(Beifall bei den Grünen – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Tut er nicht! – Gegenruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Doch, tut er! – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Es gibt das Sonderungsver bot! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Da gehen die al le hin, wenn wir die Einheitsschule haben! – Weite re Zurufe, u. a. des Abg. Karl Zimmermann CDU – Unruhe – Glocke des Präsidenten)
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Wie in einer Ganz tagsschule! Den ganzen Tag Frau Rastätter! – Heiter keit – Beifall des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)
Ich weiß, Herr Kollege Zimmermann, dass Sie die Ganz tagsschule grundsätzlich ablehnen. Also ist natürlich alles, was man zu diesem Thema sagt, für Sie sowieso
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jetzt lassen wir die Vereine zu Wort kommen, Frau Rastätter! Zur Ab wechslung!)
Für uns ist aber eines ganz zentral: Die kommunalen Landes verbände fordern bereits seit zehn Jahren, die Ganztagsschu le endlich als Regelangebot im Schulgesetz zu verankern.
Was Sie auf diese Forderung antworten, ist mehr als dürftig. Sie sagen: „Die Ganztagsschule ist ein freiwilliges Angebot.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ist es auch! Nach wie vor! Bleibt es auch! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Bleibt es auch!)
Deshalb erübrigt es sich, die Ganztagsschule im Schulgesetz zu verankern.“ Aber die Kommunen haben Ihnen deutlich ge nug gesagt, dass sie als Schulträger für ihre Planungssicher heit, für die Rechtssicherheit auch gegenüber den Schulen selbst
(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Wir machen Politik für die Eltern und die Kinder, nicht für die Kommunen! – Gegenruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ge nau!)
die Verankerung der Ganztagsschule im Schulgesetz brauchen. Nachdem es schon seit über 30 Jahren Ganztagsschulen gibt und im Land bereits 1 048 staatliche Schulen Ganztagsschu len sind, kann man doch nicht mehr von einem Schulversuch sprechen. Ganztagsschulen sind nach § 22 des Schulgesetzes noch immer als Schulversuch genehmigt. Deshalb ist es not wendig, endlich einmal Nägel mit Köpfen zu machen.
(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Ist doch egal, wie das heißt! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Für uns stehen die Kinder im Mittelpunkt! – Gegenruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Genau!)
Frau Kultusministerin Schick, dies wäre insbesondere eine dankbare Aufgabe für Sie, die Sie neu angehen könnten.
(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Keine Ideologie! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Keine Experimente wie in Bremen! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Wir sind für die Kinder! – Gegenruf des Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU: Ja!)
Geben Sie den kommunalen Schulträgern endlich Rechtssi cherheit, indem Sie die Ganztagsschulen als Regelangebot im Schulgesetz verankern. Das wäre eine Aufforderung, eine Bit te an Sie als neue Kultusministerin.
Herr Präsident, meine sehr geehr ten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kultusministerin hat den Übergang von der Halbtagsschule zur Ganztagsschule in einem Interview mit den „Stuttgarter Nachrichten“ kürzlich als Jahrhundertaufgabe bezeichnet. Frau Rastätter, das müssen wir einfach anerkennen: Es ist ei ne Jahrhundertaufgabe; so etwas bewältigt man nicht von heu te auf morgen.
Das kann man nicht übers Knie brechen. Ich gehe davon aus, dass sie dieses Jahrhundert ab den Sechzigerjahren des letz ten Jahrhunderts angesetzt hat. Wir fangen wirklich nicht bei null an.
In unserer Kindheit stand die Ganztagsschule schon einmal auf der Tagesordnung. Seither hat sich wirklich ganz viel ge tan. Die Gesellschaft hat sich verändert, und darauf muss Schule natürlich reagieren. Wir haben es mit einer Vielfalt von Lebensentwürfen, mit einer Vielfalt von Familienkonzepten und mit einer Vielfalt von Anforderungen der Gesellschaft an den Staat zu tun. Es ist unbestritten – ich glaube, da sind wir uns hier alle einig –: Wir brauchen mehr Betreuung von Kin dern außerhalb der Familie in den Kindergärten und den Schu len. Da sind wir auch schon einen ganz großen Schritt voran gekommen.
Über 1 000 Ganztagsschulen gibt es heute in Baden-Württem berg. Ich glaube nicht, Frau Rastätter, dass die Familien auf Privatschulen ausweichen müssen. Das wäre auch nicht in un serem Sinn. Ich denke, man sollte auch nicht immer so tun, als ob die Privatschulen besser wären als die öffentlichen Schulen;
(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Na, na, na! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sind sie auch nicht! Sie sind notwendig, aber nicht besser!)
ganz im Gegenteil. Ich kenne da allerbeste Beispiele von öf fentlichen allgemeinbildenden Schulen. Ich stehe dazu. Sie drohen uns immer mit Privatschulen. Ich glaube, das ist nicht der richtige Ansatz.
