Auch wenn der Staat in Zeiten der Wirtschaftskrise das Füll horn ausschüttet und mehr als 2 Milliarden € aus dem Kon junkturpaket II und dem Infrastrukturprogramm des Landes in die öffentlichen Haushalte von Baden-Württemberg flie ßen, ist er dem Steuerzahler eine Kontrolle schuldig. Es war richtig, die Konjunktur anzukurbeln, Straßen zu sanieren, Schulen und andere öffentliche Einrichtungen zu modernisie ren und die Breitbandverkabelung auf dem Land voranzutrei ben. Es war auch richtig, den Hemmschuh der sperrigen öf fentlichen Ausschreibung für zwei Jahre zurückzudrängen, um die Chancen einer vereinfachten und beschleunigten Ver gabe mit erhöhten Wertgrenzen für unsere mittelständische Industrie zu nutzen. Die Kommunen, Herr Prewo, haben dies ja auch genutzt; sie sind der Empfehlung gefolgt. Die Welt wirtschaft beeinflussen wir damit nicht, aber wir stärken die Wachstumskräfte im Land.
Der Markt hat aber auch vor der Krise funktioniert, und da mals hatten wir weiß Gott geringere Wertgrenzen. Die Kom munen haben die Chance der vereinfachten Vergabe genutzt. Aber ich glaube, es ist zu früh, jetzt schon Bilanz zu ziehen. Der „Staatsanzeiger“ weist darauf hin, dass die neuen Wert grenzen zu einer Kostensteigerung von bis zu 20 % geführt haben. Das mag bei Weitem nicht die Regel sein, zumal die Veröffentlichung der erteilten Aufträge im Internet und die In formationen zu Bieterrotationen mehr Transparenz in das Ver gabeverfahren gebracht haben. Diese Transparenz müssen wir beibehalten. Sie beugt Korruption und Vetterleswirtschaft vor.
Die Erfahrungen, die wir mit den angehobenen Wertgrenzen machen – die übrigens nicht nur auf Konjunkturmittel und auf das Konjunkturpaket beschränkt sind –, werden wir Ende des Jahres sorgfältig evaluieren. Wo der Wettbewerb einge schränkt ist oder ganz fehlt, steigen die Preise; das ist eine lei dige Erfahrung. Die angespannte finanzielle Situation der öf fentlichen Haushalte zwingt dazu, jeden Cent zweimal umzu drehen und sparsam mit öffentlichen Mitteln umzugehen.
Im Unterschied zur SPD sehen wir zurzeit keinen drängenden Handlungsbedarf, an den bestehenden Wertgrenzen etwas zu
ändern oder über 2010 hinaus an ihnen festzuhalten. Denn der Bund hat gerade ein neues Vergaberecht mit dem Ziel vorge legt, Vereinfachungen und Verfahrenserleichterungen zu er reichen, überflüssige Vorschriften zu streichen, Investitions hemmnisse abzubauen, mehr Transparenz zu schaffen und für eine mittelstandsfreundliche Ausgestaltung des Vergaberechts zu sorgen.
Die neuen Regelungen im Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gelten auch zwingend für Län der und Kommunen. Es besteht eine Pflicht zur Aufteilung großer Aufträge in Lose. Diese Mittelstandsklausel hilft klei nen und mittleren Unternehmen, sich an öffentlichen Aufträ gen erfolgreich zu beteiligen.
Wer noch immer nicht glaubt, dass Stuttgart 21 einen Kon junkturschub für unseren regionalen Mittelstand bringt, wird spätestens jetzt eines Besseren belehrt. Der Preis wird künf tig nicht mehr allein ausschlaggebend sein. Das neue Verga berecht sieht vor, dass öffentliche Auftraggeber ihre Aufträge nur an leistungsfähige, fachkundige und zuverlässige Auftrag nehmer vergeben. Dabei werden neue Präqualifizierungssys teme eingeführt, die zwar einen Mehraufwand mit sich brin gen, jedoch auch die Nachteile aufwiegen, die Billigangebo te nach sich ziehen.
Neu ist auch, dass soziale, umweltbezogene und innovative Anforderungen an den Auftragnehmer gestellt werden dürfen, sofern diese in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen – endlich eine wirksame Waffe ge gen ausbeuterische Kinderarbeit, gegen Umweltsünder, gegen Lohndumping, und ein Mittel, Unternehmen zu begünstigen, die sich für die Gesellschaft, für nachhaltiges Wirtschaften und für Ausbildungsplätze einsetzen.
