Protokoll der Sitzung vom 04.02.2010

Drittens: Sie müssen jetzt aufgrund der UN-Behindertenrechtskonvention in Baden-Württemberg ein inklusives Schulsystem schaffen. Aber Sie stellen dafür nicht genügend Sonderpädagogen ein.

Wenn wir jetzt einen Rechtsanspruch auf Schulwahlfreiheit für Eltern von behinderten Kindern schaffen, dann muss vor allem auch das Regelschulsystem inklusiv ausgestaltet werden. Wir beantragen heute 200 zusätzliche Stellen für Sonderpädagogen, die dann an den Sonderschulen bzw. in integrativen Maßnahmen eingesetzt werden können.

Wir brauchen künftig mehr, nicht weniger sonderpädagogische Förderung für die Kinder. Ihre Qualitätsoffensive Bildung enthält keinen Hinweis auf diese UN-Konvention und sieht keinen einzigen Euro vor, um den Rechtsanspruch von behinderten Kindern auf Inklusion zu gewährleisten.

Schließlich viertens: Wir brauchen endlich die Anerkennung der Notwendigkeit einer individuellen Förderung der Kinder und nicht die Trennung nach sozialer Herkunft nach vier Schuljahren.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Gibt es bei uns in Ba- den-Württemberg etwa keine individuelle Förde- rung?)

Wir fordern heute in einem Antrag, dass neue Modellschulen endlich genehmigt werden. Wir wollen, dass 3,5 Millionen € in den Haushalt eingestellt werden, damit Schulen, die sich auf den Weg machen, die das wollen, die engagiert sind, für ihre Konzepte auch eigene Fortbildungsetats bekommen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben einen großen Bedarf an Veränderungen in unserem Bildungswesen. Lassen Sie die Leute, die sich vor Ort engagieren, endlich ihre Modelle umsetzen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Kommen Sie ein- mal zu uns! Da können Sie sich das einmal anse- hen!)

Das betrifft auch Schulen, die im Gymnasium flexible Lernzeiten anbieten wollen, das betrifft die Kommunen, die mit großem Engagement der Kollegien an ihren Schulen neue, integrative Schulmodelle umsetzen wollen. Beenden Sie endlich diese Blockadepolitik, dann brauchen Sie keine teuren Imagekampagnen, dann wird die Bildungspolitik in BadenWürttemberg auch von den Eltern akzeptiert werden.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Dann werden wir von Ihnen gelobt, oder?)

Aber derzeit ist das nicht der Fall.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen – Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Nachfrage des Herrn Abg. Schebesta?

Frau Kollegin Rastätter, Sie haben gerade gesagt, Sie wollten individuelle Förderung und nicht die Trennung in den Schularten. Wollen Sie damit behaupten, dass es bei uns in Baden-Württemberg in den Schularten bisher keine individuelle Förderung durch Lehrerinnen und Lehrer gibt?

(Zurufe von der SPD: Ja!)

Lieber Kollege Schebes- ta – –

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Überlegen Sie sich gut, was Sie sagen, Frau Rastätter!)

Da brauche ich überhaupt nicht lange zu überlegen, lieber Kollege Röhm. Ich bin selbst Lehrerin.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! Aber schon lan- ge nicht mehr an der Schule! – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Ich kenne sehr viele Lehrerinnen und Lehrer in Baden-Würt temberg in jeder Schulart, die engagiert und nach vielen Fortbildungen mit all ihren pädagogischen Fähigkeiten individuelle Förderung betreiben. Es sind die engagiertesten Lehrkräfte, die sagen: Wir stoßen auch in unserem Bildungswesen an die Grenzen der individuellen Förderung. Auch Sie wissen, dass Kinder sitzenbleiben, Sie wissen, dass Kinder aus einzelnen Schularten abgeschoben werden.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Nach Ihrer Vorstel- lung dürfen die das doch gar nicht!)

