Protokoll der Sitzung vom 05.02.2010

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist zwar Freitag, aber lassen Sie doch bitte Herrn Kollegen Schlachter reden, der das Wort hat.

Auf jeden Fall müssen wir uns bei diesem Thema fragen, ob wir nicht mehr Vorsorge treffen müssen. Ich habe Ihnen hierzu bereits im Finanzausschuss Vorschläge gemacht. Die trage ich jetzt noch einmal vor.

Man muss sich fragen, weshalb in der gesetzlichen Rentenversicherung die Alterskasse mit 50 % bezuschusst wird, die Beihilfesätze für Versorgungsempfänger im Land jedoch 70 % betragen.

(Zuruf des Abg. Manfred Groh CDU)

Vor wenigen Wochen hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung eine Studie veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass die Barwerte bei vergleichbaren Erwerbsbiografien von Be

amten und Angestellten eklatant auseinandergehen. Deshalb muss man bei aller Freundschaft fragen, ob man an diesem System in Zukunft noch festhalten kann.

Wir trauen uns, unangenehme Wahrheiten anzusprechen. Wir haben Ihnen einen Vorschlag zur laufzeitabhängigen Staffelung bei der Pensionserhöhung gemacht. Diesen Vorschlag haben Sie abgelehnt. Jegliche strukturelle Veränderung und alles, was Mut erfordert, lehnen Sie ab.

(Beifall bei den Grünen)

Deshalb schlagen wir mit unserem Antrag auch heute wieder vor, die Beihilfesätze für Versorgungsempfänger im höheren, gehobenen und mittleren Dienst auf 50 % zu reduzieren, weil wir so jährlich 150 Millionen € in diesen Zukunftsfonds inves tieren können. Damit sichern wir auch für die Zukunft eine auskömmliche Pension für die Beamtinnen und Beamten.

Jetzt kommen wir zu einer etwas schwammigen Wahrheit, die ebenfalls in diesen Tagen auf unseren Tischen gelandet ist. Das ist die mittelfristige Finanzplanung. Genau genommen ist es eine mittelfristige Finanzblase, und sie wird platzen. „Es gibt nichts zum Anziehen“, habe ich damals auf der Pressekonferenz gesagt. Sie nehmen in diesen Tagen ein Wirtschaftswachstum von 4 % an.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Abwarten!)

Es gab einmal eine Art Märchen: „Zwei mal drei macht vier, widde widde wid und drei macht neune, ich mach’ mir die Welt, widde widde wie sie mir gefällt.“ Kennen Sie dieses Märchen?

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Pippi Langstrumpf!)

Genau, Frau Kollegin Sitzmann. – Sie machen eine PippiLangstrumpf-Politik. Sie zimmern sich die Welt so, wie Sie sie sich vorstellen. Dies gilt auch für die Einarbeitung der Steuerausfälle durch das sogenannte Wachstumsförderungsgesetz.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Wachstumsbeschleu- nigungsgesetz! – Zuruf: Wenn schon, dann richtig!)

50 % der Ausfälle veranschlagen Sie nicht als Mindereinnahmen und sagen: Diese Ausfälle bügelt die Konjunktur wieder aus.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das kommt so!)

Hierzu gibt es keine seriöse Steuerschätzung, und kein Wissenschaftler auf dieser Welt wird Ihnen sagen: Das ist so. Warum nehmen Sie nicht 30 %? Warum nehmen Sie nicht 70 %? Nein, Sie zimmern sich die Welt einfach so zurecht, wie Sie es gern hätten.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Claus Schmie- del SPD)

Von der FDP/DVP habe ich auch nichts anderes erwartet, Herr Wetzel. Mehr ökonomischen Sachverstand habe ich auch nicht erwartet. Herr Kollege Groh, die CDU und das Finanzminis terium sollten aber etwas seriöser an die Sache herangehen. Es enttäuscht mich, dass Sie vom Ministerium, während wir einen Vorschlag für eine mittelfristige Finanzplanung vorge

legt haben, inzwischen zu den Märchenerzählern übergelaufen sind. Das ist meines Erachtens keine gelebte Verantwortung für dieses Land.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Hans-Peter Wet- zel FDP/DVP: Normalerweise sind die Grünen die Märchenerzähler!)

Noch ein Satz zu den Finanzbeziehungen mit dem Bund. Herr Kollege Groh, wir hören immer wieder, vor allem auch von Ihnen, der Bund gebe zu wenig Mittel in die Verkehrsförderung, in die Straßenbauförderung hier in Baden-Württemberg.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: So ist es! – Abg. Dieter Hillebrand CDU: Sehen Sie das anders?)

