Protokoll der Sitzung vom 11.03.2010

Damit ist Tagesordnungspunkt 2 erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP/ DVP – Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Rechtsstellung und Finanzierung der Fraktionen im Landtag von Baden-Württemberg – Drucksache 14/5578

Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschusses – Drucksache 14/5984

Berichterstatter: Abg. Winfried Mack

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

In der Allgemeinen Aussprache erteile ich Herrn Abg. Hitzler das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Es muss zum Selbstverständnis aller Fraktionen gehören, dass sie als Teil des Landtags direkter Adressat der politischen Willensbildung vonseiten der Bürgerschaft sind.

Die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen ist heute wesentlich intensiver, als dies vor 50 bis 60 Jahren der Fall war. Eine gute Öffentlichkeitsarbeit besteht nicht nur darin, ein paar Drucksachen unter das Volk zu bringen. Eine gute Öffentlichkeitsarbeit zeichnet sich dadurch aus, dass man an die Front geht,

(Abg. Reinhold Gall SPD: Jawohl!)

Veranstaltungen, Kongresse und vielleicht auch Wanderungen durchführt. Das ist gut so. Abgeordnete sind Volksvertreter. Sie haben nicht nur in Stuttgart und im politischen Salon zu wirken, sondern gerade auch an der Front bei den Bürgern haben sie eine wichtige Aufgabe. Ferner ist es heute so, dass wir sehr stark im Internet präsent sind. Das war früher nicht der Fall. Das erfordert natürlich auch Aufwendungen.

Klar ist allerdings, dass Fraktionsgelder rechtlich einwandfrei und bestimmungsgemäß verwendet werden müssen. Es ist uns sehr wohl wichtig, dass wir nicht in den Ruf geraten, Steuergelder zu verschwenden.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist auf Klarstellung und Präzisierung aus. Dadurch wird auch die Arbeit des Rechnungshofs erleichtert. Außerdem ist klar, dass es klare Abgrenzungen zur Parteiarbeit geben muss. Fraktionen müssen in gewisser Weise auch ein autonomer Faktor in einer parlamentarischen Demokratie sein. Es ist auch notwendig, dass sich eine Fraktion auf Augenhöhe mit der Regierung befindet.

(Beifall des Abg. Reinhold Gall SPD)

Das gilt sowohl für die Oppositionsfraktionen

(Abg. Reinhold Gall SPD: Insbesondere!)

als auch für die Regierungsfraktionen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDU-Fraktion begrüßt den Gesetzentwurf. Auch nach dessen Umsetzung bleibt unser Landesparlament das Parlament, das die gerings ten Kosten je Einwohner verursacht.

Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP sowie des Abg. Reinhold Gall SPD – Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Brenner das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will an den Vorredner anknüpfen und noch einmal betonen: Ziel des Gesetzentwurfs ist es, die Verfassungs- und Gesetzeswirklichkeit mit der Theorie in Einklang zu bringen. Anlass war die in einer Beratenden Äußerung zum Ausdruck gebrachte Auffassung des Rechnungshofs, dass politische Aktivitäten der Fraktionen – ich darf zitieren – „nicht umfassend“ aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden dürfen.

Dies impliziert ja eigentlich, dass die Rechtsstellung der Fraktionen noch nicht ausreichend gesetzlich präzisiert und geklärt ist, etwa im Blick auf Aktionen, Auftritte – dazu gehört auch der Internetauftritt –, Umfragen und Werbematerialien der Fraktionen.

Genau dem trägt der vorliegende Gesetzentwurf nun dadurch Rechnung, dass er diese Aufgaben präzisiert, indem er erstens die Aufgaben aus heutiger Sicht definiert, zweitens die eigenständige – ich betone: eigenständige – Öffentlichkeitsarbeit zur Vermittlung von Konzepten, parlamentarischen Initiativen und Standpunkten ausdrücklich als Aufgabe der Fraktionen benennt und drittens klarstellt und – das ist auch ganz

wichtig – ergänzend regelt, dass das Ob und das Wie der Wahrnehmung entsprechender politischer Aufgaben keinesfalls Gegenstand der Prüfung durch den Rechnungshof sein kann.

Diese Regelung sanktioniert damit im Prinzip die Verfassungsrechtsprechung, die den Wandel in der parlamentarischen Arbeit eigentlich schon längst anerkannt hat und die Zuordnung von Parlamentsrechten hin zu den einzelnen Fraktionen sowie die Finanzierung der Fraktionen aus öffentlichen Mitteln im Prinzip als verfassungskonform anerkannt und bestätigt hat. Damit wird im Prinzip nicht zuletzt der viel zitierten normativen Kraft des Faktischen Rechnung getragen. Denn die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen hat sich seit dem Inkrafttreten der Verfassung fundamental verändert, weil sich natürlich auch die Gesellschaft und die Demokratie unter den Bedingungen der Mediendemokratie verändert haben.

Dementsprechend müssen auch die Mittel und das Handwerkszeug angepasst werden, nämlich die Möglichkeiten der erweiterten Öffentlichkeitsarbeit zur Unterrichtung von Bürgerinnen und Bürgern, zur Unterrichtung von Interessengruppen, zur Unterrichtung von Verbänden, zur Unterrichtung von Einrichtungen und zum Austausch mit diesen Gruppen. Dazu gehört auch das neue Medium Internet.