Es liegt also noch eine Menge Arbeit vor uns. Es ist nicht al les befriedigend geregelt, wie beispielsweise die Inhouse-Ver gabe. Das neue Vergaberecht ist jedoch ein evolutionärer Schritt nach vorn. Es ist schlanker und praxistauglicher ge worden. Davon wird unser Mittelstand profitieren. Davon wird auch unser Land profitieren, insbesondere dann, wenn wir auch die elektronische Auktion nutzen.
Ende dieses Jahres werden wir einen Erfolgsbericht haben, der die Erfahrungen mit den Wertgrenzen aufzeigt. Dann werden wir eine Entscheidung treffen.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Herr Kollege Prewo hat eingangs be reits darauf hingewiesen, dass der Antrag, über den wir heu te diskutieren, über ein Jahr alt ist. Es ging darum, die Rege
lung, die auf Bundesebene im Rahmen des K II beschlossen worden ist, nämlich die Wertgrenzen für die beschränkte und die freihändige Vergabe zu erhöhen, auf die Landesebene zu übertragen. Dem ist die Landesregierung damals gefolgt und hat eine entsprechende Verordnung erlassen.
Die Regelung mit den höheren Schwellenwerten sollte helfen, die Konjunkturkrise zu überwinden. Außerdem sollte das Ver fahren zeitlich beschleunigt werden. Das Ganze war von An fang an bis Ende dieses Jahres, also bis Ende 2010, befristet.
Man muss hinzufügen, dass die Anhebung der Schwellenwer te bereits damals nicht unumstritten war. So haben sich bei spielsweise die IHK Region Stuttgart und der Deutsche In dustrie- und Handelskammertag schon damals skeptisch ge äußert; sie haben diese Regelung als zweischneidig bewertet und die Gefahr einer geringeren Transparenz hervorgehoben.
Auch wir halten Transparenz – die Vorredner haben bereits darauf hingewiesen – sowie die Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs mit gleichen Chancen für alle Anbieterinnen und Anbieter für sehr wichtig. Es kann nicht sein, dass gute oder auch schlechte Beziehungen zur Verwaltung darüber entschei den, ob man einen Auftrag erhält oder nicht.
Schließlich geht es auch um die wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Mittel. Wir sind dafür verantwortlich, dass Steu ergelder wirtschaftlich eingesetzt werden. Wir glauben, dass öffentliche Ausschreibungen gut geeignet sind, um diese Grundsätze umzusetzen. Deshalb sollte das nicht die Ausnah me, sondern die Regel sein.
In Freiburg wurde einmal bezogen auf alle Auftragsvergaben im Jahr 2008 hochgerechnet, welche Auswirkungen die neu en Wertgrenzen für öffentliche, beschränkte und freihändige Ausschreibungen gehabt hätten. Dabei kam heraus, dass 76 % der Aufträge nicht mehr öffentlich hätten ausgeschrieben wer den müssen. Daran erkennt man, dass das, was eigentlich die Regel sein sollte, zur Ausnahme wird. Deshalb halte ich das für schwierig.
Ich habe mich einmal auf der Seite „www.service-bw.de“ um geschaut. Ich habe es nicht allumfassend nachzählen können, aber bei allen Stichproben, die ich gemacht habe, kam heraus, dass alle Vergaben aufgrund der Ausnahmeregelungen des K II erfolgt sind. Das heißt, sie sind nicht öffentlich ausge schrieben worden.
Für uns Grüne ist es natürlich wichtig, regionale Unterneh men und das Handwerk zu stützen und regionale Wirtschafts kreisläufe zu stärken. Entscheidend ist an dieser Stelle, dass die Kommunen auch nach dem Jahr 2010, wenn die Konjunk turpakete sozusagen verbaut sind, weiter investieren, sanie ren und bauen können. Dabei ist das Land in der Pflicht, für eine solide Finanzausstattung der Kommunen Sorge zu tra gen.
Wichtig ist zudem – das ist auch schon angesprochen worden –: Es geht nicht darum, das billigste Angebot auszuwählen, sondern es geht eben immer um das wirtschaftlichste. Dies wird in allen entsprechenden Regularien betont. Es geht auch darum, dies vor Ort auszuschöpfen.
Was für uns bislang ein Defizit darstellt, ist die Schwierigkeit bezüglich ökologischer und sozialer Kriterien. Laut EU-Richt
linie ist es ausdrücklich möglich, nach ökologischen und so zialen Kriterien auszuschreiben. Es besteht aber noch immer mangelnde Rechtssicherheit. Da ist unseres Erachtens der Bund in der Pflicht,
dafür zu sorgen, dass Klarheit geschaffen wird, dass es auch Strategien und Leitfäden dazu gibt, wie ökologische und so ziale Kriterien bei der Vergabe einfließen können. Herr Kol lege Löffler, dazu gehört für uns auch, dass man sich bundes weit dafür einsetzt, dass Tariftreueregelungen aufgenommen werden.
