Protokoll der Sitzung vom 15.04.2010

Der zweite Punkt bezieht sich auf die Umsetzung des Orien tierungsplans, der in Baden-Württemberg flächendeckend ein geführt werden soll. Sie haben sicher noch die Debatte darü ber im Ohr, dass der Orientierungsplan unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht umgesetzt werden kann; dies hat auch die Modellphase gezeigt.

Die Landesregierung hat sich mit den kommunalen Landes verbänden im November darauf geeinigt, den Personalschlüs sel bis zum Jahr 2012 um 0,3 Stellen auf 1,8 Stellen pro Grup pe anzuheben. Dies macht weitere ca. 5 000 zusätzliche Fach

kräfte erforderlich. Damit sind wir dann schon bei einem Be darf von über 12 000 zusätzlichen Kräften.

Das ist keine Ideologie, sondern ich habe nur sachlich und fachlich die Zahlen addiert. Dies zeigt, dass wir einen riesi gen Bedarf an zusätzlichen pädagogischen Fachkräften im Be reich Frühpädagogik haben.

Kollege Mentrup hat es gerade ausgeführt: Vielleicht wäre es ein ganz guter Vorschlag, der Familienforschungsstelle den Auftrag zu geben, einmal nachzurechnen und zu eruieren, wie viel zusätzliches Personal im Bereich der Kindertagespflege – Erzieherinnen, Frühpädagogen – notwendig ist, wie sich die Betreuungsquote bis zum Jahr 2013 erhöht und wie die demo grafische Entwicklung bei der Altersgruppe der Kinder ist, da mit wir hier nicht im Nebel stochern, sondern konkrete Zah len haben. Ich glaube, die Familienforschungsstelle wäre die richtige Adresse, um solche Daten zu erheben.

Was heißt das jetzt? Das heißt zum einen, dass man mehr jun ge Menschen für den Beruf begeistern muss, und zum ande ren, dass der Beruf auch die notwendige gesellschaftliche An erkennung braucht. Sie wissen, dass der Konkurrenzkampf um junge Menschen im Bereich der Ausbildung grundsätzlich schon begonnen hat. Da tun sich die Sozialberufe ohnehin schwer. Dann gibt es noch den Wettbewerb um junge Men schen innerhalb der Sozialberufe, also zwischen Pflege, Al tenbetreuung und Kinderbetreuung. Deshalb halten wir es für notwendig, eine Imagekampagne, eine Werbekampagne zu starten, um für diesen Beruf zu werben.

Jetzt gibt es auf der Homepage des Kultusministeriums – die habe ich mir gestern angeschaut – ein kleines Video, ein Film chen. Das ist zwar nett, aber das verstehe ich nicht als Image kampagne. Unter einer Werbekampagne stelle ich mir auch mehr vor als die Broschüre, die derzeit verteilt wird.

(Abg. Albrecht Fischer CDU: Noch teurer?)

(Abg. Albrecht Fischer CDU: Sollen wir es noch teu rer machen?)

Wenn man auch mehr Männer für den Beruf begeistern will –

(Zuruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)

leider sind nur 2 % des pädagogischen Fachpersonals Män ner –, dann muss man die Leute anders ansprechen und muss eine effektivere Imagekampagne machen als das, was derzeit von der Landesregierung im Angebot ist. Vielleicht gibt es da zu aber demnächst neue Vorschläge.

Was schlagen Sie jetzt vor? Die Qualitätsoffensive Bildung der Landesregierung hat für die Gewinnung zusätzlicher Fach kräfte sechs zusätzliche Klassen in der Erzieherausbildung ge schaffen. Das sind ca. 120 neu geschaffene Ausbildungsplät ze. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist bei einem Fehl bedarf von knapp 10 000 Fachkräften – das merken Sie doch selbst – nicht ausreichend. Mehr Klassen sind angekündigt worden. In der Stellungnahme zum Antrag Drucksache 14/4530 ist dies alles ein bisschen diffus ausgeführt. Es gibt keine Angaben darüber, wie viele Klassen es werden sollen und wo diese dann entstehen sollen.