Eines ist aber auch wichtig anzuerkennen: Der Wunsch nach einer Ganztagsschulbetreuung ist nicht überall gleich groß und nicht im ganzen Land gleichermaßen vorhanden. Ich selbst habe große Veranstaltungen erlebt, in denen sich Eltern über einen Gemeinderatsbeschluss in ihrer Stadt überaus verärgert und erbost gezeigt haben, weil sie einfach die Ganztagsschu le, den Umbau ihrer eigenen Grundschule zur Ganztagsschu le nicht haben wollten. Da hat sich nämlich gezeigt: Durch die Rhythmisierung des Unterrichts hat es an einem zweiten Nachmittag verpflichtend für alle Kinder Unterricht gegeben. Das haben diese Familien als Angriff auf ihre Selbstbestim mung betrachtet,
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Jawohl, so ist es, Frau Kolle gin Kurtz!)
Wir haben es also wirklich mit sehr unterschiedlichen Wün schen und Anforderungen zu tun. Diesen müssen wir allen ge recht werden. Das ist unsere Aufgabe. Deswegen bin ich da von überzeugt: Wir können die Ganztagsschule nicht per Ge setz, nicht flächendeckend, nicht verbindlich und schon gar nicht schnell einführen.
Das würden weder die Eltern noch die Schülerinnen und Schü ler, noch die Lehrerinnen und Lehrer, noch die Schulleitun gen begrüßen. Insofern halte ich das Landeskonzept, wie wir es vor vier Jahren auf den Weg gebracht haben, für genau rich tig. Die Ganztagsschule soll bedarfsorientiert ausgebaut wer den. Für jedes Kind soll für seine Schulart in erreichbarer Nä he ein Ganztagsangebot bestehen. Ich glaube, das ist ein gu tes, innovatives Konzept, und auf diesem Weg sollten wir wei tergehen.
Wir haben das Konzept mittlerweile schon mehrfach verän dert und modifiziert und den sich verändernden Herausforde rungen angepasst. Ursprünglich hieß es einmal, 40 % aller Schulen sollten zu Ganztagsschulen werden. Das Ganze war auf einen Zeitraum bis 2015 angelegt. Ursprünglich waren die Schulen mit besonderer pädagogischer und sozialer Aufga benstellung im Blick. Das hat sich mittlerweile geändert. Nach der Qualitätsoffensive im Jahr 2008 können auch alle Gym nasien auf Antrag Ganztagsschule werden, und jetzt können das auch alle Werkrealschulen.
Mit dem Umbau zur Werkrealschule sind die Dinge jetzt ge rade wirklich im Fluss. Wir müssen jetzt erst einmal abwar ten, wie viele Anträge dort gestellt werden und wie es weiter geht.
Ich halte es für richtig, dass wir von Landesseite aus diese An gebote machen, die Chancen eröffnen, aber eben keine Ver pflichtungen aussprechen. Ich glaube, die Schulträger vor Ort wissen einfach am besten, wie der Bedarf ist.
Es ist uns dabei wichtig – das will ich auch betonen –, dass wir die Ganztagsschule dazu nutzen, um Schule und Gesell schaft zu vernetzen. Deswegen halte ich das Ehrenamt für au ßerordentlich wichtig, Frau Rastätter.
Das Jugendbegleiterprogramm spielt da eine ganz große Rol le. Auch das hat sich als Erfolgsmodell erwiesen.
Ich glaube, man muss der Ehrlichkeit halber sagen: Wenn Sie hier die Lehrerwochenstunden aufrechnen, dann müssen wir auch das Ehrenamt, das da mit im Spiel ist, einberechnen, wenn wir uns hier immer die Zahlen um die Ohren schlagen wollen.
Wir haben eine stetige Steigerung der Zahl der Jugendbeglei ter zu verzeichnen. Wir haben mittlerweile 15 000, die an die sen über 1 000 Schulen mit im Spiel sind. Bei diesen Schulen handelt es sich zu 53 % schon um Ganztagsschulen, und fast 30 % machen sich auf den Weg dahin.
Ich sehe in dem Jugendbegleiterprogramm auch eine ganz gro ße Chance für unsere Vereine. Denn von Spezialisten ist uns immer wieder bescheinigt worden: Wir haben in Baden-Würt temberg eine ganz hervorragende Vereinslandschaft. Es kann doch nicht in unserem Sinn sein, wenn wir jetzt durch den Ausbau der Ganztagsschulen den Vereinen das Wasser abgra ben. Unser Ziel muss es sein, Schulen und Vereine miteinan der zu vernetzen, sodass sie nicht in Konkurrenz zueinander treten, sondern kooperieren.
Da muss man ehrlich sagen: Das ist noch nicht fertig. Wir müssen hier weitere Erfahrungen sammeln. Wir müssen uns einfach die Zeit nehmen. Zeit ist nicht immer gleich Geld. Ich glaube wirklich, dass wir hier noch Zeit brauchen. Insofern muss man doch ehrlich sagen: Eine Verankerung der Ganz tagsschule im Schulgesetz würde nicht mit einem Schlag al le Probleme lösen. Es ist nicht damit getan, ein Gesetz zu ma chen und zu meinen, dann sei alles in Butter.