Protokoll der Sitzung vom 04.02.2010

Es ist schon komisch, dass Baden-Württemberg in den Rankings hinsichtlich der Krankenhausstruktur als vorbildhaft dargestellt wird, was Effizienz und Versorgung betrifft. Sie fragen immer nach dem Konzept. Schauen Sie es sich doch einfach einmal an, bevor Sie reflexhaft solche Forderungen stellen. Aber das wollte ich eigentlich gar nicht erwähnen.

Mir ist auch in diesen Krisenzeiten wichtig: Wir brauchen auf der einen Seite eine Stärkung der sozialen Sicherungssysteme, und wir brauchen auf der anderen Seite zielgenaue Instrumente zur Abfederung der Krise. Ich will nur zwei Beispiele nennen. Das eine ist das Thema Kurzarbeit. Mit der Kurzarbeit ist es in der Tat gelungen, die Auswirkungen der Krise auf den Arbeitsmarkt wirklich erheblich zu mildern. Ohne Kurzarbeit hätten wir in Baden-Württemberg 75 000 Arbeitslose mehr. Wenn jetzt Überlegungen im Raum stehen, die Bezugsfrist für das Kurzarbeitergeld zu verlängern, so werden wir das vom Land Baden-Württemberg auch unterstützen, weil wir wissen: Das hilft unseren Unternehmen, durch die Krise zu kommen, um dann gestärkt wieder loslegen zu können, wenn sich die Konjunktur weiter verbessert hat. Wir werden uns für eine Verlängerung einsetzen.

Ich will auf der anderen Seite den Europäischen Sozialfonds in Baden-Württemberg erwähnen, der kofinanziert wird und einen wesentlichen Beitrag zur regionalen Arbeitsmarktpolitik liefert. Wie Sie wissen, umfasst das Programm in der Förderperiode von 2007 bis 2013 ein Volumen von über 500 Millionen €. Mit diesem Geld erreichen wir pro Jahr rund 30 000 Menschen aller Altersgruppen, die überwiegend zu den Benachteiligten am Arbeitsmarkt zählen.

Das sind zwei wichtige Beispiele für Sozialleistungen, die wir in der jetzigen Zeit brauchen.

Es ist wichtig, dass wir in dieser Zeit an einem Strang ziehen. Ich möchte auch die Anstrengungen hervorheben, die die Beschäftigten, die Unternehmer und die Sozialpartner mit dem Abbau von Arbeitszeitkonten, mit betrieblichen und tariflichen Beschäftigungssicherungsvereinbarungen leisten und schon unternommen haben. Da wurden auch Opfer gebracht mit dem Ergebnis, dass Deutschland und gerade Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen europäischen Ländern für die Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise gut gerüstet sind.

Ich will an dieser Stelle einmal sagen: Auch wenn wir viel über Krise reden, ist es kein Zufall, dass es bei uns im internationalen und innerdeutschen Vergleich die wenigsten armen, die gesündesten und die optimistischsten Menschen gibt und dass bei uns die höchste Lebenserwartung besteht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Ha- gen Kluck FDP/DVP)

Baden-Württemberg ist das Land der Chancen, das Land mit einem Höchstmaß an sozialem Ausgleich und sozialem Frieden. Ich glaube, das darf man an dieser Stelle auch einmal feststellen.

So sollte es aber auch bleiben. Damit es so bleibt, müssen wir weiterhin für einen gesellschaftlichen Ausgleich sorgen. Ich verhehle nicht, dass durchaus Zeichen der sozialen Wirklichkeit – gerade in dieser Krisenzeit – im Sinne einer höheren Armutsgefahr und im Sinne von Tendenzen sozialer Ausgrenzung vorhanden sind.

Auch wenn uns diese Phänomene weniger als andere Bundesländer treffen, werden wir gerade bei dieser Diskussion über die Armutsgefährdung auch ein Zeichen setzen. Dazu wird sich das Land im Rahmen des Europäischen Jahres 2010 zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung einbringen. Ich bin den Regierungsfraktionen sehr dankbar dafür, dass sie ein deutliches Zeichen setzen und dass wir in Bezug auf das Thema Armut im Jahr 2010 etwa 550 000 € und im Jahr 2011 – wenn ich die Maßnahmen zusammenrechne, die hier ergriffen werden – etwa 1 Million € zur Verfügung stellen. Wir leisten unseren Beitrag zu einem Thema, das uns nicht unberührt lassen darf.