Der zweite Bereich, in den die Landesregierung dankenswer terweise eingestiegen ist, Kollege Hoffmann, sind die 600 neu geschaffenen Studienplätze. Jetzt wird sich zeigen müssen, ob diese Absolventinnen und Absolventen überhaupt in diesem Bereich arbeiten. Im Sommer 2010 kommen die ersten Ab solventen auf den Arbeitsmarkt. Es ist jedoch fraglich, ob die se im Bereich der Kindertagesbetreuung arbeiten werden, wenn sie nicht die entsprechenden Stellen und vor allem nicht die entsprechende Bezahlung bekommen.

(Abg. Katrin Altpeter SPD: Genau! – Abg. Marianne Wonnay SPD: Die Bezahlung ist der wichtige Punkt!)

Im Augenblick haben wir einen Anteil von 3 % akademisch ausgebildeter Fachkräfte im Bereich von Kindertagesstätten. Sie gehen davon aus, mittelfristig eine Quote von 10 % zu er reichen. Dabei ist mir wichtig, dass die zusätzlichen Studien plätze nicht nur an den Pädagogischen Hochschulen einge richtet werden, sondern auch an den Hochschulen für Sozial pädagogik sowie an den Standorten der Dualen Hochschule. Daher kann ich mich mit der Antwort der Landesregierung nicht zufriedengeben, in der angekündigt wird, die zusätzli chen Studiengänge weiterhin primär an den Pädagogischen Hochschulen einzurichten.

Uns ist es wichtig, aufzuzeigen, dass die Elementarpädago gik, die Frühpädagogik eine eigenständige pädagogische Fachrichtung ist, dass es hier nicht um eine Verschulung der Ausbildung geht und dass die Kindertageseinrichtung keine Vorschule ist, sondern auch sozialpädagogische Elemente ent hält. Daher wäre es, glaube ich, richtig und wichtig, zusätzli che Studienplätze nicht nur an den Pädagogischen Hochschu len, sondern auch an anderen Hochschulen einzurichten.

Wir müssen uns mit dem Thema des zusätzlichen Fachkräfte bedarfs sehr schnell beschäftigen, weil schon jetzt einige Städ te – Stuttgart sucht über 100 Erzieherinnen, aber auch in Her renberg besteht großer Bedarf, wie jetzt in der Presse zu lesen war – Schwierigkeiten haben, ihre frei werdenden Stellen zu besetzen. Die bisherigen Bemühungen der Landesregierung lassen mich da nicht unbedingt hoffen und lassen nicht auf ein sehr konsequentes Handeln schließen.

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Die Fachschulen wurden um eine Fachschule im öffentlichen Bereich und eine Fachschule im privaten Bereich erweitert. Die Schülerzahlen sind um ca. 200 gestiegen. Das reicht aber nicht aus.

Sie haben in der Stellungnahme zu dem Antrag darauf hinge wiesen, wie Sie Bewerberinnen und Bewerber akquirieren, und haben dabei viele Einzelmaßnahmen aufgezählt: Aktions programm Chancengleichheit, BOGYs, einen Fachtag der Landesstiftung zum Thema „Kinder brauchen männliche Be zugspersonen!“. Wie gesagt, auf der Homepage ist ein kleiner Film. Aber ich glaube nicht, dass das eine Gesamtstrategie ist. Wir brauchen jedoch eine Gesamtstrategie, die den Ausbau der Kapazitäten an den Fachschulen, die Akquise und das We cken der Begeisterung junger Menschen für den Beruf des Er ziehers sowie die Verbesserung der Rahmenbedingungen um fasst. Das muss mehr beinhalten als diese kleinen Einzelschrit te und Einzelteile.

