Protokoll der Sitzung vom 11.10.2006

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Hoffmann.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es ist unbestritten: Die Mitarbeiter in den Zentren für Psychiatrie leisten jeden Tag eine wichtige und nicht einfache Arbeit bei der Behandlung und Pflege unserer psychisch kranken Mitbürgerinnen und Mitbürger. Ich glaube, man darf am Beginn einer Rede den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch einmal für ihre schwierige Arbeit danken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sehr gut! – Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Das hat doch nie- mand bestritten!)

Nicht ohne Grund wurden in den Psychiatrien – das haben Sie leider zu erwähnen vergessen, Frau Haußmann – nicht die DRGs eingeführt, sondern dort gelten weiterhin die Krankenhausbudgets, weil man sich bei der Versorgung psychisch Kranker einfach schwertut, die Dinge in einen Rahmen zu pressen, der Fallpauschale heißt.

Jetzt will ich erklären, warum die Geschäftsführer auf die Idee kamen, die Sie gerade zu geißeln versuchen. Sie haben sich nämlich etwas dabei gedacht.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Was?)

Die Zentren für Psychiatrie haben, wie wir alle, den Ärztestreik mitverfolgt. Alles ist ausgegangen, wie es ausgehen sollte. Wir alle kennen die Ergebnisse dieses Ärztestreiks. Aber klar ist, dass die Psychiatrien ganz besonders betroffen sind, weil für sie eine Besonderheit gilt. Keine einzige andere Krankenhausart hat so klare gesetzliche Vorgaben, wie viele Ärzte und wie viel Pflegepersonal vorzuhalten ist. Alle können rationalisieren, alle können umschichten und

verschieben und können Teile dieser Mehrkosten auffangen. Eine Krankenhausart kann das nicht, und das sind unsere Zentren für Psychiatrie.

Die Geschäftsführer, die meiner Meinung nach – ich sage es ganz deutlich – in den letzten zehn Jahren eine hervorragende Arbeit geleistet haben – gestern wurde ja das zehnjährige Bestehen der Zentren gefeiert –,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Da war von der CDU-Fraktion niemand dabei!)

machen folgendes Problem geltend, das man ernst nehmen muss. Die Zentren werden in den nächsten Jahren, beginnend mit dem Jahr 2007, aufgrund der bestehenden Konstellation – neuer Tarifvertrag und Personal per Gesetz vorgegeben – 23 Millionen € Minus machen. Dieses Minus wird von niemandem ausgeglichen, weder über den Landeshaushalt noch von den Krankenkassen, weil sie einfach in ein sogenanntes gesetzliches Loch fallen.

Jetzt haben die Tarifvertragspartner etwas vereinbart, was für die meisten Kliniken in Deutschland gilt. Aber es macht eben keinen Sinn, einen Tarifvertrag zu übernehmen, der überhaupt nicht zur Systematik eines Landespsychiatriemodells passt. Was haben die Träger also gemacht? Sie haben gesagt: „Wir brauchen einen eigenen Tarifvertrag, der diesen besonderen gesetzlichen Aufgaben zupasskommt und der auch zu unseren Häusern passt.“ Wenn man einen eigenen Tarifvertrag schließen will, dann hat man in Gottes Namen keine andere Wahl, als den alten vorher zu kündigen. Genau das war der Versuch.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Und das nach einer langen Tarifauseinandersetzung!)

Ich gebe Ihnen in einem recht, liebe Frau Haußmann: Der Zeitpunkt und möglicherweise auch das Management dieses geplanten Ausstiegs waren nicht ganz optimal gewählt. Aber es war eine Reaktion auf ein drohendes Minus von 23 Millionen €, das nicht gedeckt ist.

Ich glaube, der weitere Verlauf ist bekannt. Von dem Ausstieg wurde abgesehen, aber ich sage ganz deutlich: Er ist nur aufgeschoben, nicht ganz aufgehoben. Das kommt wieder, und wir können uns durchaus Gedanken machen – dafür ist heute kein schlechter Tag –, wie es um die Zukunft unserer Psychiatrien aussieht. Wir werden in den nächsten Wochen überlegen müssen, wie es mit den ZfPs weitergeht. Die Häuser haben eine besondere Aufgabe im Land, die sie hervorragend meistern. So besteht neben der Versorgung der Kranken, die sie leisten, auch noch die Kombination mit dem Maßregelvollzug.

Aus der Sicht der CDU-Fraktion ist die Versorgung psychisch Kranker verbunden mit dem Maßregelvollzug kein Feld, das vordringlich der Gewinnerzielung dienen sollte. Vielmehr ist es eine öffentliche Aufgabe, eine hoheitliche Aufgabe.

Im Gegensatz zu anderen Ländern können wir inhaltlich und kaufmännisch stolz auf unsere psychiatrischen Einrichtungen sein. Einzelne Bundesländer haben versucht, ihre Einrichtungen an Krankenhausketten zu verkaufen. Dafür gab es Gründe: Die Häuser waren marode, ihr Zustand war

schlecht, Geld war keines da, und ohne Fremdkapital ist es nicht gegangen.

