Protokoll der Sitzung vom 09.06.2010

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Widerspruch bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, gerade bei der wich tigsten Herausforderung, vor der unser Land steht, nämlich bei der Haushalts- und Finanzpolitik, ist das besonders augen fällig. Die mutwillige Steuersenkungspolitik, die Sie, Herr Mappus, und die CDU und die FDP/DVP im Land unterstützt haben, hat die öffentlichen Haushalte vollends aus dem Lot gebracht. Nach der jüngsten Steuerschätzung sind für die nächsten Jahre weitere Steuerausfälle in Höhe von etwa 40 Milliarden € zu erwarten. Davon entfallen allein über 30 Milliarden € auf Ihr sogenanntes Wachstumsbeschleuni gungsgesetz vom Dezember letzten Jahres. Das heißt, Sie ha ben die Steuermisere, die Haushaltsmisere in Land und Bund zu verantworten.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Wenn Sie jetzt mit einem Sparpaket verspätet eingreifen, dann ist erst einmal festzustellen: Dieses reicht offensichtlich nicht aus, um die Anforderungen der Schuldenbremse zu erfüllen, und zweitens ist es – das ist in der jetzigen Situation noch viel schlimmer – sozial unausgewogen.

Ich will das an zwei Beispielen festmachen: Sie wollen die Rentenbeiträge für Langzeitarbeitslose streichen. Damit ver lagern Sie die Kosten für die soziale Sicherung nur in die Zu kunft und verschärfen die Altersarmut in den nächsten Jahr zehnten. Das ist ungerecht.

(Beifall bei der SPD)

Sie wollen zweitens den Rechtsanspruch von Arbeitslosen auf Weiter- und Fortbildung in Ermessensspielräume umwandeln. Jetzt will ich Ihnen einmal eines sagen: Wenn Sie ins SGB schauen, werden Sie feststellen, dass ein Großteil dieser Rechtsansprüche auf Weiterbildung nicht allgemein für Ar beitslose vorgesehen ist, sondern beispielsweise für Arbeits lose, die eine Behinderung haben. Da sage ich Ihnen: Wer so kürzt, der legt wirklich die Axt an den sozialen Frieden im Land.

(Beifall bei der SPD – Abg. Ingo Rust SPD: So ist es!)

Und wer dann noch versucht, über eine Bundesratsinitiative Verschlechterungen bei den Unterhaltszahlungen für Allein erziehende durchzusetzen, der offenbart endgültig, dass er nur zulasten der Schwachen in diesem Land spart.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Deshalb muss man Ihre Versprechungen, Herr Mappus – im Land würde nur dort gespart, wo es nicht wehtut, die Schwa

chen und die Bildung würden ausgenommen bleiben –, in ei nem ganz neuen Licht betrachten. Denn Sie selbst haben gestern das Sparpaket der Bundesregierung, das eben die Schwächsten im Land belastet, als ausgewogen bezeichnet. Damit wissen wir, was uns blüht, wenn hier einmal die Spar anstrengungen kommen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ebenfalls klar geworden ist, dass wir die Haushaltsmisere nicht allein auf der Ausgabenseite in den Griff bekommen. In zwischen ist die Erkenntnis bis in die Reihen der CDU vorge drungen, dass man Steuererhöhungen braucht und dass es richtig ist, in dieser Situation die Reichen stärker für die Fi nanzierung des Gemeinwohls heranzuziehen und deshalb bei spielsweise den Spitzensteuersatz zu erhöhen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Deshalb fordere ich Sie auf, bei den anstehenden Beratungen im Bundesrat diese sozialen Korrekturen vorzunehmen, um endlich zu einer gerechten Finanzierung des Staates zu kom men.

Dazu gehört auch, dass wir hier im Land unsere Hausaufga ben machen und die Steuerverwaltung ausreichend ausstatten und dass wir vor allem CDs mit Daten von Steuerbetrügern auch ankaufen. Wenn ich jetzt höre, dass die ursprünglich dem Land Baden-Württemberg angebotene Steuerdaten-CD nach vielen Wochen offensichtlich vom Land Niedersachsen, von einer schwarz-gelben Regierung, angekauft wird, dann ver stehe ich natürlich auch, weshalb Sie wollen, dass Herr Wulff Bundespräsident wird.

(Heiterkeit des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Denn Sie wollen nicht, dass „Steuer-CDs“ angekauft werden, weil das ja angeblich rechtswidrig ist, und deshalb muss Herr Wulff ganz schnell Bundespräsident werden, damit so etwas bloß nicht passiert.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Wenn Sie dann Ihr Versprechen, die Steuern zu senken, nicht halten können und auch keine Steuererhöhungen wollen, dann verfallen Sie darauf, neue Steuern und Abgaben zu erfinden – mit einer völlig beliebigen Argumentation.