Jetzt habe ich, glaube ich, die gesamte Redezeit für unsere Fraktion leider schon

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Verbraten!)

verbraucht. Ich wollte eigentlich noch unsere Bausteine für den Aktionsplan konkreter vorstellen, weil darin u. a. auch der Bereich Neugründung von Fachschulen enthalten ist. Ich weiß, dass es Anfragen von Trägern gibt, die gern eine Fach schule gründen möchten und die auch das Ministerium ange schrieben haben, aber leider noch keine Antwort bekommen haben. Dabei wäre es wichtig, auch in diesem Bereich Neu gründungen von Fachschulen zu erleichtern, was auch die Be freiung von der Wartefrist zur Folge haben könnte. Das Zwei te wäre, im Bereich von Wiedereinstiegsprogrammen und Qualifizierung von arbeitslosen Erzieherinnen und Erziehern gemeinsame Projekte zu starten, um auch die aus der Arbeits welt ausgestiegenen Erzieherinnen und Erzieher wieder für eine Anstellung zu gewinnen.

Mein Vorschlag ist deshalb, den Beschlussteil unseres Antrags zum Aktionsplan für Erzieherinnen und Erzieher an den zu ständigen Ausschuss zu überweisen, um diese offenen Punk te dort noch einmal detaillierter diskutieren zu können.

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD sowie des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

War das jetzt die gesamte Redezeit?

Das war die gesamte Redezeit, Frau Kollegin. Es wird immer die gesamte Zeit an gezeigt, und jeder Abgeordnete kann für sich selbst entschei den, wie er die Aufsplitterung in der ersten und zweiten Run de machen will. Sie haben leider das gesamte Feld abgeräumt.

(Heiterkeit)

Ich glaube, ich habe schon ein mal gehört, dass das so ist.

Es ist so. Wir können im Präsidium noch einmal darüber reden, dass wir vor jeder Debatte noch einmal die Spielregeln erklären. Aber dann ver längern sich die Landtagssitzungen dramatisch.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Schaffen wir doch diesen Moderator! Für B 6 würde ich das machen!)

Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Abg. Hoffmann das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Der Antrag der SPD-Fraktion ist vom Februar 2009 und damit über ein Jahr alt. Wir haben leider wieder einmal einen Ladenhüter auf der Tagesordnung.

Aber, lieber Herr Mentrup, Sie haben mir bei einigen Punk ten sehr aus dem Herzen gesprochen. Ich bin wirklich froh da rüber, dass wir uns bei diesem Thema zumindest inhaltlich, was die Zielrichtung betrifft, glaube ich, fraktionsübergrei fend nicht allzu sehr unterscheiden. Es geht am Ende um die Frage: Was wird daraus gemacht? Wird so umgesetzt, wie Sie es sich vorstellen, wie wir es uns vorstellen? Gibt es da Dif

ferenzen? Ich glaube, bezüglich des Inhaltlichen haben wir gar keine großen Unterschiede.

Was ist heute der Sachstand? Liebe Frau Kollegin Lösch, nachdem Sie keine Zeit mehr hatten, auf Ihren Aktionsplan einzugehen, will ich einige Teile aus Ihrem Aktionsplan auf greifen, allerdings wahrscheinlich nicht in dem von Ihnen ge wünschten Sinn.

(Vereinzelt Heiterkeit – Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Die Grünen treffen in ihrem Antrag zum einen die Aussage: Es gibt unklare Berufsaussichten für die Absolventen der neu en Studiengänge. Das halte ich für interessant. Gleichzeit for dern sie einen Ausbau dieser Studiengänge. Ich finde, man muss schon sehr grün sein,

(Vereinzelt Heiterkeit)

um diesen Gedankensprung nachvollziehen zu können, weil dies natürlich ein Widerspruch in sich ist.

Frau Lösch, Sie haben es angesprochen, Sie haben mich auch namentlich angesprochen: Die Initiative aus dem Jahr 2007 hat dafür gesorgt, dass wir inzwischen nicht mehr 600, son dern 700 Studienplätze haben. Das sind natürlich auch Aus bildungsplätze in diesem Bereich, die zusätzlich zur Fach schulausbildung dazugekommen sind. Sie stellen sicherlich zu Recht die Frage: Werden diese Ausbildungsplätze genutzt? Kommen sie da an, wo sie ankommen sollen? Ich bin schon einmal froh, dass die jungen Leute dort studieren und dass die ses Berufsfeld nun endlich Einzug in die Hochschulen gehal ten hat.

