Woran liegt das alles? Beim Rückhalteraum Weil-Breisach hat das Problem ja inzwischen einen Namen; er lautet wahlwei se „Kies-Affäre“, „Schotter-Affäre“ oder „Gundolf Fleischer“.
Es ist tatsächlich skandalös, wie dieses Verfahren jahrelang verschleppt wurde und wie die Regierung in den vergangenen Monaten damit umgegangen ist.
Ganz klar ist bei diesem Fall, dass die Sache in Stuttgart lag und liegt und die Verantwortung direkt bei der Landesregie rung ist.
Doch woran liegt das bei den anderen Retentionsräumen? Das ist ja tatsächlich die Frage. Die Regierung sagt uns, es liege an der Länge der Genehmigungsverfahren und an den lang
(Abg. Winfried Scheuermann CDU: Das liegt daran, dass es noch mehr gibt, die sich so verhalten, wie Sie das in Karlsruhe veranstaltet haben!)
Da ist sicher etwas dran. Aber die ganze Wahrheit ist das nicht. Es gibt auch andere Genehmigungsverfahren im Land – ich denke etwa an den Straßenbau –, die schnell über die Bühne gehen.
Ich glaube, es sind unterschiedliche Gründe, die beim IRP zu den Verzögerungen führen. Zum einen scheint mir der politi sche Wille für eine schnelle Realisierung nicht sonderlich stark ausgeprägt – zumal ein langsames Tempo den prakti schen Nebeneffekt hat, dass man auch die Kosten über meh rere Jahre hinweg strecken kann und dadurch den jeweils ak tuellen Haushalt nicht so stark belastet. Das passt nun wiede rum zur Feststellung des Rechnungshofs, dass das IRP unter finanziert ist und die verfügbaren Landesmittel erhöht werden müssen. Solange kein Hochwasser kommt, mag die Strategie, es auf die lange Bank zu schieben, aufgehen. Aber wehe, es kommt!
Ein weiterer Grund für die Verzögerung kann die personelle Ausstattung der Genehmigungsbehörden sein. Dass die Um weltverwaltung unter den Verwaltungsreformen der vergan genen Jahre besonders stark gelitten hat, ist kein Geheimnis. Ein komplexes Genehmigungsverfahren macht man natürlich nicht so nebenher.
Was zum Dritten die Frage der Akzeptanzprobleme angeht, glaube ich, dass die Wasserwirtschaft bezüglich der Kommu nikation vor Ort nicht immer glücklich agiert hat. Im Presse spiegel habe ich in der vergangenen Woche das folgende schö ne Zitat gefunden: „Früher hat der Gewässerbauer gesagt: So machen wir das.“ Ich denke, man ist etwas zu lange nach die sem Motto verfahren. Die Akzeptanz könnte größer sein, wenn Fehler von Anfang an vermieden worden wären. Hinzu kommt, dass sich die Landesregierung und die ihr angeglie derte Umweltverwaltung denkbar schwertun, Vorhaben gegen den Widerstand eigener Bürgermeister durchzusetzen.
Zurück zum Retentionsraum Bellenkopf/Rappenwört. Hier ist das Planfeststellungsverfahren noch immer nicht eröffnet. Bis her hat sich die Wasserwirtschaftsverwaltung dabei selbst ein Bein gestellt. Sie hat sich für eine teure technische Lösung entschieden, die auch im Genehmigungsverfahren noch Pro bleme aufwerfen wird.
Spätestens hier sind wir dann auch wieder bei der Frage: Wel che Hochwasserschutzstrategie verfolgt die Landesregierung insgesamt? Diese Frage haben wir nicht nur beim IRP zu be antworten, sondern auch bei vielen anderen Hochwasser schutzmaßnahmen im ganzen Land.
