Protokoll der Sitzung vom 11.10.2006

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: So ist es!)

die sich zwar im Besitz des Landes, aber nicht in seinem Eigentum befinden. Das heißt, da gibt es keinen Streit. Das ist nicht zu prüfen, weder irgendwo zwischen Anwälten und Gutachtern noch in der Debatte. Es gibt nennenswerte Kunstgegenstände, die der Öffentlichkeit gezeigt werden, die sich im Besitz des Landes, aber im Eigentum des Hauses Baden befinden.

Ich nenne erstens ein Gemälde von Hans Baldung, genannt Grien: Markgraf Christoph I. von Baden mit seiner Familie. Das ist ein Gemälde im Wert von etwa 8 Millionen €.

Ich nenne zweitens zwei Medaillons von Cranach dem Älteren: Wert etwa 2 Millionen €.

Bezüglich dieser Gegenstände kann es keinen Streit geben. Wer unter Kultur auch Rechtskultur versteht und wer nicht nachträglich eine Revolution vollenden will, muss akzeptieren, dass Eigentum Eigentum bleibt. Das ist ein herausragendes Verfassungsgut. Diese Gegenstände gehören uns nicht. Aber wir haben Interesse daran, sie zu erwerben. Darüber reden wir.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Unstrittig ist zweitens: Im Wert von etwa 4 Millionen € gibt es 35 – ich zitiere – Hinterlegungen allerhöchsten Privateigentums, darunter einen Heilsspiegel „Speculum humanae salvationis“, der dem Haus Baden zu eigen ist. Er befindet sich in unserem Besitz. Ihn zu erlangen ist unser Interesse. Über das Eigentum an ihm kann aber überhaupt nicht – weder hier in diesem Hohen Haus noch vor Gericht – gestritten werden. Er ist nicht unser Eigentum. Ihn zu erwerben ist unser Ziel. Darum wollen wir einen Vergleich.

Nun komme ich zum Thema Salem. Ich weiß nicht, ob Sie jemals dort gewesen sind. Die Kunst im Hause hat einen Wert von etwa 9 Millionen €. Das Münster hat eine Innenausstattung im Wert von etwa 3 Millionen €. Es gibt weiteres Vermögen. Alles in allem reden wir – das sagen die Sachverständigen – über Werte von 13 bis 14 Millionen €, die uns nicht gehören. Sie könnten jeden Tag von den Eigentümern veräußert werden. Sie für Baden-Württemberg zu erwerben ist unser Ziel. Darum wollen wir uns vergleichen. Darüber sprechen wir. All dies haben Sie in Ihren beiden Äußerungen bisher völlig verdrängt und negiert.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: So ist es! – Zuruf des Abg. Johannes Stober SPD – Abg. Jürgen Walter GRÜ- NE: Wir haben ja bisher auch nur die erste Runde gehabt!)

Kollege Walter, in der zweiten Runde werden Sie meistens nicht besser, als Sie in der ersten waren.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Reinhold Gall SPD: Deshalb reden Sie bloß eine Runde!)

Dann reden wir über Kunstobjekte, bei denen – so die Fachleute – das Eigentum in höchstem Maße zu unseren Lasten umstritten ist. Die sogenannte Türkensammlung ist seit Jahrzehnten ein hohes Gut im Badischen Landesmuseum. Die Fachleute sagen: Sie steht mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in unserem Eigentum. Sie hat einen Wert von ca. 11 Millionen €. Diese Sammlung zu erlangen, zu erwerben und auf Dauer zum Eigentum zu bekommen ist unser Ziel. Deswegen haben wir unsere Überlegungen zu diesem Vergleich angestellt.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Sehr gut! Ge- nau!)

Dasselbe gilt für die kopfsche Kunstsammlung und für die jüncksche Gemäldesammlung, und es gilt auch für Bibliotheksgut in hoher Dimension.

Wenn man alles in allem die Fragen „Was haben wir mit Sicherheit und Wahrscheinlichkeit nicht im Eigentum? Was haben wir zwar in der Ausstellung, was besitzen wir, aber es gehört uns nicht?“ objektiv bewertet, kommt man auf Werte von 70 bis 80 Millionen €.