Unsere Häuser sind in einer völlig anderen Situation. Sie sind kaufmännisch gut aufgestellt, sie sind gut ausgestattet und haben die notwendige Infrastruktur in den letzten zehn Jahren aufgebaut.

Ich bin davon überzeugt, wir würden einen Riesenfehler machen, wenn wir das Thema „Privatisierung unserer Psychiatrien“ in einer bestimmten Richtung diskutieren würden. Man kann mit der CDU-Fraktion darüber reden, eine neue Gesellschaftsform für die Zentren für Psychiatrie zu finden – diesmal eine, die nicht Holding, sondern vielleicht GmbH oder Aktiengesellschaft heißt.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das hätte ich gleich nachher gefragt!)

Aber wir tun uns schwer damit und werden uns schwer damit tun, wenn es um einen Verkauf an Dritte geht. Denn wir sehen dafür weder eine Notwendigkeit, noch sehen wir darin einen Sinn. Wir haben – ich habe es gesagt – mit den Zentren für Psychiatrie gute Einrichtungen, die eine öffentliche Aufgabe wahrnehmen. Wir werden von vielen anderen Bundesländern darum beneidet. Lassen Sie uns also nicht alte Dinge über Ausstiege aus Tarifverträgen verhandeln. Lassen Sie uns im Hinblick auf ein Minus von 23 Millionen €, auf funktionierende Häuser und auf Beschäftigte, die eine Zukunftsperspektive verdient haben, überlegen,

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

wie wir so umgestalten können, dass niemand von den Mitarbeitern seinen Besitzstand verliert, wir bei Neueinstellungen aber möglicherweise einen eigenen Tarifvertrag anwenden. Damit werden wir der Zukunft mit einer neuen Gesellschaftsform gerecht. Das würden wir gern mittragen.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU sowie des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Mielich.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dieser kleine Antrag der Fraktion der SPD hat ja doch wirklich eine große Wirkung, wenn ich das richtig sehe. Das, was in der Stellungnahme des Ministeriums nicht enthalten ist, kommt jetzt langsam, aber sicher ans Tageslicht, wenn wir jetzt diese Debatte hier führen, und das finde ich schon ziemlich gut.

Auch wir haben im Sommer reagiert, als es um diesen Vorstoß der Geschäftsführer ging, und zwar aus zwei Gründen: zum einen, weil wir die Kündigung dieser Tarifbindung auf gar keinen Fall richtig fanden, zum anderen aber auch, weil wir speziell dieses Vorgehen völlig falsch fanden, weil es tatsächlich an den Beschäftigten vorbeigegangen ist. Sie haben ja gerade noch einmal bestätigt, Herr Hoffmann, dass es weder ein richtiger Zeitpunkt noch eine besonders gelungene Aktion war. Das heißt, letztendlich ist es gut, dass von allen Seiten zurückgerudert wurde.

Aber – und das wird jetzt, finde ich, in der heutigen Debatte wirklich deutlich – es geht ja darum, dass die Geschäftsführer offensichtlich sehr plakativ, aber doch nachhaltig darauf aufmerksam gemacht haben, dass es einen dringenden Handlungsbedarf gibt. Natürlich stellt sich insgesamt die Frage, wie wir mit den wirtschaftlichen Defiziten, die dort entstehen, umgehen. Da finde ich schon, dass es wichtig ist – ich finde, die heutige Debatte zeigt auch, dass dies wichtig ist –, dass wir in diese Fachdiskussion einsteigen, wenn es darum geht, nach Wegen zu suchen, wie wir mit dieser Situation umgehen können, damit tatsächlich im Sinne der Patientinnen und Patienten, aber auch im Sinne der Beschäftigten eine gute Regelung erzielt wird.

Da kann es nicht unsere Antwort sein, den Tarifstreit, den wir in den kommunalen Krankenhäusern hatten und der ja unterm Strich letztendlich bedeutet, dass es in den Krankenhäusern ein riesiges Gehaltsgefälle zwischen den Pflegeberufen einerseits und den Arztberufen andererseits gibt, zu unterstützen. Das heißt, es muss schon dazu kommen, dass wir einen recht guten Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Berufsgruppen hinkriegen.

(Zuruf des Abg. Karl Klein CDU)

Ferner müssen wir auch die Frage nach der Geschäftsführung bzw. der Organisationsstruktur beantworten. Wir sind ganz klar dagegen, die Zentren für Psychiatrie zu privatisieren, an Dritte zu verkaufen. Ich höre jetzt von Ihnen, dass Sie da ähnlich skeptisch sind bzw. das eher nicht befürworten würden, sondern dass Sie eher befürworten würden, zum Beispiel den Weg in Richtung einer GmbH zu gehen. Das sind einfach Fragen, die dringend beantwortet werden müssen, wenn wir die Zukunft der Zentren sichern wollen.