Schließlich ist es entscheidend, dass größere Aufträge – Sie haben es gesagt; es ist jetzt festgeschrieben worden – in Fach- und Teillose aufgegliedert werden müssen, damit auch kleine mittelständische Unternehmen eine Chance haben.
Von unserer Seite sehen wir eine Verlängerung der Schwel lenwerte, wie sie im Zuge des Konjunkturpakets II praktiziert worden ist, grundsätzlich skeptisch. Es geht erst einmal dar um, zu schauen, ob die Ziele, die man hatte, erfüllt wurden. Wir brauchen Transparenz, fairen Wettbewerb und wirtschaft liche Mittelverwendung. Mit dieser Meinung stehe ich nicht allein da.
Frau Präsidentin, das ist mein letzter Punkt. – Es gibt eine gemeinsame Presseerklärung vom Zentralverband des Deut schen Handwerks, von der Bundesvereinigung Bauwirtschaft, von der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt und vom DGB, um nur vier von vielen zu nennen. Darin heißt es u. a.:
Wir lehnen eine Fortgeltung der hohen Schwellenwerte aus dem Konjunkturpaket II über den 31. Dezember 2010 hinaus ab, da dies dauerhaft den Wettbewerb und die Transparenz der Auftragsvergabe einschränkt.
Frau Präsidentin, meine Da men und Herren! Wir haben heute ein wichtiges, schwieriges, sehr komplexes Thema zu besprechen. Ich kenne die Diskus sionen seit Jahren. Wir haben nach langen Debatten darüber, wie wir die VOB am besten neu regeln, am 18. Dezember 2007 neue Wertgrenzen beschlossen.
Damals hat sich die Gemeindeprüfungsanstalt sehr dagegen gewandt, dass wir die Wertgrenze für die freihändige Verga be auf 20 000 € angehoben haben. Aber glücklicherweise konnten wir damals einige Ausschreibungen bzw. neue Wert
grenzen einführen. Das war sehr wichtig, weil sich die Preise ändern. Wir müssen dem Handwerk die Chance geben, auch in der geänderten Preisgestaltung entsprechend agieren zu können.
(Beifall des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP – Abg. Ha gen Kluck FDP/DVP: Richtig! – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Nicht herausbringen!)
Meine Damen und Herren, mit der Beschleunigung der Ver gabe öffentlicher Aufträge durch die Konjunkturprogramme haben wir es ermöglicht, dass einzelne Bauprojekte wirklich schnell und sehr unbürokratisch abgehandelt werden konnten.
Es gab aber durchaus auch Gegenstimmen, und viele Bürger meister bezeichneten diese Art der öffentlichen Ausschreibung als wettbewerbsverzerrend.
Sie haben sich deshalb an die normalen, an die alten Aus schreibungsregelungen gehalten. Es war also keineswegs so, dass die Regelungen überbordend angenommen wurden, ob wohl ich gerade diese Art der Subsidiarität für positiv gehal ten habe.
Herr Prewo hat es richtig ausgeführt: Das Handwerk ist für uns, auch in den Regionen, unabdingbar wichtig. Wir brau chen das Handwerk für die Ausbildung und auch für unsere ländlichen Gebiete. Aber die Vergabe muss natürlich auf der Basis der Wirtschaftlichkeit und diskriminierungsfrei erfol gen.
Meine Damen und Herren, wir haben üblicherweise in den Gemeinden keine Schubladenplanungen. Deshalb sind nor malerweise immer längere Planungsphasen vorhanden, sodass beschleunigte Vergaben nur in relativ geringem Umfang er folgen. Wir haben die Sonderregelung mit Wertgrenzen von 1 Million € für die beschränkte Ausschreibung und 100 000 € für die freihändige Vergabe bis zum 31. Dezember 2010 und sind darüber hinaus zu einer gemeinsamen, bundesweit ge schaffenen Vergabesituation gekommen.
Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass die neuen Vergabe situationen nicht zu sehr viel Bürokratie und nicht zu schwe rerer Handhabbarkeit führen, weil die verschiedenen Kriteri en, die ja bereits genannt wurden, dann in der Praxis, eventu ell auch im Rechtsstreit, umgesetzt werden müssen.
Eines steht fest: Viele Unternehmen schreiben auch deshalb heute nicht mehr aus, weil die Vergabeverfahren dermaßen komplex sind. Wie wir alle wissen, hat die Ausschreibung für das Klinikum in Heidelberg 18 Aktenordner umfasst, sodass viele sagten: „Wir machen da überhaupt nicht mehr mit“, und viele kleinere Unternehmen sagten: „Wir sanieren lieber den Pfusch am Bau, bevor wir uns hier mit viel Bürokratiekram beschäftigen.“