Protokoll der Sitzung vom 10.03.2010

Wenn man etwas für das Gerechtigkeitsempfinden tun will, dass diejenigen, die hart arbeiten, sagen: „Ich will nicht, dass das Geld jeden Monat knapp wird, sondern da muss etwas übrig bleiben“, dann muss man etwas für die Löhne tun. Man muss Tariflöhne verbindlich machen und dort, wo es keine Tarife gibt, einen gesetzlichen Mindestlohn einführen. Dann lohnt sich Arbeit. Dann zahlt es sich aus, dass jemand aufsteht. Dann sind wir auf der richtigen Spur.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Werner Raab CDU)

Noch ein kleiner Hinweis: Sie sollten Ihre Zuarbeiter in neuere Archive schicken und keine Zeitungsausschnitte aus dem Jahr 2005 zitieren. Sie haben aus dieser Zeit etwas zitiert, was Nils Schmid zu Studiengebühren gesagt hat. Das ist überhaupt kein Geheimnis. Wir haben in dieser Zeit über unsere Position zu Studiengebühren diskutiert. Einige von uns – dazu gehörte Nils Schmid – haben gesagt: „Wenn das sozial verträglich geht, dann muss man darüber reden.“ Andere haben sich dagegen ausgesprochen. In der Zwischenzeit sind wir insgesamt zu dem Ergebnis gekommen, dass es kein sozial verträgliches Modell gibt. Deshalb ist die SPD mit Nils Schmid gegen Studiengebühren.

Herr Ministerpräsident, es ist aber ehrlicher, zu diesem Vorgang ganz offen zu stehen und zu sagen: Das war ein Thema, bei dem es unterschiedliche Meinungen gab; man hat das ausgetragen, man hat seine Meinung revidiert.

Das ist ehrlicher als das, was Sie bei den Kindergartengebühren machen. Auf zwei Parteitagen beschließen Sie den Einstieg in den kostenlosen Kindergartenbesuch. Sie stellen einen „Kinderlandantrag“, in dem steht: „Das letzte Kindergartenjahr ist das entscheidende Jahr für den Schulerfolg. Deshalb muss es zur Pflicht werden, und deshalb soll es kostenlos sein.“ Das beschließen Sie auf zwei Parteitagen hintereinander. Obwohl Sie alle bei den Parteitagen dabei waren, kommen Sie dann ins Parlament und sagen: „Was ist das für ein Unsinn? Das kann man doch nicht machen.“ Dann sollten Sie so ehrlich sein und diese Meinung auch auf Parteitagen vertreten. Dann wissen die Menschen, woran sie mit der CDU in Baden-Württemberg sind.

(Beifall bei der SPD)

Mir liegen keine Wortmeldungen mehr vor.

(Oh-Rufe)

Damit ist Tagesordnungspunkt 1 erledigt.

Vor der Mittagspause, die ganz kurz sein wird, behandeln wir noch die Tagesordnungspunkte 2 und 3.

(Zuruf von der CDU: Was?)

Sie haben nicht „Was?“ zu fragen, sondern das zu tun, was der Präsident sagt.

(Heiterkeit – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ge- nau! Wir sind ja ganz artig!)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschusses zu dem Antrag der Landesregierung vom 1. März 2010 – Änderung der Abgrenzung der Geschäftsbereiche der Ministerien – Drucksachen 14/5970, 14/5980

Berichterstatter: Abg. Winfried Mack

Die Beratung soll ohne Aussprache erfolgen. Die Beschlussempfehlung lautet:

Der Landtag wolle beschließen,

dem Antrag der Landesregierung vom 1. März 2010 – Drucksache 14/5970 – zuzustimmen.

Wer diesem Vorschlag zustimmt, der möge bitte die Hand erheben. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist dem mehrheitlich zugestimmt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschusses zu dem Antrag der Landesregierung vom 1. März 2010 – Zugehörigkeit von Mitgliedern der Landesregierung zu Organen wirtschaftlicher Unternehmen – Drucksachen 14/5971, 14/5981

Berichterstatter: Abg. Winfried Mack

Hierzu hat das Präsidium ebenfalls keine Aussprache vorgesehen.

Die Beschlussempfehlung lautet, dem Antrag zuzustimmen. Wer dieser Beschlussempfehlung zustimmt, der möge bitte die Hand erheben. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist diesem Antrag einstimmig zugestimmt.

Wir machen jetzt eine kurze Mittagspause von einer halben Stunde.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Dreiviertelstunde!)