Wichtig ist – darauf verweist die nationale Strategie der Bundesregierung zur Umsetzung dieses Europäischen Jahres 2010 – die gemeinsame Verantwortung für die Stärkung des sozialen Zusammenhalts. Lassen Sie mich zu diesem Thema „Stärkung des sozialen Zusammenhalts“ zwei Punkte ansprechen:

Der erste ist das Thema Familien. Die Familien sind die Kernstrukturen unseres Landes. Sie sind auch die Keimzellen der Solidarität und des Zusammenhalts. Deswegen müssen auch diese Strukturen gestärkt werden.

Liebe Frau Lösch, jetzt zweitens zum Armutsbericht: Wir können Papiere mit Dingen vollschreiben, die wir wissen.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Ich verstehe nur nicht, dass Sie einen Armutsbericht fordern, obwohl wir genau wissen, wo die Armutsrisiken liegen. Sie liegen in der Tat bei Alleinerziehenden, aber besonders eben auch bei Familien mit mehreren Kindern. Wenn Arbeitslosigkeit dazukommt, sind die Risiken noch höher. Deswegen verstehe ich nicht, warum das Landeserziehungsgeld infrage gestellt wird.

(Beifall bei der CDU – Abg. Karl Zimmermann CDU: So ist es!)

Das ist das ureigene Instrument des Landes Baden-Württemberg, durch das wir das deutliche Zeichen setzen, dass wir dort, wo wirklich ein Armutsrisiko besteht, Gelder hinfließen lassen. Ihre Haltung ist mir unverständlich.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Die wollen nur staat- liche Erziehung!)

Das Landeserziehungsgeld erreicht und unterstützt zielgenau Eltern, deren Kinder durch geringes Einkommen am ehesten von Kinderarmut betroffen sind. Die Einkommensgrenzen werden erhöht, sodass noch mehr Familien in den Genuss dieser Leistung kommen. Ich sage ganz offen: Ich möchte auf dieses deutliche Zeichen, dass wir die Familien auch beim Thema Armut unterstützen, nicht verzichten.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Lösch?

Lassen Sie mich erst einmal zu Ende reden.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Aber am Schluss! Nachher!)

Ich frage nur. Also nicht jetzt, sondern später. Danke.

Vielleicht beantwortet es sich, wenn ich weiterrede.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Nein! Das wird es nicht! – Gegenruf des Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Abwarten!)

Das Thema „Unterstützung und Begleitung von Familien“ ist mir wichtig, wenn es darum geht, die Strukturen des sozialen Zusammenhalts in diesem Land zu stärken. Dazu gehört natürlich auch die Kinderbetreuung. Die Anstrengung, die die Kommunen und das Land gemeinsam mit dem Bund hier unternehmen, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass wir das tun, was notwendig ist.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

In diesen Haushalt sind für das Jahr 2010 108 Millionen € für die Kinderbetreuung eingestellt. Für das Jahr 2011 sind es 151 Millionen €. Es besteht eine klare Vereinbarung mit den Kommunen, was entlang des Bedarfs, der entsteht, leistbar ist. Ich verstehe nicht, warum man diese Vereinbarung mit den Kommunen, wie wir zu einer Bedarfsdeckung kommen, immer wieder infrage stellt.

(Beifall des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP)

Die Kommunen sagen uns – wir sehen das an den Investitionsfördermitteln, die abfließen –, dass sie dieses Tempo auch meistern müssen. Da hilft es nicht, 30 Millionen € mehr einzustellen, wenn dieses Tempo gar nicht eingehalten werden kann. Ich würde also einfach darum bitten, zu berücksichtigen: Es gibt eine klare Vereinbarung mit den Kommunen darüber, was wir wollen – darüber, dass wir diese Betreuung ausbauen wollen, gibt es überhaupt keine Diskussion mehr – und wie wir das gemeinsam mit den Kommunen schaffen wollen. Die Mittel, die hier eingestellt werden, sind auch ein deutliches Zeichen.

Ich sage es noch einmal: Wenn wir über Familien reden, ist die Kinderbetreuung eine ganz wichtige Leistung, um die Familien in ihrem Erziehungsauftrag zu unterstützen. Aber Familie findet eben zum größten Teil außerhalb dieser Betreuungszeiten statt. Familie findet nicht nur als Betreuung in Einrichtungen statt. Deswegen müssen wir die Familien auch anderweitig unterstützen und dürfen nicht nur eine begleitende Betreuung anbieten. Deswegen ist mir das Programm STÄRKE auch wichtig.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ich will noch einmal deutlich sagen: Familie findet wirklich mehr außerhalb der Kinderbetreuung statt. Sie findet am Abend statt, sie findet am Wochenende statt, und da muss die Familie den Auftrag leisten, der für das Kind – ich sage es einmal so – noch wesentlich bestimmender ist.