Ein wenig glorreiches Beispiel aus der jüngeren Vergangen heit ist eine geplante Hochwasserschutzmaßnahme im Stru delbachtal. Dieses Beispiel hatte der Rechnungshof in seiner Denkschrift 2009 aufgegriffen. Er hat deutlich gemacht, dass eine ökonomische Optimierung notwendig ist und dies auch
zu einer ökologisch verträglicheren Lösung führen kann. Der artige Beispiele gibt es viele, z. B. wenn bei Leonberg Hoch wasserschutz im Eisengriffgraben mit einem 8 m hohen Damm auf der Grundlage eines Gutachtens aus dem Jahr 1990 verwirklicht werden soll oder wenn absurde Hochwasser schutzmaßnahmen in Form eines Damms quer durch ein Na turschutzgebiet und ein FFH-Gebiet südlich von Ettlingen im Albtal geplant werden.
Der Fokus der Maßnahmen liegt landesweit, aber insbeson dere im Regierungsbezirk Stuttgart noch immer viel zu stark beim technischen Hochwasserschutz: große Rückhaltebecken und hohe Dämme in der Landschaft, anstatt das Gewässer als Ganzes zu betrachten und gewässerökologische Maßnahmen mit Hochwasserschutz zu verbinden. Dies würde im Übrigen auch die Realisierung der Wasserrahmenrichtlinie vorantrei ben. Auch hier hinken wir mit den Maßnahmen und der Ein haltung der Fristen hinterher.
Sowohl beim Integrierten Rheinprogramm als auch im Fall des Strudelbachtals zeigt sich, dass es bei der Gestaltung der Maßnahmen für den Hochwasserschutz und bei deren Umset zungsgeschwindigkeit nicht nur um Geld geht. Wenn sich Ver fahren verzögern, dann führt mehr Geld nicht automatisch zu einer schnelleren Umsetzung, und wenn teure Varianten mit teuren Extras geplant werden, dann hebt das nicht meine Mo tivation und nicht die Motivation meiner Fraktion, die Forde rung nach mehr Geld zu unterstützen.
Frau Ministerin, wir erwarten, dass die Wasserwirtschaftsver waltung ihre Hausaufgaben macht, dass sie ihre Vorhaben un ter ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten opti miert. Wir erwarten, dass Sie einen zeitgemäßen und naturna hen Hochwasserschutz betreiben, statt alte, teure Rezepte wei terzuverfolgen. Wir erwarten, dass die Förderrichtlinien ent sprechend angepasst werden, damit Gewässer ganzheitlich be trachtet werden und nicht weiterhin einseitig auf technische Maßnahmen mit hohen Investitions- und Betriebskosten ge setzt wird.
Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie das Integrier te Rheinprogramm inklusive des ökologischen Teils konse quent vorantreibt und die Umsetzung nicht weiter verschleppt. Wir sind sehr gern bereit, konstruktiv daran mitzuarbeiten und uns für die Bereitstellung der notwendigen Mittel einzuset zen.
Sehr geehrter Herr Präsi dent, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich mei ne beiden Vorredner ernst nehme, dann kann ich eines kons tatieren: Das Thema Hochwasserschutz ist sowohl in der Ge genwart als auch in der Zukunft eine Herausforderung für uns. Es kann aber nicht durch Träumereien verwirklicht werden. Wir müssen es in die Realität hineinbringen. Nur so lässt es sich realisieren. Auch in Zeiten knapper Kassen darf Hoch wasserschutz kein Stiefkind sein. Der Hochwasserschutz ist für uns auch kein Stiefkind.
Wir von der CDU-Fraktion wollen, dass Schäden an öffentli chem und privatem Eigentum durch Hochwasser möglichst erst gar nicht entstehen bzw. dass sie möglichst gering blei ben. Als Abgeordneter des Wahlkreises Rastatt, wo eine di rekte Betroffenheit durch die Flüsse Rhein und Murg besteht, kenne ich die Sorgen der Menschen, weiß aber auch, dass die se von der CDU-Landtagsfraktion und auch von der Landes regierung sehr ernst genommen werden.
Investitionen in den Hochwasserschutz sind Investitionen in die Zukunft. Mit der Umsetzung des Integrierten Rheinpro gramms soll der Hochwasserschutz vor allem unterhalb der Staustufe Iffezheim wiederhergestellt werden.
