Protokoll der Sitzung vom 06.05.2010

Auch wenn Schleswig-Holstein und Berlin alle Lehrerinnen und Lehrer entlassen würden, hätten sie noch keinen ausge glichenen Haushalt.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Das ist kein Argu ment!)

Selbst wenn sie dies täten, würden diese beiden Länder Neh merländer bleiben, weil sich ihre Einnahmepositionen über haupt nicht änderten.

(Beifall bei den Grünen – Widerspruch bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Heiderose Ber roth FDP/DVP)

Selbst dann, wenn Schleswig-Holstein Studiengebühren ein führen und sie doppelt so hoch ansetzen würde wie die Studi engebühren in Baden-Württemberg, würde dies überhaupt kei ne Rolle für den Länderfinanzausgleich spielen. Denn beim Länderfinanzausgleich werden Gebühreneinnahmen gar nicht berücksichtigt.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf: Das weiß doch je der! – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD – Wi derspruch bei der CDU)

Wenn Sie also von einer Rechenschaftspflicht der Länder bei ihren Ausgaben sprechen, geht das völlig am Thema vorbei. Jedes Landesparlament hat eine Haushaltshoheit darüber, was es mit seinen Einnahmen macht. Die anderen Länder können sich auch nicht darüber beschweren, dass Sie z. B. bei der Neubaustrecke 1 Milliarde € bereitstellen, obwohl das eine al leinige Aufgabe der DB ist. Das können Sie auch nicht als Ar gument vorbringen. Auch Sie können mit Ihrer Mehrheit Un sinn machen.

(Beifall bei den Grünen)

Meine Damen und Herren, ich appelliere an Sie: Verfassungs fragen sollte man nicht mit Reflexen bestreiten. Denn vieles, was auf den ersten Blick plausibel erscheint, führt verfas sungsrechtlich in die Sackgasse. Was Sie in dieser Hinsicht sagen, ist vielfach Unsinn und taugt vielleicht für die Luftho heit über den Stammtischen, aber nicht für eine weiterführen de Verfassungsdebatte.

(Beifall bei den Grünen)

Herr Ministerpräsident, nehmen Sie es zur Kenntnis: Ob ein Land ein Nehmer- oder ein Geberland ist, hängt von seinen Wirtschaftsstrukturdaten ab.

(Abg. Peter Hauk CDU: Genau! So ist es!)

Es hängt davon ab, welche Steuern es einnimmt, und es hängt zunächst einmal kurzfristig überhaupt nicht von seiner eige nen Haushaltspolitik ab. Daher werden wir lange Zeit einen Ausgleich brauchen, und zwar einen, der den Ländern bei ih rer Aufgabenerfüllung hilft – so, wie es das Grundgesetz ver langt.

Ich zitiere aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1999:

Artikel 107 Abs. 2 GG fordert also nicht eine finanzielle Gleichstellung der Länder, sondern eine ihren Aufgaben entsprechende hinreichende Annäherung ihrer Finanz kraft. Somit darf im Rahmen des horizontalen Finanzaus

gleichs die Finanzkraftreihenfolge unter den Ländern nicht verkehrt werden.

Herr Hauk! –

Die Abstände zwischen den 16 Ländern dürfen verringert, nicht aber aufgehoben oder ins Gegenteil verkehrt wer den.

(Abg. Peter Hauk CDU: Das ist ja der Knackpunkt!)

Genau dies ist bereits durch die Reform von 2005 gewährleis tet. Tatsache ist: Die Reihenfolge in der Finanzkraft ändert sich durch den Länderfinanzausgleich nicht. Es ist genau die selbe Reihenfolge.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Genau! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Eins und eins ist acht!)

Sie müssen nur auf die Homepage des Bundesfinanzministe riums schauen. Dort heißt es:

Durch die Ausgestaltung der Regelungen ist gewährleis tet, dass die Reihenfolge der Länder bei der Finanzkraft je Einwohner durch den Länderfinanzausgleich nicht ver ändert wird.

Wissen Sie, was das heißt? Dass eine Klage keine Aussicht auf Erfolg hat; das heißt es.

(Abg. Dr. Klaus Schüle und Abg. Ernst Behringer CDU: Sind Sie dafür oder dagegen?)

Das merken Sie selbst. Die FDP will ein Gutachten in Auftrag geben, und Sie wollen bis zum nächsten September warten, weil Sie wissen, dass Sie aufgrund der derzeitigen Faktenla ge gar keine Argumente dafür haben, warum Sie vor dem Bun desverfassungsgericht beim Länderfinanzausgleich nochmals mit einer Klage erfolgreich sein sollten. Das ist überhaupt nicht zu erwarten.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Das ist eine billige Wahlkampfnummer!)

Was ist der Vorschlag? Sie haben keinen einzigen Vorschlag für die Zukunft gemacht. Wenn Sie Vorschläge machen, Herr Mappus, kann ich Ihnen nur empfehlen, eine andere Tonlage anzuschlagen, denn dafür brauchen Sie eine Zweidrittelmehr heit beider Kammern. Mit Feldgeschrei machen Sie das ka putt und verprellen die Stimmen derer, die Sie dafür brauchen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sind Sie jetzt dafür oder dagegen?)