(Zurufe von der SPD – Gegenruf des Abg. Jörg Döpper CDU: Zuhören!)

Darüber hinaus sind Werte in Höhe von 200 Millionen € strittig.

Nun hat ein Streit immer eines an sich: Es besteht nicht unmittelbar Einigkeit. Vor Gericht zu gehen ist Ihr Vorschlag. Dies haben wir gründlich geprüft. Vor Gericht zu gehen heißt, dass zunächst einmal Vollstreckung, Pfändung, der „Kuckuck“, eine Herausgabeklage möglich ist. Dies beträfe erstens das Haus Baden und zweitens Banken aus dem Inland und aus dem Ausland, denen nicht Gemeinnützigkeit, sondern die Durchsetzung ihrer Interessen eine Aufgabe ist.

Davor raten wir letztendlich dringend ab. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Kunst in Baden-Württemberg oder dem Land und seinem Ruf ein Rechtsstreit vor Gericht, der „Kuckuck“, die Pfändung, eine Herausgabe, Vollstreckung oder Versteigerung dienen würden.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Deswegen streben wir einen Vergleich an. Wir streben ihn an – unterschrieben haben wir ihn noch nicht, aber ausgehandelt. Wir haben ein Ergebnis, einen Vorschlag – weil dies Aufgabe und Pflicht einer Regierung ist.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf von der CDU)

(Ministerpräsident Günther Oettinger)

Jetzt fragen Sie, warum die Öffentlichkeit nicht früher informiert worden sei. Die Antwort ist klar: Jeder Bürger in diesem Land – ob ohne Adel oder mit Adel – hat es, wenn er Probleme hat, verdient, dass das Land Verschwiegenheit wahrt und mit Rechtsverhältnissen oder Finanzverhältnissen erst dann an die Öffentlichkeit geht, wenn es um eine Entscheidung, eine Zustimmung oder um eine parlamentarische Beratung gehen muss. Dieser Zeitpunkt ist jetzt. Die letzten zwei Jahre waren von gründlicher Rechtsprüfung und Verhandlungen geprägt.

Wenn dieser Vergleich abgelehnt wird,

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Dann gibt es vor Gericht einen Vergleich!)

dann geht es vor Gericht. Dann werden wir vor Gericht gezogen, und das Risiko für uns ist sehr hoch, weil – ich wiederhole mich –, wie von Ihnen beiden, Kollegin Vogt und Kollege Walter, bisher völlig negiert und verschwiegen worden ist, diese Werte in Höhe von 70 bis 80 Millionen € unstrittig nicht uns gehören. Wir besitzen sie; das Eigentum liegt beim Hause Baden. Diese Werte zu erwerben ist unser Interesse.

Meine Bitte lautet: Sagen Sie mir im zweiten Durchgang, wie Ihr Rat dazu aussieht, ob Sie lieber die Enteignung vollziehen und Revolution spielen wollen – was Ihre Jugendliebe ist –

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Meine Jugendliebe? Also! – Heiterkeit des Abg. Karl Zimmermann CDU)

oder ob Sie mit mir sagen: Zur Rechtskultur gehört auch das Eigentum. Artikel 14 des Grundgesetzes wird in diesem Lande geachtet. Das Eigentum zu erlangen liegt in unserem Kunstinteresse, und deshalb streben wir diesen Vergleich an.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo!)

Jetzt kommt ein entscheidender Punkt: CDU und FDP/DVP legen diesem Hause und der Öffentlichkeit am 7. November einen Doppelhaushalt vor, der es in sich haben wird. Wir nehmen die Haushaltssanierung sehr ernst.

(Zuruf von der SPD: Seit wann?)

Wir werden erreichen, dass Baden-Württemberg – neben Bayern und Sachsen; vor 13 anderen Bundesländern und vor dem Bund – mit seinem Staatshaushaltsplan aufzeigen wird, dass die junge Generation bei uns keine Verlierergeneration wird. Wir wollen in diesem Land ohne zusätzliche Schulden auskommen. Deswegen sind Haushaltsmittel zur Problemlösung bei diesem Thema für mich tabu.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das heißt: nicht mehr Schulden für die Kunst und nicht mehr Kürzungen im Sozial-, Sport-, Kultur-, Bildungs- und Kirchenbereich. Vielmehr müssen wir das Problem haushaltsneutral lösen. Darin liegt unser Ehrgeiz, und das werden wir erreichen. Ich gehe darauf noch ganz kurz konkret ein.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Die Mittel der Landes- stiftung sind genauso Landesmittel!)