Ich finde es schwierig, dass Sie in Ihrem Aktionsplan Maß nahmen fordern, die in weiten Teilen bereits umgesetzt wor den sind. Ich finde es dann schwierig, wenn man überlegt, ob man mit mehr Geld mehr Ausbildungsqualifikationen und mehr Interesse bei möglichen Auszubildenden bewirken kann. Es ist nicht die Frage, ob man den Fachschulen mehr Geld zahlt oder ob man die Ausbildungsplätze finanziell – ich kom me noch zum Thema Imagekampagne – fördert. Das ist gar nicht unser Problem beim Thema Ausbildungsplätze.

Vielmehr haben wir – Sie haben es in Teilen schon fast rich tig dargestellt – eine Konkurrenz: Wenn heute eine Fachschu le für Erzieherinnen, eine Fachhochschule oder eine Pädago gische Hochschule um diesen Personenkreis werben, stehen sie bereits heute im Wettbewerb um junge Leute. Darin ist das größte Problem zu sehen. Wenn sich heute jemand in einer Fachschule bewirbt, um die normale Erzieherinnenausbildung zu machen, hat er oft auch schon für ganz viele andere Beru fe eine erfolglose Bewerbung geschrieben. Am Ende macht man halt eine Ausbildung als Erzieherin, weil man keinen an deren Ausbildungsplatz gefunden hat. Dies ist sicher keine Si tuation, die wir gern haben wollen und brauchen.

Die Grünen fordern in ihrem Antrag, für die 900 arbeitslosen Erzieherinnen Qualifizierungsmaßnahmen für den Wiederein stieg in den Beruf durchzuführen. Dies ist ein Instrument, das man bei einem Überangebot am Arbeitsmarkt einsetzt. Das haben wir aber nicht. Wir haben ein Unterangebot am Arbeits markt. Das ist schlicht ein falscher Ansatz.

Es wird noch besser: In den Anträgen wird nach der Zahl der Bewerber gefragt. Wir hatten im Januar 2009 landesweit 1 747 Bewerber, im Juni des gleichen Jahres waren es noch 1 329. Gleichzeitig ist die Zahl der offenen Stellen von 292 auf 425 gestiegen. Dies zeigt, dass Spiel im Markt ist und dass wir im Moment – bis auf wenige Ausnahmen – noch keine Mangel versorgung haben.

Die Mangelversorgung oder die jetzige Situation, die Sie für einige Städte beschrieben haben, hat natürlich damit zu tun, dass der Ausbau der U-3-Betreuung bis zum Jahr 2013 nicht in Schritten erfolgt, sondern dass in den Kommunen schnel ler ein größerer Bedarf entstanden ist und die U-3-Plätze schlicht und ergreifend früher eingerichtet worden sind. Es ist recht so, wenn die Mütter und die Familien Bedarf an Betreu ung haben. Dann ist es eben nicht über die Politik steuerbar, sondern es steuert sich über die Nachfrage. Aber der Arbeits markt wird nie sekundengenau auf eine entsprechende Situa tion reagieren. Die Ausbildung der Erzieherinnen dauert mit allem, was dazugehört, vier Jahre. Das Studium dauert auch acht bis neun Semester. Ich möchte das gar nicht kritisieren. Aber die Politik kann nicht auf jede Veränderung am Arbeits markt sofort eine fertige Konzeption mit Bewerbern, die so fort zur Verfügung stehen, haben.

Wichtig ist – Sie haben es angesprochen – eine Imagekampa gne für die Kinderbetreuung. Wir sind jetzt zusammen neun Jahre im Landtag und haben die gleiche Thematik schon ein mal bei der Pflege diskutiert: Macht es Sinn, eine Imagekam pagne für einen Beruf zu fahren?

(Abg. Katrin Altpeter SPD: Nein!)