45 Minuten. Sie müssen auch noch etwas essen. Wir finden uns dann um 15:15 Uhr wieder ein.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie sind ein Filou, Herr Präsident!)

(Unterbrechung der Sitzung: 14:38 Uhr)

(Wiederaufnahme der Sitzung: 15:17 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung des Landtags von Baden-Württemberg wird fortgesetzt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zu dem Vertrag des Landes Baden-Württemberg mit der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden und der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs – Drucksache 14/5725

Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschusses – Drucksache 14/5982

Berichterstatter: Abg. Rainer Stickelberger

Das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Bevor ich das Wort erteile, möchte ich unter den Gästen auf der Zuhörertribüne meinen besonderen Gruß den Repräsentanten der Israelitischen Religionsgemeinschaften in unserem Land entbieten.

Stellvertretend für die anwesenden Vertreter der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs begrüße ich die Vorstandssprecherin Frau Barbara Traub sowie Herrn Landesrab

biner Netanel Wurmser. Vonseiten der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden begrüße ich Herrn Landesrabbiner Benjamin Soussan und Herrn Geschäftsführer Michael Dörr. Seien Sie recht herzlich willkommen im Landtag von BadenWürttemberg!

(Beifall bei allen Fraktionen)

In der Allgemeinen Aussprache erteile ich Herrn Abg. Schebesta für die CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir in Deutschland und damit auch wir in Baden-Württemberg sind uns der besonderen geschichtlichen Verantwortung gegenüber unseren jüdischen Bürgerinnen und Bürgern bewusst. Das kommt auch in dem Gesetzentwurf der Landesregierung, den wir heute Nachmittag in zweiter Lesung beraten, zum Ausdruck.

Die deutsch-jüdische Geschichte ist geprägt von Beiträgen von Juden zu dem, was unser Kulturerbe ausmacht. Genauso gehören zu unserer Geschichte aber auch Unterdrückung, Verfolgung und Vertreibung und der Völkermord an Juden durch das nationalsozialistische Regime.

Im Bewusstsein dieser Verantwortung hat die Landesregierung in der Amtszeit von Ministerpräsident Oettinger mit den Israelitischen Religionsgemeinschaften in Baden und in Würt temberg den Vertrag geschlossen, der die Grundlage für das Zustimmungsgesetz ist, das uns nach der Landesverfassung hier im Landtag vorgelegt wird. Ich sage für die CDU-Fraktion: Wir finden, dass dieser Vertrag der besonderen Verantwortung und dem freundschaftlichen Verhältnis, das wir heute mit unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern haben, gerecht wird.

Wir danken deshalb allen, die innerhalb der Landesregierung an der Vertragsvorbereitung, der Vertragserstellung, den Vertragsverhandlungen und am Vertragsschluss beteiligt gewesen sind, genauso wie denen, die aufseiten der Israelitischen Religionsgemeinschaften daran mitgewirkt haben, also vor allem deren Vorständen.

In diesem Vertrag sind Regelungen zu jüdischen Feiertagen, zur jüdischen Seelsorge, zum Religionsunterricht, zu jüdischen Friedhöfen und zur Denkmalpflege enthalten. Religiöse Erziehung und religiöse Wertevermittlung können uns in der Gesellschaft nur nutzen. Deshalb wollen wir nicht nur ungestörte Religionsausübung innerhalb der christlichen Kirchen, sondern auch ungestörte Religionsausübung der Angehörigen anderer und damit auch der Israelitischen Religionsgemeinschaften.

Den eigenen Glauben leben zu können, sich mit einem anderen Glauben auseinandersetzen zu können, sich dessen bewusst zu sein, wie Religionsausübung eine Gesellschaft prägt, das erwarten gerade auch die Angehörigen anderer Religionen als der christlichen Religionen in unserem Land.

Mit diesem Vertrag werden die Staatsbeiträge für die Israelitischen Religionsgemeinschaften neu geregelt. Es werden Gelder für die religiös-kulturellen Belange und für die Entwicklung des deutsch-jüdischen Kulturerbes vorgesehen.

Das System, das in dem Vertrag angelegt ist – inklusive der Dynamisierung –, ist an die Vereinbarungen angelehnt, die wir

mit den vier großen christlichen Kirchen geschlossen haben. Mit den Geldern, die in den Staatshaushaltsplan des Landes Baden-Württemberg eingestellt wurden, verdoppeln sich fast die Finanzmittel, die den Israelitischen Religionsgemeinschaften zur Verfügung gestellt werden.