Ich nehme als Beispiele die Brennelementesteuer und die Energiepolitik. Zunächst hieß es, die Atomkraft sei eine Brückentechnologie. Dann hieß es, man sollte doch die ma ximale Laufzeit, die technisch möglich ist, auch ausschöpfen, und schließlich sollte das alles dazu dienen, die erneuerbaren Energien zu unterstützen. Deshalb sage ich: Wenn Sie jetzt die Brennelementesteuer einführen, nur um Haushaltslöcher zu stopfen, dann ist das völlig absurd, weil dies bedeutet, die Atommeiler müssten lange, lange laufen, damit wir die Haus haltslöcher im Land und im Bund stopfen können.

(Beifall bei der SPD)

Schließlich haben Sie in der letzten Woche eine große Chan ce verpasst, Herr Mappus, und zwar nach dem Rücktritt des

Bundespräsidenten Köhler. Sie sind mit der Ansage gestartet, man suche gemeinsam mit den anderen Parteien einen über parteilichen Kandidaten. Schon nach wenigen Metern ist Ih nen die Luft ausgegangen, und Sie haben in der „Bild am Sonntag“ dann gesagt, man solle doch jetzt diese Bundesprä sidentenwahl mit Herrn Wulff dazu nutzen, die Erneuerung der CDU-Führung voranzubringen. Damit ist klar geworden, dass Sie in einer entscheidenden Krisensituation des Staates, bei der das höchste Amt auf der Straße liegt,

(Ministerpräsident Stefan Mappus: Auf der Straße?)

weil der bisherige Amtsinhaber geflohen ist, diese Entschei dungssituation nicht dazu nutzen, den Konsens der demokra tischen Kräfte zu fördern, sondern dass Sie nur parteitaktisch vorgehen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD)

Damit ist endgültig klar geworden: Ihnen fehlen die Kraft zur politischen Führung und die Klarheit bei den Inhalten. Vor al lem fehlen Ihnen die Kraft und die staatspolitische Verantwor tung, die Gesellschaft in schwierigen Zeiten zusammenzufüh ren. Dies ist sehr bedauerlich, Herr Mappus.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Ich erteile Herrn Abg. Dr. Rülke das Wort.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Wir haben einmal mehr das er lebt, was wir in regelmäßigen Abständen in diesem Haus er leben,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Fasst euch an eure ei gene Nase!)

nämlich den krampfhaften Versuch der Opposition,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Oje!)

das Land Baden-Württemberg schlechtzureden,

(Widerspruch bei der SPD und den Grünen – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es!)

und den krampfhaften Versuch, auf den Ministerpräsidenten – ganz gleich, wie er heißt – Angriffe zu fahren in der Hoff nung, daraus politischen Nektar saugen zu können.

(Abg. Helen Heberer SPD: So einfach ist die Welt!)

Die Argumentation ist aber außerordentlich schwachbrüstig, meine Damen und Herren. Herr Kretschmann hat darauf hin gewiesen, dass wir uns in einer dramatischen Wirtschafts- und Finanzkrise befinden. Das ist durchaus richtig. Dann sollten wir uns aber einmal anschauen, wie das Land Baden-Würt temberg am Ausgang dieser dramatischen Wirtschafts- und Finanzkrise dasteht.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Wer hat denn diese Fi nanzkrise verursacht?)

Ist es denn selbstverständlich, Herr Kollege Kretschmann, dass eine Arbeitslosenquote von weniger als 5 % das Ergeb

nis einer dramatischen Wirtschafts- und Finanzkrise ist? Oder ist es nicht vielleicht auch möglich, dass die politischen Wei chenstellungen, die in diesem Land in der Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie in anderen Politikbereichen getroffen wurden, die richtigen sind?

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es! Jawohl! – Gegenruf der Abg. Ursula Haußmann SPD: Oje! Das glaubst du ja selbst nicht!)

Wenn ich mir die konjunkturelle Entwicklung anschaue, die wir jetzt im Frühjahr des Jahres 2010 haben, komme ich zu dem Ergebnis, dass wir diese dramatische Krise in BadenWürttemberg glänzend gemeistert haben. Das ist das Verdienst dieser Regierungskoalition, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Oje! Das glaube ich ja wohl nicht!)

Es stimmt auch nicht, Herr Kollege Schmid, wenn Sie behaup ten, diese Regierungskoalition habe keine Konzepte.

(Abg. Helen Heberer SPD: Wo sind sie denn? – Abg. Ursula Haußmann SPD: Da hat er recht! Wo sind denn die Konzepte? Sie haben ja gar nichts!)

Wir haben in den Jahren 2008 und 2009 das Richtige gemacht: Wir haben den Haushalt konsolidiert, und wir haben zwei aus geglichene Haushalte vorgelegt.

Wir haben dann, als diese Wirtschafts- und Finanzkrise über uns hereingebrochen ist, umgesteuert und Konjunktur- und Investitionsprogramme aufgelegt, um dieser Krise entgegen zuwirken. Diese haben jetzt gegriffen. In der Zukunft wird die Haushaltskonsolidierung wieder im Mittelpunkt unserer An strengungen stehen. Sie können sicher sein, meine Damen und Herren: Sie werden ein ausgewogenes, ein griffiges Paket der Haushaltskonsolidierung bekommen,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Bei Ihnen sind wir nicht sicher!)