Es ist doch logisch, dass Sie, wenn Sie diesen spezifischen Reichtum praktisch auf den politischen Markt werfen, dem Land und seinem Image einen enormen Schaden zufügen. Um diese Diskussion haben Sie sich heute gedrückt. Dazu hätte ich ein Wort erwartet.
Einerseits feiern Sie die Insel Reichenau als Weltkulturerbe der UNESCO, andererseits wollen Sie Schriften, die dort entstanden sind, die zu diesem Weltkulturerbe gehören, auf den Markt werfen. Das passt einfach nicht zusammen.
Deshalb, meine Damen und Herren, frage ich Sie: Gibt es eigentlich in dieser Landesregierung niemanden mit einem engen Bezug zur Kultur?
Gibt es niemanden, der bei solchen Geschäften warnend den Finger hebt? Haben Sie sich schon einmal die Frage gestellt, was unsere Gesellschaft zusammenhält? Sie, Herr Mappus, sind vorhin kurz darauf eingegangen. Das christliche Abendland hat doch nicht nur eine religiöse, sondern auch eine kulturelle Geschichte. Der Ministerpräsident hat am Samstag bei der Feier „15 Jahre Filmakademie Ludwigsburg“ die kulturelle Leistung dieser Filmakademie gelobt. Da sind wir uns ja einig. Aber, Herr Ministerpräsident: Kultur ist nicht geschichtslos. Wer das kulturelle Erbe nicht kennt, kann nichts Zukunftweisendes kreieren.
Man muss vor dieser Kulturgeschichte Respekt haben. All das, was Herr Kollege Zimmermann oder auch Herr Goll dazu geäußert haben, zeigt mangelnden Respekt vor der Kulturgeschichte.
Diese Handschriften sind ein europäisches Kulturerbe. Wer davor keinen Respekt hat, der kann keine gute Kulturpolitik machen.
Herr Oettinger, Sie sehen sich gern in der Tradition eines Lothar Späth. Das ist ja auch verständlich.
Deshalb veranstalten Sie auch gern Kongresse wie den Kulturkongress in Karlsruhe. Da gibt man sich dann weltoffen
Aber Herr Späth hat erkannt: Dann brauche ich auch einen Staatsrat Gönnenwein; dann brauche ich jemanden wie einen Herrn Rettich, der mich warnt, der die Zusammenhänge erkennt, der erklärt, wohin die Reise gehen soll, damit das Ganze nicht nur in Kongressen endet, sondern diese Kulturpolitik tatsächlich ein Konzept und eine Richtung aufweist.
Aber ich suche jemanden in diesem Kabinett, der sich mehr darüber freut, wenn sein Name im Feuilleton einer Zeitung steht statt im Wirtschaftsteil. Den habe ich bisher vergeblich gesucht.
Eines noch, Herr Kollege Mappus: Ein Michael Sieber hätte diese Diskussion nicht zugelassen. Das gebe ich Ihnen schriftlich. Eher wäre er zurückgetreten.
Lassen Sie mich aus der Kunstkonzeption des Landes Baden-Württemberg zitieren, die bei Ihnen offensichtlich verschollen ist. Herr Rettich hat 1990 geschrieben – das ist heute noch genauso zeitlos wie damals –:
Die Förderung der Kunst durch den Staat ist in einer modernen demokratischen Gesellschaft weder ein obrigkeitlicher Gnadenakt noch eine ins Belieben von Parteien oder Personen gestellte Großzügigkeit. Sie ist Pflichtaufgabe eines Gemeinwesens, das sich ebensosehr als Kulturstaat wie als Rechts- und Sozialstaat versteht.
(Abg. Christoph Palm CDU: Das war das Klügste, was Sie heute gesagt haben! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: So ist es!)
Aber Sie haben sich genau diesem Vorwurf der Beliebigkeit ausgesetzt. Kulturförderung kann nicht der Beliebigkeit ausgesetzt werden. Deswegen zitiere ich zum Schluss noch eine andere Aussage, sozusagen die Abschiedsbotschaft von Klaus Zehelein aus Stuttgart. Ich hoffe, Sie nehmen sie ernst. Er sagte in einem Interview der „Stuttgarter Zeitung“ Ende Juli dieses Jahres:
Was Sie heute präsentieren, meine Damen und Herren, ist keine Rettungstat, sondern das Zusammenkehren eines Scherbenhaufens.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Walter hat ein Zitat von mir aus der heutigen „Stuttgarter Zeitung“ wiedergegeben, das wie jedes durchgestochene Zitat natürlich schon einer Erläuterung des Kontexts bedarf, bevor ich jetzt in der Folge 2 500-mal gefragt werde, wie das denn gemeint war.
Ich möchte an das anknüpfen, was Herr Walter gesagt hat. Er sagte, wir würden das Vermögen des Markgrafen sanieren. Meine Damen und Herren, genau das machen wir nicht.
Er muss sich aus seinem eigenen Vermögen sanieren – allerdings in der für das Land am wenigsten nachteiligen Weise.
Diese Sanierung – und das wissen alle, die guten Willens sind und diesen Sachverhalt anschauen und abwägen – könnte auch anders aussehen. Sie könnte ohne Weiteres damit enden, dass wir für das Schloss Salem unterhaltspflichtig werden und dass wir aufgrund eines Vergleichs – spätestens am OLG oder am BGH – die Hälfte der Gegenstände, die strittig sind, herausgeben müssen. Das könnte das Ergebnis sein. Dieses Ergebnis werden wir aufgrund eines geschickten Vorgehens nicht bekommen.