Dass dabei insgesamt natürlich die Grenze zwischen Fraktion und Partei nicht verwischt werden darf, versteht sich von selbst. Das bestreitet in diesem Haus eigentlich auch niemand.

Aus diesem Grund stimmen wir dem vorgelegten Gesetzentwurf zu und wünschen uns, weil es die Regierungs- und die Oppositionsfraktionen gleichermaßen betrifft, die Unterstützung des gesamten Hauses.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU und der Grünen – Abg. Thomas Blenke CDU: Ein guter Einstieg, Herr Kollege!)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Frau Abg. Bauer das Wort.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jetzt nachträglich dem Antrag beitreten, auf! – Vereinzelt Heiterkeit)

Das kommt ganz auf die Umstände an.

Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann meinen beiden Vorrednern in Sachen Öffentlichkeitsarbeit in vollem Umfang zustimmen. Auch wir finden es unbedingt sinnvoll und notwendig, dass die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen nicht auf den Landtag und das Haus der Abgeordneten begrenzt wird. Öffentlichkeitsarbeit kann nicht bedeuten, dass nur traditionell Faltblätter ausgelegt werden. Öffentlichkeitsarbeit bedeutet auch nicht nur das Betreuen von Besuchergruppen – schön, dass Sie auf der Besuchertribüne auch zu dieser späten Stunde noch da sind. Das ist ein Teil. Natürlich müssen die Fraktionen aber auch auf die Leute zugehen, und dazu müssen wir aus den Häusern heraus- und nahe an die Menschen herangehen.

Darin haben wir keinen Dissens, zumal auch die Landesregierung in dieser Hinsicht sehr agil ist und keine Kosten scheut, um in ihrer Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern neue Wege zu gehen.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Das ist ja positiv!)

Ich möchte daran erinnern, dass sie mehrseitige großformatige Anzeigen schaltet, um den Leuten klarzumachen, dass ihre Bildungspolitik den Namen „Qualitätsoffensive“ verdiene, und Schokolade neu verpackt und den Lehrerinnen und Lehrern an den Schulen schenkt, damit die bittere Realität an den Schulen süßer schmeckt. All das macht die Landesregierung.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Na ja! Wo waren Sie denn gestern bei der Regierungserklärung, Frau Kol- legin?)

Ich war bei Lehrern und habe von der neu verpackten „Bildungsschokolade“ gekostet.

Es ist völlig klar: Wenn die Regierung so offensiv kommuniziert, müssen natürlich auch die Fraktionen in der Lage sein, aus den Häusern herauszugehen und direkt zu kommunizieren. Hier haben wir keinen Dissens.

(Beifall der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE und Ha- gen Kluck FDP/DVP – Abg. Reinhold Gall SPD: Aber ohne Schokolade!)

Aber Sie alle wissen ja: Die Fraktion GRÜNE steht nicht als Antragsteller in diesem Antrag. Das liegt nicht daran, dass wir mit dem Anliegen, das hierin vertreten wird, nicht übereinstimmten, sondern es liegt an dem, was nicht in diesem Antrag steht. Es fehlt etwas; es gibt eine Lücke in dem vorgeschlagenen Novellierungstext. Wir meinen, es ist höchste Zeit, dass wir uns darauf verständigen, diese Lücke zu füllen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Zu schließen!)

Wir haben miteinander über alle Fraktionsgrenzen hinweg in diesem Haus verabredet, dass in dieser Legislaturperiode zum Thema Funktionszulagen eine neue Regelung auf den Weg gebracht wird. Wir wollen eine gesetzliche Grundlage schaffen, eine verfassungskonforme Regelung, die die Praxis der Zulagen, die an Abgeordnete gewährt werden, auf richtige gesetzliche Füße stellt.

Die Legislaturperiode dauert jetzt gerade noch ein Jahr. Wir haben in letzter Zeit von Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fraktionen leider sehr wenig Signale erhalten, dass es ihnen noch damit ernst ist, diese gesetzliche Regelung zu schaffen. Die grüne Fraktion ist die einzige, die schriftlich einen präzisen Vorschlag hierzu unterbreitet hat, wie Funktionszulagen geregelt und begrenzt werden können. Bis in die Beratungen im Ständigen Ausschuss in der letzten Woche hinein haben wir von allen anderen Fraktionen kein Signal erhalten, dass sie daran interessiert sind, zu handeln. Wir werden es nicht hinnehmen, dass dieses Thema weiter auf die lange Bank geschoben wird. Wir halten daran fest, dass in dieser Legislaturperiode eine gesetzliche Regelung geschaffen wird.

Vor wenigen Tagen haben wir jetzt informell Signale erhalten, dass sich in den Fraktionen doch etwas bewegt und dass

an einer Regelung gearbeitet wird. Es wäre schön und vertrauensbildend für uns gewesen, wenn wir heute hier im Plenum von Ihnen Aussagen dazu gehört hätten.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Kollegin Bauer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Gall?

Aber ja doch.