Protokoll der Sitzung vom 05.02.2010

Vielleicht mögen aber auch manche peinliche kulturpolitische Panne in dieser Legislaturperiode und die Angst vor einem weiteren Imageverlust auf diesem Feld dazu beigetragen haben, dass die Entscheidungsträger dem Thema Kultur in Baden-Württemberg insgesamt eine eher besänftigende und entgegenkommende Note beimaßen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Werner Pfisterer CDU: Schwacher Beifall!)

Die Fortführung des von der Landesregierung auf den Weg gebrachten Sonderprogramms zur Stärkung der Kunst in der Fläche, von welchem die Klein- und Figurentheater, die frei

en Theater, die Kunstvereine und die soziokulturellen Zentren profitieren, ist sehr, sehr löblich.

(Beifall des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP – Abg. Jür- gen Walter GRÜNE: Ein einsamer Klatscher in der Wüste!)

Sanierungen oder Neubauten wie beim Probenzentrum des Staatstheaters Stuttgart, bei der Musikhochschule in Karlsruhe, die Generalsanierung des Landestheaters Tübingen, die Ausweitung der Studienangebote an den Kunsthochschulen und auch an der Mannheimer Popakademie sowie Anpassungen bei den kommunalen Theatern zur Bewältigung von Kostensteigerungen durch Tarifanpassungen sind wirklich hervorragend.

(Beifall des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Unsere Anträge, unsere Anfragen und Anregungen in diese Richtung mögen mit dazu beigetragen haben.

(Abg. Christoph Palm CDU: Wir lassen Sie in die- sem Glauben!)

Sie haben sie weitgehend umgesetzt. Ganz herzlichen Dank dafür. – Herr Palm, wir wissen beide, wovon wir reden, ganz sicher.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Der war gut!)

Die Zuschussempfänger im Kulturbereich sind für diese Unterstützung dankbar und hoch motiviert, ihr Bestes zu geben.

Dennoch – darauf möchte ich auch hinweisen – bleiben in bestimmten Bereichen der Kulturszene Positionen offen, die manche Einrichtung noch ums Überleben kämpfen lassen. Um nur ein Beispiel herauszugreifen, will ich das Theater „Tempus fugit“ in Lörrach nennen,

(Beifall des Abg. Rainer Stickelberger SPD)

das mit einem herausragenden Engagement im Kinder- und Jugendbereich Hervorragendes leistet und viel, viel bewegt. Davon brauchen wir mehr. Diese Einrichtungen kämpfen wirklich ums Überleben.

Doch trotz mancher spürbarer Verbesserungen weist der Einzelplan 14 im Kulturbereich keine eindeutige Signatur aus. Nach wie vor geht es der Landesregierung in erster Linie um den Erhalt und den Ausbau traditionsreicher Einrichtungen. Das ist auch ganz richtig so. Sie erkennt auch zunehmend die Möglichkeit, die die freie Kulturszene bieten kann, und beginnt, sie auch besser auszustatten. Das ist ebenfalls sehr zu begrüßen.

Nach wie vor erkennt sie aber nicht die enormen Potenziale gerade im Medienkunstbereich in Baden-Württemberg, und nach wie vor werden die wichtigsten Zukunftsthemen im Kulturbereich nicht konsequent genug ergriffen: die interkulturelle Arbeit, die kulturelle und ästhetische Bildung und eine konsequente Unterstützung der Kreativwirtschaft. Das sind Themen, die im Haushaltsplanentwurf nicht vorkommen, meine Damen und Herren.

Insgesamt fehlt nach wie vor eine klare baden-württembergische kulturpolitische Schwerpunktsetzung, die nach innen

und nach außen den kulturellen Anspruch und eine eigene Zielsetzung des Landes erkennbar macht. Vergleiche mit anderen Bundesländern würden die Unterschiede sehr deutlich zutage treten lassen. Dabei ist auffällig, meine Damen und Herren, dass sich die Empfehlungen des Kunstbeirats, den die Landesregierung extra zur Vorbereitung einer neuen Landeskunstkonzeption einberufen hat, in keiner Weise erkennbar im Haushaltsentwurf wiederfinden. Wofür also die wertvollen Hinweise, wenn man keine Spielräume einräumt, um sie umzusetzen?

(Abg. Christoph Palm CDU: Das kommt doch al- les!)

Es gibt kaum einen Wortbeitrag aus der SPD-Fraktion zur Kultur, der nicht immer wieder auf die genannten, aber von Ihnen nicht erkannten Felder hinweist. Auch der Kunstbeirat formuliert folgendermaßen:

Die Zukunft der Kultur ist interkulturell. … Darauf muss die Kulturpolitik reagieren.

Er warnt:

Soziale und kulturelle Ausgrenzung gehen … Hand in Hand.

Und er fordert mit konkreten Beispielen die aktive Teilhabe an der demokratischen Gesellschaft durch Kultur.

Auch die kulturelle und ästhetische Bildung sehen die Experten als staatliche Aufgabe und gleichwertigen Teil des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schulen angesichts – ich sage dies mit Nachdruck – dramatisch schwindender Schulstunden in diesen Fächern.

Warum geben Sie diesen richtungweisenden Appellen des Kunstbeirats im Haushalt keinen Raum?