Der Vorschlag ist, auf einen rein vertikalen Länderfinanzaus gleich zu gehen und vom horizontalen Länderfinanzausgleich wegzugehen, weil wir das bei den Bundesergänzungszuwei sungen ohnehin schon haben; diese machen 14 Milliarden € aus, und das Volumen des Länderfinanzausgleichs beträgt 6 Milliarden €. Das ist, glaube ich, ein zielführender Vor schlag. Dafür müssen die Länder in der Verhandlung mit dem Bund diese 6 Milliarden € natürlich kompensieren.

Erst dann wären wir die Debatten endlich los, die Sie über ei nen horizontalen Länderfinanzausgleich führen – Debatten,

die in der Sache gar nichts bringen, sondern nur die Leute auf die Bäume treiben, von denen sie dann nicht wieder herunter kommen. In der Sache erreichen Sie auf diese Weise nichts. Mit dem Vorschlag eines vertikalen Ausgleichs erreicht man, dass das endlich aufhört. Zudem ist das richtig. Das haben wir auf unserer Reise nach Kanada erfahren, wo es solche verti kalen Ausgleichssysteme gibt. Der Bund macht das sowieso zum großen Teil schon.

Der zweite Vorteil ist: Wenn wir zu solch einem Ausgleich kommen, refinanziert er sich zum großen Teil selbst. Warum ist das so? Weil die Länder, auch Baden-Württemberg, darauf schauen werden, dass sie endlich die Steuern eintreiben, die ihnen zustehen. Denn jetzt ginge ein Großteil der Steuermehr einnahmen in den Länderfinanzausgleich; wenn das die Neh merländer machen, dann bekommen sie weniger aus dem Län derfinanzausgleich. Also besteht erst einmal kein Anreiz, das wirklich zu machen.

Wir haben jetzt als Notbehelf unter diesen Bedingungen ein gleichzeitiges Vorgehen aller Bundesländer vorgeschlagen und einen Vorschlag zur Verstärkung der Steuerprüfung unterbrei tet. Aber wenn man diese Bedingungen ändern will, muss man genau von einem solchen Ausgleich weg. Dann werden alle Länder schauen, dass sie auch die Steuern erheben, die ihnen zustehen.

Das sind Vorschläge, die wir brauchen. Sie haben durchaus Aussicht auf Erfolg, weil alle davon profitieren können. Sol che Debatten, die Perspektiven für 2020 aufzeigen, brauchen wir.

Ich sage Ihnen noch einmal: Warum ist das Thema Länderfi nanzausgleich eigentlich nicht in die Förderalismuskommis sion gekommen? Weil die Nehmerländer diese Kommission dann überhaupt nicht hätten zustande kommen lassen. Daran sehen Sie einmal, wie sensibel dieses Thema ist.

(Abg. Peter Hauk CDU: Genau das ist doch der Punkt! – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/ DVP)

Da können Sie noch viel von Ihrem Vorgänger lernen, Herr Mappus. Da muss man mit hoher Sensibilität und großem di plomatischem Geschick vorgehen. Da muss man zukunftwei sende Vorschläge machen und darf nicht nur klagen.

Aber nehmen wir einmal an, Sie hätten Erfolg mit der Klage. Dann kann das Bundesverfassungsgericht wieder nur am jet zigen leistungsfeindlichen System etwas herumkorrigieren, aber im Kern kann das Bundesverfassungsgericht das System nicht ändern. Das kann nur der Gesetzgeber. Da sind Sie ge fordert, im Bundesrat etwas Entsprechendes einzubringen, statt zu glauben, Sie könnten mit einer Klage erfolgreich sein.

Mein Rat an Sie lautet: Hören Sie auf mit dem Populismus, und bringen Sie konstruktive Vorschläge in alle Länder hin ein. Dann kann man vielleicht noch vor 2020 etwas auf den Weg bringen. Das ist dann gut möglich. Wenn man dann glaubt, man bekomme auf dieser Ebene nichts hin, kann man sich noch immer eine Klage vorbehalten, vorausgesetzt, sie hat Aussicht auf Erfolg. Das müssten Sie hier jedoch über haupt einmal darlegen. Dann kommen wir weiter, und dann handelt es sich um Debatten, die dieses Land und seine Fi

nanzkraft stärken und nicht nur die Leute letztlich mit popu listischen Sprüchen verprellen.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Rülke.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Oh, nicht schon wie der!)

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Das Bruttoinlandsprodukt des Landes Baden-Württemberg ist im Jahr 2009 um 7,4 % zu rückgegangen, und das vor dem Hintergrund der Tatsache, dass angesichts dieser weltweiten Krise das Bruttoinlandspro dukt in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt um etwa 5 % gesunken ist. Wir waren weit überdurchschnittlich betrof fen, und dennoch verlangt uns der Länderfinanzausgleich 1,5 Milliarden € ab.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Wir haben es zweimal geschafft – in den Jahren 2008 und 2009 –, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. So viel übrigens, Herr Kollege Kretschmann, zu Ihren GriechenlandVergleichen. Ein Land wie Baden-Württemberg, das zweimal einen ausgeglichenen Haushalt vorlegt, werfen Sie in einen Topf mit Griechenland und erklären irgendetwas von Viren, die da am Überspringen seien.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Das habe ich nicht gemacht! Quatsch!)

Das zeigt, welches Augenmaß Sie in Ihren Debatten haben. Das, was Sie gerade an dieser Stelle gesagt haben, der Popu lismusvorwurf, fällt doppelt auf Sie zurück, Herr Kretsch mann.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)