Schönen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Noll.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mir erscheint das Thema so, als ob dabei einfach gesagt wird: „Haltet den Dieb!“, und dann irgendwie die Schuld auf irgendwelche Geschäftsführer, die unanständige Forderungen oder was weiß ich stellten, geschoben wird, ohne zu sehen, dass die Zentren für Psychiatrie im Grunde genommen Krankenversorgung leisten und damit ein Teil des Krankenhauswesens sind. Ich brauche Ihnen allen nicht zu erzählen, dass die Zitrone im Krankenhauswesen ausgequetscht ist ohne Ende.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Genau das, was andere Krankenhäuser machen müssen, weil die BAT-Schere aufgeht – sprich: Budgets werden nicht erhöht, Lohnsteigerungen pro Jahr kommen, also irgendwo muss eben Personal abgebaut werden –, geht aus den genannten Gründen – da hat Herr Kollege Hoffmann völlig recht: Psychiatrie-Personalverordnung – in diesem Fall eben nicht.

Ich halte den Dank an die Angestellten für richtig. Da schließe ich übrigens auch die Geschäftsführer ein, weil sich die

se natürlich sehr verantwortlich überlegen, wie sie mit der schwierigen Situation umgehen sollen, dass sie einerseits immer weniger Geld zur Verfügung haben – das hat die Politik zu verantworten, also auch wir ein Stück weit, aber insbesondere auch die Gesundheitspolitik – und andererseits sehen müssen, dass sie dem Land nicht Zahlen abliefern, zu denen das Land dann auch nicht sagen kann: „Nur her damit. Wir finanzieren euch das Defizit.“

Von daher glaube ich: Gerade bei den Ärztestreiks ist deutlich geworden, dass möglicherweise das öffentliche Tarifrecht für Krankenhäuser nicht die richtige Form ist, weil es nicht die Möglichkeiten abbildet, die in Krankenhäusern im Sinne der Flexibilität notwendig sind. Deshalb sage ich auch, was Kollege Hoffmann schon erwähnte, dass man überlegen muss, für Neueinstellungen Möglichkeiten zu schaffen, die nicht wieder dazu dienen – das ist ganz wichtig –, die Gehälter radikal zu senken, sondern durch die – etwa über mehr Anreize, mehr Leistungsorientierung – nicht Demotivation, sondern Motivation in der Krankenversorgung erreicht wird.

Der Ausstieg aus dem Arbeitgeberverband ist im Moment vom Tisch. Ich bitte darum, nicht auf die Geschäftsführer einzuschlagen, mit denen wir anlässlich des Zehn-Jahr-Jubiläums zusammengesessen haben. Wir haben ihnen gesagt: „Ihr habt in den letzten zehn Jahren eure Möglichkeiten, flexibler zu agieren, als es zuvor möglich war, als das Ganze noch voll in der Hand der Kameralistik im Landeshaushalt war, gut genutzt.“ Da haben wir sie alle sehr gelobt, dass sie sehr gut dastehen. Das ist auch hier noch einmal betont worden. Nun andererseits zu kommen, wenn sie sich Gedanken machen und sich fragen: „Wie lösen wir das Problem, das uns droht, dass wir nicht mehr einnehmen können, weil es politisch so gewollt ist“ – – Rot-Grün hat sich besonders hervorgetan. Schwarz-Rot wird sich jetzt hervortun und noch einmal 1 % aus den Budgets herausquetschen. Wie das gehen soll, weiß kein Mensch. Dagegen kämpfen wir gemeinsam, auch die Kolleginnen und Kollegen von der CDU.

So viel zum Aktuellen. Dieser Punkt hat sich jetzt erledigt. Der Ausstieg ist, wie gesagt, gar nicht vorgesehen.

Jetzt kommt die Frage: Wie geht es weiter? Es ist auch auf der Jubiläumsveranstaltung thematisiert worden, dass eine Weiterentwicklung kommen muss. Nichts ist so gut, als dass man es nicht besser machen könnte. Das Einzige, was mich in der Debatte stört, ist, dass immer, wenn das Thema Privatisierung aufkommt, zunächst ein Horrorszenario an die Wand gemalt wird.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Lieber Kollege Hoffmann, wir haben eine hervorragende psychiatrische Einrichtung im Land Baden-Württemberg, die privat betrieben wird und nicht auf Gewinnerzielung aus ist.

(Zuruf des Abg. Andreas Hoffmann CDU)

Das ist eine Stiftung. Sie leistet sehr gute Arbeit.

Es geht nicht um Gewinnerzielung, sondern um vernünftige Strukturen. Dann kann man überlegen, ob man angesichts dessen, was das Land in Zukunft an Investitionen mögli

cherweise nicht mehr leisten kann – vielleicht auch im Sinne der Haushaltskonsolidierung nicht mehr will –, neue Möglichkeiten eröffnet und meinetwegen auch einmal modellhaft, z. B. zusammen mit einer Stiftung, eine andere Rechtsform möglich macht. Von daher bitte ich, ganz gelassen zu bleiben und nicht wieder alle Leute auf die Bäume zu treiben nach dem Motto: Dann wird alles ganz schrecklich schlecht.