Es sind genau diese Lehrerinnen und Lehrer, die sagen: Wir brauchen einen wertschätzenden Umgang mit der Vielfalt und der Individualität von Kindern,

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das machen doch un- sere Lehrerinnen und Lehrer! Machen Sie die nicht wieder schlecht! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Haben Sie schon einmal wiederholt?)

und wir wollen, dass Kinder nicht mehr nach sozialer Herkunft in ein hierarchisch gegliedertes Schulsystem eingegliedert werden.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Weiß die GEW, was Sie hier reden? – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ich habe wiederholt, und ich lebe noch immer! Sie haben doch nie wiederholt!)

Das ist genau der Punkt, bei dem Sie nicht bereit sind, diesen engagierten Lehrkräften Möglichkeiten zu geben, unser Bildungssystem weiterzuentwickeln. Geben Sie ihnen die Möglichkeit, dann werden Sie sehen, was individuelle Förderung wirklich leisten kann.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ich habe wiederholt! Ich weiß, wie das ist! Sie waren bestimmt immer Streberin und eine gute Schü- lerin! Sie können sich gar nicht in ein schwaches Kind hineinversetzen! – Weitere Zurufe)

Also: Geben Sie ihnen die Möglichkeit, dann werden Ihnen diese Lehrerinnen und Lehrer beweisen, dass wir auch mit der gesamten Vielfalt von Kindern besser umgehen können, als das heute der Fall ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ich habe wiederholt und war trotzdem der Jüngste in der Abiturklasse! – Gegenruf von der SPD: Das spricht gegen den Rest! – Gegenruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ich bin mit fünf Jahren in die Schule gekommen!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Dr. Arnold für die Fraktion der FDP/DVP.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Damen und Herren haben wir heute nicht mehr hier.

(Zuruf von der SPD: Was? – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Doch! Da oben! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Auch die Presse ist da!)

Ja, oben auf der Zuhörertribüne. Okay. Die Presse ist da.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte mich zunächst mit den Änderungsanträgen der Opposition beschäftigen, die uns im Laufe der Beratungen hier und schon vorher auf den Tisch gekommen sind. Mit diesem großen Stapel an Änderungsanträgen vollführt die Opposition das reinste Wunschkonzert. Es werden nämlich alle Wünsche an die Bildungspolitik aufgegriffen, die derzeit auf dem Markt sind.

Ich möchte einmal die dicksten Brocken herausgreifen. Die SPD fordert 13 Millionen € für zusätzliche Krankheitsvertretungen, 13,5 Millionen € für 540 zusätzliche Berufsschullehrer, 4 Millionen € mehr für Schulsozialarbeit, 18,9 Millionen € für 500 zusätzliche Lehrer in der Ganztagsbetreuung und 30 Millionen € mehr für die Umsetzung des Orientierungsplans.

Bei den Grünen sieht es ähnlich aus. Die Grünen fordern 7 Millionen € für mehr Fachlehrer und technische Lehrer, 16 Millionen € für mehr Sonderpädagogen, 27,5 Millionen € an Mehrausgaben für die Privatschulfinanzierung und je 22 Millionen € für die Sprachförderung.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das macht in der Summe, Frau Arnold?)

Das macht in der Summe 183 Millionen € an zusätzlichen Ausgaben, die die Opposition einfordert.

(Unruhe)

Woher aber das Geld nehmen und nicht stehlen?

(Abg. Alfred Winkler SPD: Bei der Werbung!)

Die SPD macht einen einzigen Finanzierungsvorschlag. Sie schlägt vor, Kultusminister Rau die 2 Millionen € wieder wegzunehmen, von denen heute schon so viel die Rede war.

Die Grünen haben sich etwas mehr Gedanken gemacht.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, die Unterhaltungen nach draußen zu verlegen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das fällt aber schwer, Frau Präsidentin!)

Es ist wirklich fast kein Wort mehr zu verstehen.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Die Grünen machen immerhin Vorschläge zur Gegenfinanzierung in einer Größenordnung von 9,6 Millionen €.