Protokoll der Sitzung vom 14.04.2010

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sehr hohe Sachlichkeit und Sachkenntnis!)

Für die FDP/DVP-Frak tion erteile ich Herrn Abg. Ehret das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Hochwasserschutz nicht nur hier, sondern auch dort, wo die betroffenen Men schen leben – darin sind wir uns alle einig –, ist eine Dauer aufgabe, gerade auch im Hinblick auf den Klimawandel. Herr Kollege Kaufmann, allerdings habe ich, was den Klimawan

del angeht, eine andere Sichtweise. Man weiß, die Klimaex perten sagen, es wird mehr punktuelle Hochwasser geben, so dass man vor Ort punktuelle Maßnahmen treffen muss.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, neben der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie wird uns alle hier im Landtag auch das Thema „Integriertes Rheinprogramm“ noch Jahre beschäf tigen. Kollege Jägel hat gerade auch zu der Dammsanierung ausführlich dargelegt, welche Maßnahmen getroffen und wel che Investitionen getätigt worden sind. Dies alles ist in den Stellungnahmen zu den Anträgen sehr ausführlich dargelegt. Ich bin sicher, Frau Ministerin Gönner wird nachher noch da rauf eingehen.

(Ministerin Tanja Gönner: Worauf?)

Deshalb möchte ich selbst beim Thema Hochwasserschutz nicht die finanziellen Gesichtspunkte wiederholen, die die Kollegen genannt haben, sondern die technischen und ökolo gischen Aspekte beleuchten. Dies tue ich – das sage ich sehr deutlich – gerade deshalb, weil ich mich aufgrund meiner per sönlichen Erfahrungen schon sehr lange damit befasse: seit 1989 als Gemeinderat einer betroffenen Gemeinde und seit 2000 als Vorsitzender der „Bürgerinitiative Wyhl/Weisweil Polder – so nitt“. Dieses „so nitt“ zeigt deutlich, dass wir für einen Polderbau sind, aber in einer anderen Weise.

Zuvor möchte ich mich wie die Kollegen auch persönlich so wie im Namen der ganzen FDP/DVP-Fraktion klar zum Hoch wasserschutz, zum Schutz der Menschen bekennen. Wir wol len Schäden verhindern. Aber klar ist: Der Hochwasserschutz muss ökologisch verträglich sein. Denn nur ökologisch ver träglicher Hochwasserschutz ist erstens ökonomisch und zwei tens auch nachhaltig.

Wir stehen auch zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, wohl wissend – Herr Kollege Jägel, Sie haben recht –, dass dies gerade in den Zeiten schwieriger Haushalte eine große fi nanzielle Herausforderung bedeutet. Aber die Rückführung der Gewässer in einen möglichst naturgemäßen Zustand ist nicht nur Umwelt- und Naturschutz, sondern auch guter Hoch wasserschutz.

Uns muss – das möchte ich ins Gedächtnis zurückrufen – in der gesamten Diskussion über den Hochwasserschutz auch bewusst sein, dass es beim Hochwasserschutz keine absolute Sicherheit gibt – diese Diskussionen haben wir mit dem frü heren Umweltminister Müller sehr häufig geführt – und dass die Maßnahmen maximal auf einen Schutz gegen ein 200-jähr liches Hochwasser ausgerichtet sein können.

Wichtig ist der FDP/DVP-Landtagsfraktion auch, dass die be troffenen Regionen von Anfang an in den Verfahren beteiligt werden und dass ihre Sorgen und Vorschläge ernst genommen werden. Es muss auch gewährleistet sein, dass kein Raum überlastet wird.

Nun liegen die Meinungen über ökologische Verträglichkeit gerade beim IRP sehr weit auseinander. Dies gilt vor allem in den Räumen südlich des Polders Altenheim.

In einer Pressemeldung haben Sie, Frau Ministerin Gönner, Verständnis dafür gezeigt – ich zitiere –, „dass die mit dem Bau von Hochwasserschutzprojekten verbundenen Eingriffe in Natur und Landschaft in der Bevölkerung nicht immer oh

ne Auseinandersetzungen ablaufen“, und haben erklärt, dass Sie versuchen wollen, die Menschen zu überzeugen. Das freut mich. Ich kann Ihnen versichern: Die Betroffenen sind jeder zeit für alle Diskussionen offen, und die Betroffenen zeigen auch Verantwortung für die unterliegenden Rheingemeinden.

