Protokoll der Sitzung vom 06.05.2010

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Jetzt müssen wir angesichts dieser Krise im Doppelhaushalt 2010/2011 nahezu 4,8 Milliarden € neue Schulden aufneh men. Die Steuereinnahmen im Land Baden-Württemberg sind eingebrochen. Im Vergleich zum Jahr 2008 werden wir im Jahr 2010 mutmaßlich 4 Milliarden € weniger an Steuereinnahmen haben. Dennoch zahlen wir 1,5 Milliarden € in den Länderfi nanzausgleich ein. Meine Damen und Herren, machen Sie den Bürgerinnen und Bürgern in Baden-Württemberg einmal klar, welche Logik hinter einem solchen System stecken soll.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Ursula Haußmann SPD: Wahlkampf ist gar nichts dagegen!)

Herr Schmid, Sie haben hier erzählt, es hätte nach der letzten Befassung des Bundesverfassungsgerichts, als Erwin Teufel die Ergebnisse vorgestellt habe, Jubel im Landtag geherrscht. Da müsste man einmal die Plenarprotokolle prüfen, ob es tat sächlich Jubel gewesen ist.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Ich war dabei! – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Fakt ist: Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass dieser Länderfinanzausgleich so, wie er organisiert ist, leis tungsfeindlich ist und eben Länder wie Baden-Württemberg für ihre Finanzkraft je Einwohner bestraft. Dann müssen Sie – das musste Erwin Teufel auch – politische Verhandlungen über die Frage führen, was daraus folgt. Dafür brauchen Sie, wenn das Bundesverfassungsgericht keine klaren Vorgaben macht, politische Mehrheiten. Die bekommen Sie nicht vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es drei Bundesländer gibt, nämlich Bayern, Hessen und Baden-Württemberg,

(Zuruf des Abg. Dr. Nils Schmid SPD)

die ordentlich zahlen, während Hamburg und Nordrhein-West falen an der Grenze sind und alle anderen von diesem Länder finanzausgleich profitieren. Da bin ich sehr gespannt, Herr Kollege Kretschmann, ob die Vorschläge, die insgesamt mehr heitsfähig sein sollen, beispielsweise Herrn Wowereit – „Arm, aber sexy“ – dazu bringen, dass er an eine Änderung des Län derfinanzausgleichs denkt. Er hat sich ja in der vergangenen Woche geäußert. Es waren sehr bemerkenswerte Äußerungen. Wenn wir über den Länderfinanzausgleich diskutieren, dann hält Herr Wowereit das für eine Unverschämtheit.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Er wirft uns vor – das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen –, wir hätten unsere Hausaufgaben nicht ge macht.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Zum Beweis führt er an, dass der Kindergarten in Berlin bei tragsfrei ist.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Sehr richtig!)

Das gibt es, aber auf unsere Kosten, meine Damen und Her ren.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Was Herr Wowereit hier vorträgt, meine Damen und Herren, sind Züge spätpreußischer Dekadenz. Das ist eindeutig.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Lachen bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der SPD)

Das brauchen wir uns hier in Baden-Württemberg nicht vor halten zu lassen. Es ist mit Sicherheit angemessen, darüber nachzudenken, wie wir es hinbekommen, dass wir nicht da für bestraft werden, dass die Steuerkraft pro Einwohner im Land Baden-Württemberg wesentlich besser ist als in ande ren Bundesländern.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Sie bekommen das nie hin!)

Wenn Sie dann auf politischem Weg offensichtlich nicht die Möglichkeit haben, diesen Länderfinanzausgleich zu ändern, dann müssen Sie sich juristische Gedanken machen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Legt halt einmal los! Nicht nur dicke Backen machen!)

Das ist doch völlig klar.

In einem gebe ich Ihnen recht, Herr Kollege Kretschmann. Es wird nicht einfach werden, vor dem Bundesverfassungsge richt zu gewinnen. Deshalb wollen wir eben keinen Schnell schuss. Deshalb habe ich – es wurde bereits zitiert – mit mei nen Kollegen aus Bayern und Hessen ein Gutachten in Auf trag gegeben, wie man diesen Länderfinanzausgleich angrei fen kann. Wir wollen eben keinen Schnellschuss. Wir wollen uns nicht unter Druck setzen lassen.

(Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Wir wollen so schnell wie möglich – da sind wir uns völlig einig: „so schnell wie möglich“ heißt: nach der Sommerpau se – dieses Gutachten vorlegen und uns darüber einigen, mit welcher Strategie wir diesen Länderfinanzausgleich angrei fen, um endlich eine vernünftige, eine leistungsgerechte Re gelung für das Land Baden-Württemberg zu bekommen.

Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, täten gut daran, uns dabei zu unterstützen, denn auch Sie müssen vor den Wählerinnen und Wählern des Landes Baden-Württem berg

(Abg. Albrecht Fischer CDU: Sehr richtig! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Oje! – Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Nur nicht im Wahlkampf!)