Hierbei hatte das Land einiges getan. Mit der Inbetriebnahme des Polders Greffern stehen bereits 40 % des zu schaffenden Rückhalteraums zur Verfügung. Der Rückhalteraum Rhein schanzinsel ist im Bau. Ebenso ist erst vor Kurzem der erste Spatenstich zum Hochwasserrückhalteraum Weil-Breisach er folgt. Für die restlichen Retentionsräume sind die Planungs- bzw. Genehmigungsverfahren im Gang. Hierbei ist das Land im Plan.
Sehr geehrte Frau Dr. Splett, lieber Kollege Kaufmann, es sind dicke Krokodilstränen geweint worden – ich habe schon ganz feuchte Füße –,
als über Verzögerungen geklagt wurde, vor allem dann, wenn Verzögerungen durch teilweise übertriebene umweltpolitische Maßnahmen herbeigeführt wurden.
Einsprüche verhindern die weitere Umsetzung der Planungs verfahren und damit auch die Umsetzung der Rückhalteräu me.
Unabhängig von neu zu schaffenden Rückhalteräumen sind weitere technische Maßnahmen zum Erhalt der technischen Anlagen, die dem Hochwasserschutz dienen, erforderlich, weil diese instand zu halten und instand zu setzen sind. Auch dies erzeugt hohe Kosten.
Beides – Integriertes Rheinprogramm und Sanierungen – wer den mit Mitteln des Zukunftsinvestitionsprogramms des Bun des sowie des Landesinvestitionsprogramms 2010/2011 zu sätzlich gefördert, sodass notwendige Vorhaben beschleunigt bzw. vorgezogen werden können.
An dieser Stelle muss man ausdrücklich erwähnen, dass die von den Verantwortlichen oft geforderten Dammverteidi gungswege – ich weiß das aus meinem Wahlkreis – keine Spielwünsche der Zuständigen sind und auch keine politische Ideologie darstellen. Wer einmal erlebt hat, wie Freiwillige bei den Feuerwehren, beim Technischen Hilfswerk oder wie andere Helfer unter widrigen Umständen bei Hochwasser be schädigte oder überbeanspruchte Dämme sichern müssen, der
Sie werden mit diesen zusätzlichen Mitteln gefördert. Zur rechtzeitigen Umsetzung ist ein ständiger, guter Kontakt zwi schen den betroffenen Gemeinden und dem Regierungspräsi dium notwendig. Dies gilt für alle Gewässer I. Ordnung.
Die trockenen Sommer der jüngeren Vergangenheit dürfen uns als Verantwortliche keinesfalls in Sicherheit wiegen. Die Hochwassergefahr lauert ständig. Darüber sind wir uns einig. Deshalb ist es zu loben, dass im Haushalt des Umweltminis teriums des Landes Hochwasserschutz und Hochwasservor sorge ihren Stellenwert haben, und dies auch – ich erwähne es extra noch einmal – in finanziell schwierigen Zeiten. Dies verdeutlicht, dass die Landesregierung die Sorgen und die Ängste der Menschen kennt und entsprechend handelt.
Sehr geehrte Frau Dr. Splett, wenn wir von Dammrückverle gungen reden, dann kommen Sie einmal in meinen Wahlkreis. Erzählen Sie den Menschen in Plittersdorf, in Ottersdorf oder in Wintersdorf, dass Sie den Damm zurückverlegen wollen.
(Abg. Gunter Kaufmann SPD: Darum geht es nicht! – Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE: Darum geht es nicht! Es geht um die Frage „Polder oder Dammrück verlegung?“!)
Darum geht es auch. Darum geht es sehr wohl. Ich möchte die Dinge vielleicht einmal wie Sie etwas überpointiert dar stellen. Ich nehme mir dieses Recht auch einmal heraus und sage: Wenn Sie wieder die Verhältnisse herstellen wollen wie vor Tulla, als wir ökologisch die besten Überflutungsmöglich keiten und die Rheinauen hatten, dann stehen die Menschen, die heute dort wohnen, im Wasser.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Johannes Stober SPD: Das will niemand! – Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE: Das hat niemand gefordert!)
Genau das ist es, was wir verhindern wollen, was wir nicht haben wollen. Deshalb werden wir dafür sorgen, dass es auch bei Hochwasser und in schwierigen Zeiten keine Ebbe in un seren Kassen geben wird.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sehr hohe Sachlichkeit und Sachkenntnis!)