Kollege Zeller, wir haben dem Aufsichtsrat der Landesstiftung schriftlich einen Vorschlag gemacht. Damit sollen nicht rechtliche Verpflichtungen des Landes gelöst werden. Der Aufsichtsrat berät am nächsten Dienstag darüber, ob er ohne Vermögensaufzehrung aus den Erträgen, die jährlich bereitstehen, in den Haushaltsjahren 2006, 2007 und 2008 jährlich 10 Millionen € zur Finanzierung dieser Aufgabe erbringen will.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Das fehlt dann im sozia- len Bereich! Das fehlt woanders! – Gegenruf von der CDU: Seid ihr nun dafür oder dagegen?)

Kollege Zeller, da haben Sie recht. Aber irgendwoher – wenn nicht von einem anderen Stern – muss das Geld ja kommen.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Ja klar! – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

Da Salem in Ihrem Wahlkreis liegt, gehe ich davon aus, dass auch Ihnen das Kulturgut Salem und die Güter in Baden wichtig sind.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf von der SPD)

Deswegen streben wir eine Lösung an, die den Haushalt weder indirekt noch direkt tangiert und die auch das Vermögen der Landesstiftung nicht angreift, sondern die aus Erträgen daraus vorrangig vor anderen Zwecken die Finanzierung des Ankaufs von wichtigen, uns nicht zustehenden Gegenständen, die wir aber in Eigentum bekommen wollen, zum Gegenstand hat.

Hinzu kommt ein Weiteres – dies sage ich selbstkritisch –: Aus den Gesprächen der letzten zwei Wochen habe ich eine Erfahrung mitgenommen: Direktoren staatlicher Museen, Direktoren und Vertreter der Kunst sagen generell: „Verkauft nichts, was ihr habt – lieber erwerben wir weniger in absehbarer Zeit –, sondern bewahrt, was in Besitz und Eigentum ist.“ Deswegen werden wir die Ankaufmittel der nächsten Jahre für unsere staatlichen Museen und unsere Landesbibliotheken nutzen und sagen: „Was ihr besitzt, können wir erwerben. Eigentum daran streben wir an.“ Dann steht manches, was ansonsten in den nächsten drei bis fünf Jahren zu erwerben wäre, zurück. Wir werden es möglich machen, dass durch konkrete Nutzung unserer Landesmittel der Besitz zu Eigentum wird und der künftige Erwerb von Kunstgegenständen entsprechend zurückgestellt wird.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Dasselbe gilt für das Thema Denkmäler. Wir streben jetzt an, dass 30 Millionen €, die notwendig sind, damit der Vergleich überhaupt erreicht werden kann, durch Landesstiftungsmittel, durch Haushaltsumschichtung, durch Sponsoren aus der Bürgerschaft und der Wirtschaft und durch eine Entwicklung, die zu Dauerleihgaben führt, machbar sind. Dafür werden wir ab der nächsten Woche bei allen Bürgern, bei der Wirtschaft, bei jedem, der sich gegenüber dem Lande Baden-Württemberg verpflichtet sieht, werben.

(Ministerpräsident Günther Oettinger)

Die Stiftung für Salem streben wir in der zweiten Tranche an. Sie ist wichtig, aber nicht eilbedürftig. Da in der Landesstiftung für Denkmäler im Lande jährlich 1,2, 1,5 oder sogar bis zu 2,5 Millionen € bereitstehen und bereitstanden, werden wir diese vorrangig und vor anderen Anträgen, die wir haben – ich nenne Industriedenkmäler, ich nenne das Augustinermuseum in Freiburg –, einsetzen, damit auch die Sicherung von Salem noch in unserer Generation gelingen kann.

Alles in allem: Wir sind nachdenklich, und wir sind auch lernfähig. Die Beiträge der Kollegin Vogt und des Kollegen Walter haben uns im Grunde genommen wenig Konkretes gebracht.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Nichts!)