Ich sehe in erster Linie, dass das ein Problem von SchwarzGelb ist. Denn im Bund regiert Schwarz-Gelb. Vor allem aber ist es ein Problem der CDU, Herr Kollege Köberle. Seit Jahren höre ich von den CDU-Stars des Oberlands, dass man da eine Ortsumfahrung brauche und dort endlich Geld aus Berlin oder aus Stuttgart kommen müsse. Es werden Briefe geschrieben und Telefonate getätigt. Viele rufen bei Herrn Rudi Köberle, dem Staatssekretär, an,

(Abg. Klaus Dieter Reichardt CDU: Da haben sie den Richtigen am Apparat! – Zuruf des Abg. Winfried Scheuermann CDU)

und dann werden wie am Fließband Pressemitteilungen geschrieben. Wenn man dann Glück hat, bekommt man einmal pro Wahlperiode die Chance, dass man ein Band durchschneiden darf,

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Ihr seid doch immer dagegen!)

dass endlich eine Straße gebaut wird. Das ist offenbar das höchste der Gefühle, und dazu gibt es auch noch ein schönes Foto für die Presse.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Nun muss ich natürlich auch noch eines dazusagen. Sie – das sind immer wieder dieselben CDU-Stars; das möchte ich noch einmal wiederholen – sagen immer, die Gelder reichten nicht aus, vom Bund kämen einfach nicht genügend Mittel. Zudem reden Sie auch immer wieder von der Südbahn, Herr Köberle, machen aber nichts. Seit 30 Jahren reden Sie von diesem Projekt, und Sie bekommen kein Geld dafür.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: 30 Jahre Kö- berle im Amt? So alt ist er noch nicht!)

Da muss man sich doch fragen: Haben all diese Berühmtheiten der CDU in Oberschwaben vielleicht versagt, haben sie vielleicht nichts zustande gebracht, konnten sie nicht erreichen, dass endlich Geld vom Bund zu uns ins Ländle fließt? Sie bemängeln das, wie gesagt, immer wieder. Jetzt haben wir Herrn Kauder dort sitzen; der bekommt es nicht gebacken. Wir haben Herrn Ramsauer, der ebenfalls sagt, es müsse mehr Geld kommen; bei der Maut ist er aber auf halber Strecke stecken geblieben; da hat ihn der Mut auch verlassen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jetzt wartet doch ein- mal ab!)

Unser Kollege Wölfle treibt das Projekt zielstrebig voran.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Was?)

Genau in diesem Moment – jetzt komme ich zum Kern – verschenken Sie aus dem Landeshaushalt 1 Milliarde € an den Bund, indem Sie eine Strecke, nämlich die Bahnstrecke Ulm– Wendlingen – die ich befürworte –, ausschließlich aus dem Landeshaushalt finanzieren, obwohl das eine Aufgabe des Bundes ist.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Nein, nein! Wir fi- nanzieren nur vor! – Zuruf der Abg. Heiderose Ber- roth FDP/DVP)

So weit sind wir gekommen, und so belasten wir einen ohnehin schon kränkelnden Haushalt.

(Beifall bei den Grünen)

Wir jedenfalls sind der Meinung, dass es nicht Aufgabe des Landes, sondern Aufgabe des Bundes ist, diese Strecke zu bezahlen. Deshalb schlagen wir vor, das Geld aus den Rücklagen für Stuttgart 21 für eine Sondertilgung unserer Schulden einzusetzen. Ich glaube, es wäre ein gutes und solides Zeichen, wenn man eine Rücklage auch einmal zur Schuldentilgung verwendet –

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das haben wir doch gemacht! – Zuruf des Abg. Manfred Groh CDU)

zumal die Finanzierung dieser Strecke gar nicht unsere Aufgabe ist.

(Beifall bei den Grünen)

Sie sehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ganz einfach, im Haushalt auch einmal Beträge für die Sanierung einzusetzen.

(Abg. Manfred Groh CDU: Was war denn in den Jah- ren 2008 und 2009? – Weitere Zurufe von der CDU)

Es bedarf ein wenig des Aufbrechens des in die falsche Richtung gelenkten Denkens; man braucht ein bisschen Mut, und dann geht das.

Jetzt noch zu der Anmerkung des Kollegen Scheuermann – der bei den Haushaltsberatungen nicht dabei war –:

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Aber besser informiert ist als manche andere, die dabei waren!)

Wir haben mit unseren Vorschlägen bei den Haushaltsberatungen Schwerpunkte auf Bildung, Kinder, Klimaschutz und auf den Werterhalt des Landesvermögens gelegt. Wir haben im Übrigen, ganz nebenbei bemerkt, mehr Geld für die Straßensanierung eingeplant als Sie. Mit unseren Sparvorschlägen wiederum haben wir auch Vorschläge zur Gegenfinanzierung gemacht und haben dargestellt, dass wir in diesem Doppelhaushalt 100 Millionen € weniger ausgeben würden als Sie. Sie satteln, Herr Kollege Herrmann, über die Anträge zum

Haushalt zusätzlich noch einmal 300 Millionen € drauf. Rechnen wir die Rücklagen für Stuttgart 21 hinzu, dann ergibt sich, dass wir um genau 1 Milliarde € unter Ihren Ansätzen liegen. So spart man, und so saniert man den Haushalt.