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Die Experten und die Kunstkommissionen geben praxisnahe und umsetzbare Hinweise zur Musik, zum Theater, zur Festivallandschaft, zur Auslobung von Staatspreisen, zu notwendigen Beraterstrukturen und einem professionellen Management privater Kunstförderung, zur Museums- und Sammlungspolitik, zur Literaturförderung, zu den Theatern und den audiovisuellen Medien.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, geben Sie der Kulturpolitik ein eigenes baden-württembergisches und zukunftsgerichtetes Profil, das den kulturellen Reichtum unseres Landes, die Kreativität unserer Kulturschaffenden und die integrierenden Kräfte der Kunst und Kultur in ein sinnvolles und kraftvolles Ganzes zum Wohl unseres Landes führt.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Herrn Abg. Walter das Wort.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Schaum vor dem Mund!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Palm, ich wollte vorhin nur mein Bedauern zum Ausdruck bringen, dass Sie dieses Hohe Haus verlassen. Denn ich habe die Befürchtung, dass wir in den nächsten Jahren viele Leute brauchen werden, die dafür streiten und kämpfen, dass der Kulturhaushalt nicht zusammengestrichen wird. Da brauchen wir Kunst- und Kulturbeflissene aus allen Fraktionen. Da haben Sie mich, glaube ich, falsch verstanden.

(Abg. Christoph Palm CDU: Diesen Teil des Proto- kolls hänge ich über mein Bett! – Heiterkeit – Gegen- ruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Wir kommen gucken!)

Das können Sie gern machen. Ich schicke noch etwas Buntes für drumherum.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, wir haben zu der Beratung dieses Einzelhaushalts auf Änderungsanträge verzichtet,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist sinnvoll!)

und zwar nicht deswegen, Kollege Röhm, damit Sie schneller nach Hause kommen, sondern weil es der letzte Haushalt ist, der die Kultur in der jetzigen Weise betrachtet. Wir alle erwarten, dass wir demnächst eine gute, eine weiterentwickelte Kunstkonzeption erhalten und der Kulturhaushalt ein anderes Bild bekommt.

Wie wir alle wissen – die Kollegin Heberer hat darauf hingewiesen –, wird in der Kultur zwar all das, was wir bereits haben, in einem guten Maß gefördert, aber wir haben auch schon seit vielen Jahren das Problem des Closedshop. Das heißt, es bekommen nur die Geld, die bereits in die Förderung aufgenommen sind. Aber neue Initiativen, neue Ideen, neue Projekte haben praktisch keine Chance, in entsprechendem Maß gefördert zu werden.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Das machen wir doch gerade mit dem Antrag von uns!)

Genau das muss dann, Herr Kollege, in der Kunstkonzeption betrachtet werden.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Das machen wir ja! 1,5 Millionen €!)

Was mich gefreut hat, Herr Kollege Birk, war, dass der von Ihnen eingesetzte Kunstbeirat in vielen Bereichen genau in die Richtung zielt, in die auch wir zielen. Beispielsweise wurde dort zu Recht angesprochen, einen Kulturfonds für neue Initiativen einzurichten, so, wie es ihn in anderen Bundesländern schon gibt; das wurde von uns schon vor Jahren beantragt. Vom Kunstbeirat wurde darauf hingewiesen, dass wir mehr Medienpädagogik brauchen.

Es wurde zudem auf das Sächsische Kulturraumgesetz, das ich für sehr gut halte, verwiesen. Natürlich kann man Strukturen in Baden-Württemberg und Sachsen nicht 1 : 1 vergleichen und dieses Gesetz deswegen auch nicht 1 : 1 auf BadenWürttemberg übertragen. Aber die Frage, wie Mittelzentren

oder Oberzentren ihre Kultureinrichtungen auch vom Umland solidarisch mitfinanziert bekommen, muss insbesondere in einem Flächenstaat wie Baden-Württemberg gestellt werden. Darauf hat der Kunstbeirat zu Recht hingewiesen. Wenn die Landesregierung in der Antwort auf unsere Große Anfrage einfach sagt, das sei nicht vergleichbar, macht sie es sich zu einfach. So leicht werden wir Sie da nicht aus der Verantwortung lassen.

Ein ganz besonderes Anliegen ist uns und auch dem Kunstbeirat die kulturelle Bildung. Herr Kollege Birk, ich glaube, wir waren uns auch in der Vergangenheit einig, dass die kulturelle Bildung ein ganz besonderer Schwerpunkt in der neuen Kunstkonzeption sein muss. Darauf müssen wir viel Wert legen. Denn gerade einer Gesellschaft, die darüber diskutiert, wie sie den Wertewandel und den Werteverlust auffangen kann, gibt die Kultur den Sinn. Deswegen müssen wir mehr kulturelle Bildung haben. Das muss schon im Kindergarten anfangen. Dort muss ein Schwerpunkt liegen. Ich hoffe, wir sind uns da einig.

Meine Damen und Herren, wir sind uns einig, dass wir in Baden-Württemberg eine sehr gute Kulturlandschaft haben. Ich danke wie schon meine Vorredner allen Kulturschaffenden in diesem Land, die dazu einen aktiven und sehr kreativen Beitrag leisten. Trotzdem gibt es noch viel zu tun. Es gibt noch Änderungswünsche. Einige Punkte habe ich angesprochen.

Herr Kollege, worauf wir auch gern eine Antwort von Ihnen hätten, wäre – –