Rechenschaft darüber ablegen, ob Sie die Interessen des Lan des unterstützen oder ob Sie in diesem Land billige parteipo litische Polemik machen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Ha gen Kluck FDP/DVP: So ist es! – Abg. Bärbl Mie lich GRÜNE: So ein Blödsinn!)

Das Wort erhält der Herr Minister präsident.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Jetzt kommt Sachver stand!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin bisher immer da von ausgegangen – zumal beim Thema Finanzen –, dass wir bei essenziellen Themen, wenn sie dieses Land betreffen, wei testgehend einer Meinung sind. Ich glaube mich daran erin nern zu können, dass wir in der Vergangenheit, z. B. Ende der Neunzigerjahre, Anfang des letzten Jahrzehnts, als es um das Thema Länderfinanzausgleich ging, in weiten Bereichen – so sage ich einmal – einer Meinung waren.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Genau!)

Lieber Herr Kretschmann, bisher habe ich mich noch gar nicht richtig geäußert. Deshalb weiß ich nicht, warum Sie sich über die vermeintliche Tonlage so aufregen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Er ist Hell seher!)

Ich kann nur sagen: Wer Baden-Württemberg mit Griechen land vergleicht, der sollte ein wenig vorsichtig sein, wenn es um die Kritik gegenüber anderen geht, wenn es um die Wort wahl geht, lieber Herr Kretschmann. Das muss man auch ein mal sagen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE)

Ich habe es schon einmal gesagt: Wir haben in der größten Krise aller Zeiten einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt.

(Zurufe von der SPD)

Im Jahr 2009 hatten wir einen ausgeglichenen Haushalt. – Da ist es intellektuell ein bisschen schwierig, zu behaupten, wir hätten ähnliche Verhältnisse wie Griechenland.

Aber zurück zum Länderfinanzausgleich. Meine Damen und Herren, der Länderfinanzausgleich wurde Ende der Neunzi gerjahre vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswid rig erklärt; das darf ich nochmals in Erinnerung rufen. Mei nes Erachtens war der Strickfehler an dem Urteil darin zu se hen, dass das Bundesverfassungsgericht nicht gesagt hat: „Er ist verfassungswidrig; das müsste man so und so machen.“ Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht gesagt: „Das Gan ze ist verfassungswidrig, und der Gesetzgeber muss bis zum Datum X eine verfassungskonforme Nachfolgeregelung fin den.“

(Abg. Reinhold Gall SPD: Was auch richtig ist!)

Aber damit sind wir schon bei dem Problem in der ganzen Materie. Denn wer ist der Gesetzgeber? Das sind am Ende lo gischerweise auch diejenigen, die Gelder aus dem Länderfi nanzausgleich bekommen. Deshalb war natürlich unschwer zu erraten, dass es ein bisschen schwierig wird, eine Nachfol geregelung zu finden, die sehr viel besser ist als die Regelung, die wir vorher hatten.

Deshalb muss ich auch einmal sagen: Herr Kollege Schmid, wenn Sie hier auftreten und sagen: „Moderate Tonlage, zuerst einmal verhandeln, und dann, wenn die Verhandlung nicht er folgreich ist, vielleicht vor das Bundesverfassungsgericht ge hen“

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Nein, nein! Das habe ich nicht gesagt!)

oder Herr Kretschmann hat das gesagt –, während gleich zeitig von der Opposition ein Antrag vorliegt, der begehrt, wir sollten bereits nach der Sommerpause endlich vor das Bun desverfassungsgericht gehen,

(Heiterkeit der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP – Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

ist zu entgegnen: Abgesehen davon, dass das nicht ganz zu sammenpasst, ist doch klar, dass wir bei dieser Vorgehenswei se vor genau dem gleichen Problem stünden, das wir schon damals hatten, nur heute noch verschärft. Damals gab es noch mehr Geberländer als heute. Jetzt gibt es – ich sage es einmal so – dreieinhalb Geberländer: Hessen, Baden-Württemberg, Bayern und Hamburg – aber Hamburg mit einem minimalen Betrag. Alle anderen Länder sind Nehmerländer. Es ist doch wirklich blauäugig, zu glauben, dass, wenn man möglichst lange mit denen verhandelt, ein anderes System herauskäme. Da muss man doch einmal ehrlich sein. Wir würden doch an deren Stelle auch nicht quasi freiwillig einer Regelung zustim men, nach der wir weniger Geld hätten.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: So ist es! – Abg. Jo chen Karl Kübler CDU: Genau!)

Deshalb ist diese Forderung, mit Verlaub, schlicht und ergrei fend blauäugig und eigentlich, um es vorsichtig auszudrücken, einer guten Opposition nicht würdig, Herr Kretschmann.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Diet mar Bachmann FDP/DVP: Bravo! – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)