Aus meiner Sicht wäre es aber wichtig, dass Sie, Frau Minis terin Gönner, mit dem Umweltausschuss in die Region kom men. Ich hoffe, dass Sie, Herr Bauer – der Termin ist von Ih nen, Herr Bauer, zugesagt worden –, mit Frau Dr. Dahlbender in unsere Region kommen.

Im Gegensatz zu Ihnen aber, Frau Gönner, sehe ich schon, dass es Alternativen zu den Planungen des Landes gibt.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr richtig!)

Man muss wissen, worin die Hauptbedenken der Betroffenen bestehen. Sie haben nicht vor allem Angst vor nassen Kellern oder vor Malaria. Die Hauptbedenken der Betroffenen bezie hen sich vielmehr auf einen Waldumbau. Die frühere Sprach regelung war, man wolle den Wald gewöhnen. Die Landes forstverwaltung und sämtliche führenden Förster haben ge sagt, der Wald lasse sich nicht gewöhnen.

Nun will man den Wald umbauen. Wir hatten vor wenigen Wochen den Leitenden Forstdirektor unseres Landratsamts in unserer Heimatgemeinde, als es um den Forsteinrichtungsplan gegangen ist. Ich habe ihn konkret gefragt, wie er zu diesem Waldumbau stehe. Er sagte ganz eindeutig, er glaube nicht da ran. Auch viele Biologen bezweifeln, dass der Waldumbau funktioniert. Wenn man weiß, wie wertvoll diese Ökosyste me des Rheinwalds in der Rheinniederung sind – sie sind ein erheblicher Klimafaktor –, dann muss man den Menschen na türlich zugestehen, dass sie diesen wichtigen Klimafaktor er halten wollen.

Wir wissen, die Franzosen haben ein Anrecht auf eine Was serkraftnutzung. Diese ist ökologisch sinnvoll. Das Anrecht der Franzosen beträgt 1 550 m3 pro Sekunde. Deshalb beste hen Bedenken, dass wir für den Umbau, also für die Nassaue, nicht genügend Wasser haben, dass aber das zugeführte Was ser für die Trockenaue dann doch zu viel ist. Man befürchtet, dass hier Steppen entstehen.

Wir halten es für wichtig, dass wir als Gewöhnungsmaßnah me eine erweiterte ökologische Schlutenlösung bringen. Es gibt den Fachbegriff Wechselwasserstandsauen. Sehr wichtig für die Dynamik ist das Entschlammen der alten Rheinauen wie bei der Revitalisierung des Taubergießen. Frau Gönner, darin sind wir uns einig. Das haben wir auch miteinander be sichtigt. Dort haben wir viele positive Anregungen gegeben. Das ist genau in unserem Sinn. Ich denke, wenn wir diese Lö sungen für unsere Polder miteinander erreichen, dann können wir gemeinsam etwas für die Region tun.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Ehret, kommen Sie bitte allmählich zum Ende.

Das Dilemma ist – dafür kann die Landesregierung nichts –, dass allein der Parameter Stau volumen aus unserer Sicht nicht ausreicht. Wir müssen dort gemeinsam Lösungen finden. Ich möchte die Kolleginnen und

Kollegen noch einmal eindringlich bitten. Ich habe in den letz ten vier Jahren oft angeboten, Ihnen die Vorschläge und Pro bleme in den betroffenen Regionen vorzustellen. Nehmen Sie die guten Vorschläge vor Ort auch ernst. Gehen Sie mit uns hinaus. Vielleicht finden wir miteinander einen Kompromiss für einen ökologisch verträglichen Hochwasserschutz.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die Landesregie rung erteile ich Frau Ministerin Gönner das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will damit beginnen, dass ich deutlich mache, dass die Landesregierung nicht nur ein großes Interesse daran hat, den Menschen im Land Hochwasserschutz zu gewährleisten, sondern sich dafür auch einsetzt. In den vergangenen zehn Jahren wurden für den Hochwasserschutz, für die unterschied lichen Maßnahmen 550 Millionen € an Landesmitteln einge setzt,

(Abg. Albrecht Fischer CDU: Hört, hört!)

für Maßnahmen, die – der Kollege Jägel hat darauf hingewie sen – neben der Herstellung von Rückhaltemaßnahmen ins besondere auch Dammsanierung und Ähnliches beinhalten.

Ich würde nach dem, was von einzelnen Rednern hier gesagt wurde, am allerliebsten einen Grundkurs über Hochwasser schutz im Allgemeinen und im Besonderen machen. Denn das, was hier von einigen gesagt wurde, war für mich schon inso fern erstaunlich, als ich genau weiß, dass diejenigen es besser wissen, was die Inhalte angeht, und ich genau weiß, mit wem welcher Teil der Verwaltung welche Gespräche geführt hat und welche Aufklärung stattgefunden hat.