Deswegen ist es mir wichtig, dass das Programm STÄRKE weiterläuft. Es befindet sich auf einem guten Weg. Das ist ein Programm, das eine gewisse Vorlaufzeit erfordert und auch wachsen muss. Die Programmumsetzung in den Kreisen ist in der Tat unterschiedlich. Da gibt es sehr engagierte Kreise,

da gibt es Kreise, die auch noch ein bisschen abwarten. Aber die Erfahrungen zeigen, dass diese Landesmittel gut angelegt sind und dass aufgrund dieses Konzepts die Planungs- und Vernetzungsarbeit vor Ort wesentlich verbessert wurde.

Auch die Anzahl der geplanten Kurse für besondere Lebenssituationen, also für besonders belastete Familien, ist 2009 sprunghaft gestiegen. Ich bin zuversichtlich, dass wir hier noch mehr erreichen.

Besonders erfreulich ist auch die Steigerung der Familienbildungsarbeit durch Fachleute für physische und psychische Gesundheit von Kindern. Wichtig dabei ist, dass verschiedene Einrichtungen wie Kindergärten und Kirchengemeindehäuser diese Veranstaltungen ebenfalls anbieten.

Das Programm STÄRKE bietet nicht nur eine Unterstützung der Familien bei ihrer ureigenen Erziehungsarbeit, sondern es ist auch eine wesentliche Maßnahme des Kinderschutzes.

Auch der Kinderschutz erfährt in diesem Haushalt eine Stärkung. Wir haben zusätzlich 160 000 € eingestellt, um das Projekt „Guter Start ins Kinderleben“ weiterführen zu können. Wir wollen keine Strohfeuer, sondern wir wollen sinnvolle, effektive Maßnahmen und diese dann auch weiterführen.

Lassen Sie mich noch eine andere Struktur ansprechen, die mir wichtig ist, wenn es um den sozialen Frieden und den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft geht, und die auch dieses Land Baden-Württemberg prägt. Es ist das bürgerschaftliche Engagement. Wir brauchen Bürger, die zusammenhalten, die sich verantwortlich fühlen, die in diesen Zeiten auch Verantwortung für die Gemeinschaft übernehmen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das werden immer weniger Bürgerinnen und Bürger!)

Wir haben hier in Baden-Württemberg hervorragende Strukturen des ehrenamtlichen und bürgerschaftlichen Engagements. Aber ich meine, wir müssen hier noch mehr Kreise einbeziehen. Wir müssen auch diejenigen erreichen, die vielleicht mehr außen vor stehen, die Arbeitslosen, auch die Menschen mit Migrationshintergrund. Es gilt, diese noch mehr in das bürgerschaftliche und ehrenamtliche Engagement einzubeziehen, weil dieses Engagement Verantwortung, Selbstbestätigung, aber auch ein Mitarbeiten an der gemeinsamen Solidarität mit sich bringt.

Wenn ich zusammenrechne, komme ich auf fast 3 Millionen €, die wir in diesem Haushalt für die Strukturen des ehrenamtlichen und bürgerschaftlichen Engagements, für das Stützen dieser Tätigkeit durch die Menschen in unserem Land zur Verfügung stellen. Ich bin davon überzeugt, dass gerade dieses hohe Engagement im Land Baden-Württemberg auch ein Baustein ist, wenn davon die Rede ist, dass die Menschen in Baden-Württemberg, was die Lebensqualität betrifft, ihr Land im Ranking ganz oben sehen. Das ist ein Stück dieser gesellschaftlichen Solidarität, die natürlich auch von uns gefördert wird, sehr wertgeschätzt wird und weiter ausgebaut werden soll. Dazu gehört eben auch das Engagement unserer jungen Leute im freiwilligen sozialen Jahr,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Und das Engagement der Frauen, das gehört auch dazu!)

für das die Mittel auch aufgestockt wurden.

Meine Damen und Herren, ich habe einige Beispiele genannt, die zeigen sollen, dass die Landesregierung gerade auch in Zeiten der Krise eine verlässliche Politik betreibt und die Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger sehr ernst nimmt. Wir wollen zielgerichtet und wirksam Maßnahmen ergreifen, aber den Blick für das finanziell Machbare auch nicht verlieren. Ebenso wenig wollen wir den Blick für geteilte Verantwortlichkeiten in unserem Staat verlieren.

Ich bin davon überzeugt, dass der von uns vorgelegte Haushalt eine gute Grundlage für diese Politik ist.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen daher zur A b s t i m m u n g über den Einzelplan 09 – Ministerium für Arbeit und Soziales.