, ich verstehe Sie letztendlich nicht. Der Kollege Murschel schlägt vor, 5 Millionen € aus der Flurneuordnung herauszunehmen, weil es dort hauptsächlich um den Wegebau gehe. Auch dazu muss man feststellen: Die Rahmenbedingungen sind in Baden-Württemberg etwas schlechter, weil unser Land topografisch und klimatisch Nachteile aufweist. Hinzu kommt noch die Historie der Realteilung. Aufgrund der Realteilung haben wir auch viele Wege und Schleichwege und dergleichen mehr.

Herr Kollege Murschel, bevor wir heute Flurneuordnung machen, gibt es eine ökologische Ressourcenanalyse. Nach Abschluss des Flurneuordnungsverfahrens gibt es wieder eine ökologische Ressourcenanalyse. Seitdem wir das machen, ist die Bilanz in allen Fällen positiv, nicht negativ. Auch das muss man doch einmal feststellen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Jawohl! So ist es!)

Wir bauen durch die Flurneuordnung nicht mehr Wege, sondern da kommen doch Wege heraus.

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: So ist es!)

Nur: Die, die gemacht werden, werden besser. Das ist doch der entscheidende Punkt. Bei Ihnen ist es nur reine Ideologie. Das ist doch der Knackpunkt.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Einzelplan 08 beinhaltet natürlich nicht nur die Landwirtschaft. Lassen Sie mich deshalb noch einiges zu den weiteren Herausforderungen der Gegenwart sagen, auf die wir aktuell reagieren: in der Strukturentwicklung unserer ländlichen Räume, unserer Dörfer und Gemeinden, wenn es um die Frage der Innenentwicklung und der Außenentwicklung geht.

(Unruhe auf der Zuhörertribüne)

Herr Präsident, vielleicht können Sie einmal die Zuhörer bitten, sich in der Lautstärke zu beschränken.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Die können es nicht mehr hören! – Glocke des Präsidenten)

Ich bitte die Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Tribüne, beim Verlassen des Saals leiser zu sein. Denn sonst wird es hier unten schwierig, zuzuhören.

Hinsichtlich der Strukturentwicklung unserer Dörfer und Gemeinden gibt es zwei zentrale Herausforderungen. Die erste ist der Flächenverbrauch der freien Landschaft. Eine Dimension des Flächenverbrauchs ist die dörfliche Innenentwicklung.

Die andere Dimension liegt im sozialen Bereich. Es geht auch darum, dass wir in unseren Dörfern und Gemeinden das soziale Netzwerk stärken. Das stärken wir nicht dadurch, dass wir junge Leute ins Neubaugebiet schicken, während im alten Ortskern – das gilt übrigens für die Städte gleichermaßen – nur noch alte Menschen wohnen. Es geht darum, dass wir beide Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Genau deshalb verstärken wir die Innenentwicklung und geben denjenigen, die im Innenbereich sanieren oder dort auch abreißen und etwas Neues bauen, einen Zuschuss. Ich glaube, es ist ein Gebot der Zeit – auch aufgrund der demografischen Entwicklung –, dass wir das Wohnen im Innenbereich unserer Dörfer und Gemeinden – das gilt auch für die Innenstädte; in der Stadtsanierung läuft es ähnlich – wieder attraktiv machen. Denn wenn im Gefolge dessen im Innenbereich wieder Leben herrscht, beklagen wir uns auch nicht mehr über aussterbende Fußgängerzonen. Dann ist z. B. der Tante-EmmaLaden auf einmal wieder interessant, weil er eben vor der Haustür liegt. Das ist der eine Punkt.