Ich nehme aber gern die Gelegenheit wahr, den einen oder an deren Punkt noch einmal richtigzustellen, indem ich darauf hinweise – das ist mir wichtig –: Wenn hier vonseiten der Op position das Gespenst „hochgefahren“ wird, die Entscheidung in einem Rückhalteraum – im Übrigen in zwei von insgesamt vier Abschnitten dieses gesamten Rückhalteraums – führe da zu, dass der Hochwasserschutz nicht gewährleistet sei, dann widerspreche ich dem aufs Äußerste, und zwar deshalb,

(Zurufe der Abg. Johannes Stober SPD und Dr. Gi sela Splett GRÜNE)

weil das Land Baden-Württemberg heute 66 Millionen m3 der rund 160 Millionen m3 an zu erbringendem Retentionsvolu men fertiggestellt hat. Das macht rund 40 % des Gesamtvo lumens mit drei Rückhalteräumen aus. Wenn man die Maß nahme X gegen die Maßnahme Y stellt, kommt man natürlich auf die Idee, dass das bisher wenig sei. Wenn man aber weiß, dass es sich um 40 % handelt, dann sieht es anders aus.

(Abg. Johannes Stober SPD: Das hat der Kollege auch gesagt! – Zuruf der Abg. Dr. Gisela Splett GRÜ NE)

Ja, ja. – Jetzt kommen wir aber noch zu einem weiteren Punkt, dessen Darstellung, glaube ich, wichtig ist: Mit diesen

40 % ist im Übrigen der Schutz gegen 100- bis 120-jährliche Hochwasser entlang des Rheins sichergestellt.

(Abg. Albrecht Fischer CDU: Hört, hört!)

Tun Sie also bitte nicht so, als wäre der Hochwasserschutz nicht sichergestellt. Das ist mir wichtig.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf der Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE)

Lieber Herr Kaufmann, Sie haben darauf hingewiesen, dass Frankreich und Rheinland-Pfalz fertig seien bzw. schon mehr gemacht hätten als Baden-Württemberg. Diese Aussage ist völlig falsch. Rheinland-Pfalz hat als Soll 46 Millionen m3 an Rückhalteraum zu erbringen. Fertiggestellt sind 16 Millio nen m3. Baden-Württemberg hat bereits 66 Millionen m3 fer tiggestellt.

(Zuruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)

Frankreich ist fertig, hatte aber deutlich weniger zu erbringen als wir. Frankreich hat 58 Millionen m3 an Rückhalteraum zu stellen. Noch einmal: Wir haben in Baden-Württemberg schon heute 66 Millionen m3 an Rückhalteraum zur Verfügung ge stellt.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Wir haben mehr Kies als Frankreich!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich amüsiere mich etwas darüber, wenn der Landesregierung vorgeworfen wird, sie habe den Polder Söllingen noch nicht in den Probebetrieb gebracht. Das hört sich so an, als hätten wir das nicht hinbe kommen. Dazu muss man allerdings wissen, dass man den Polder nur dann in den Probebetrieb nehmen kann, wenn man dem Rhein entsprechend Wasser entnehmen darf.

Jetzt habe ich die große Hoffnung, dass die Opposition von mir nicht erwartet, dass ich abends in meinem Nachtgebet den Herrgott bitte, er möge uns ein Hochwasser bringen, damit ich dann den Polder Söllingen in den entsprechenden Probebe trieb bringen kann.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

Das bedeutet, dass ich fünf Tage lang einen Abfluss von 2 000 m3 Wasser aus dem Rhein haben muss, damit ich die sen Probebetrieb überhaupt machen kann. Denn es gibt Vege tationsphasen – Frau Splett, Sie haben Ihrem Kollegen das ge rade richtig erklärt. Ich darf diese Probeflutungen nur in be stimmten Teilbereichen machen.

(Zuruf der Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE)

Deswegen lege ich Wert auf die Feststellung: Es liegt nicht an der Landesregierung. Vielmehr liegt es erfreulicherweise da ran – das will ich auch in dieser Deutlichkeit sagen –, dass wir in den vergangenen Jahren von Hochwassern verschont ge blieben sind. Sie können – das will ich Ihnen sagen – davon ausgehen, dass ich in mein Nachtgebet durchaus die Bitte ein schließe, dies möge noch möglichst lange so bleiben.