Im Januar des Jahres 2010 betrug die Arbeitslosenquote 5,6 %, im Mai 4,9 %, und die Jugendarbeitslosenquote beträgt in Ba den-Württemberg mittlerweile 3,5 %. Damit haben wir im po sitiven Sinn deutschlandweit den besten Wert. Die Bundes agentur für Arbeit meldet uns gleichzeitig, dass 55 % der ar beitslosen Jugendlichen unter 25 Jahren nicht länger als drei Monate arbeitslos sind.
Meine Damen und Herren, jeder Arbeitslose ist natürlich ein Arbeitsloser zu viel. Wer aber meint, hier ein Horrorszenario darstellen zu müssen, dem muss ich in aller Deutlichkeit sa gen, dass trotzdem alle Entscheidungsträger in diesem Bereich ihrer Verantwortung insgesamt gut gerecht werden. Das ist ein Beleg dafür, dass wir mittlerweile, gerade was die Bekämp fung der Jugendarbeitslosigkeit in Baden-Württemberg be trifft, auf einem sehr guten Weg sind.
Es gibt verschiedene Gründe, die für die Situation in BadenWürttemberg sprechen. Wir wissen, dass sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer sehr verantwortungsbewusst gehandelt haben. Das Beispiel der Kurzarbeit darf ich hier nur kurz er wähnen. Ich erwähne auch das Beispiel der Konjunkturpro gramme seit 2009. Die Mittel, die bis zum Jahr 2011 fließen – nicht nur das Konjunkturprogramm des Bundes, sondern auch die ergänzenden Programme seitens des Landes –, füh ren nicht nur zu neuer Beschäftigung, sondern sichern auch Beschäftigung vor Ort.
Ein ganz entscheidender Grund ist folgender: Wir sind in Ba den-Württemberg mit Bildung und Ausbildung insgesamt gut aufgestellt, Herr Kaufmann. Das möchte ich jetzt einfach ein mal anhand einiger Zahlen klar belegen, die durchaus etwas von den Daten abweichen, die Sie referiert haben.
Wir haben im Jahr 2009 im Vergleich zum Ausbildungsjahr 2008, gemessen an der Anzahl der abgeschlossenen Ausbil dungsverträge, einen Rückgang um 6,8 % gehabt. Diese Zahl haben Sie auch erwähnt. Aufgrund der Wirtschaftkrise muss ten wir diesen Rückgang verzeichnen. Dennoch ist es bis zum 30. September 2009 gelungen – deswegen bitte ich, dass man hier die vollständigen Zahlen auf den Tisch legt –, dass nur noch 2 600 Ausbildungsplätze unbesetzt waren und lediglich 400 Jugendliche unversorgt waren. Nahezu jeder Jugendliche hatte also entweder einen Ausbildungsplatz oder hatte eine Qualifizierungsmaßnahme in unseren beruflichen Schulen be sucht.
Damit halten wir auch das Bündnis für Ausbildung des Jah res 2009 zwischen der Landesregierung und den Partnern der Wirtschaft ein. Wir haben im Schuljahr 2009/2010 insgesamt 3 000 Schüler weniger in der Berufsschule und dafür 2 700 Schüler mehr in Vollzeitschulen.
Jetzt kann man natürlich den Streit darüber führen, ob es sinn voller ist, die Jugendlichen zuerst in eine duale Ausbildung zu schicken oder ihnen zunächst einmal eine Weiterqualifizie rungsmöglichkeit anzubieten. Dieses Bild muss man natürlich differenziert betrachten.
Meine Damen und Herren, die Linie der Landesregierung ist eindeutig. Hier gibt es keinen Dissens zwischen den Ressorts. Wir haben es mit jungen mündigen Bürgern auf dem Ausbil dungs- und Arbeitsmarkt zu tun. Meines Erachtens entschei den die jungen mündigen Bürger zunächst einmal für sich per sönlich, ob sie zuerst einen Vertrag für eine duale Ausbildung oder eine Weiterqualifizierungsmöglichkeit anstreben.
Dies ist mit verschiedenen Begründungen verbunden. Zu nächst einmal gibt es die Sorge darüber, einen Ausbildungs vertrag erst dann zu bekommen, wenn man eine bessere schu lische Qualifizierung in der Tasche hat. Aber aufgrund der Vielfalt der vielen Berufe und Ausbildungsberufe, die wir in Baden-Württemberg haben, ist es angemessen und zu recht fertigen, dass die jungen Menschen zunächst einmal selbst da rüber entscheiden, welchen Weg sie gehen. Wir müssen na türlich dafür sorgen, dass die Jugendlichen sowohl eine Chan ce auf dem Ausbildungsmarkt als auch die Möglichkeit erhal ten, entsprechende Weiterqualifizierungsmaßnahmen in An griff zu nehmen.
Auch hier, meine Damen und Herren, haben wir ganz klar re agiert. Wir haben für das Schuljahr 2009/2010 zusätzliche De putate zur Verfügung gestellt, um zusätzliche Klassen einzu richten, nicht nur an den beruflichen Schulen, sondern auch für entsprechende Weiterbildungsangebote. Wir schaffen zu dem auch für das neue Schuljahr 2010/2011 die Voraussetzun gen dafür, dass die Jugendlichen eben nicht auf der Straße ste hen bleiben, sondern dass sie die Möglichkeit bekommen, ent weder einen Ausbildungsvertrag anzustreben oder eine ent sprechende Weiterqualifizierungsmaßnahme zu besuchen.
Allein durch die beabsichtigte Senkung des Klassenteilers auch an beruflichen Schulen schaffen wir nur für diesen Zweck 243 zusätzliche Unterrichtsdeputate an beruflichen Schulen, womit wir 108 zusätzliche Vollzeitklassen einrich ten.
Meine Damen und Herren, dass wir eine so niedrige Jugend arbeitslosenquote in Baden-Württemberg haben, liegt nicht nur daran, dass Betriebe ausbilden, sondern auch daran, dass wir hervorragende Weiterqualifizierungsangebote für unsere jungen Menschen machen können. Beides gehört zusammen, beides sind zwei Seiten derselben Medaille.
Natürlich machen Verzahnungsmodelle Sinn, und wir haben mit den Partnern der Wirtschaft auch vereinbart, dass wir ein solches Angebot dahin gehend unterbreiten wollen, dass Schü
lerinnen und Schüler, die das Berufskolleg I oder das Berufs kolleg II besuchen, im Anschluss an ihre Ausbildungszeit ei ne Anrechnung erfahren. Wir wollen aber den Unternehmen nicht vorschreiben, solche Verzahnungsmodelle in Anspruch zu nehmen, sondern es gehört in den Verantwortungsbereich der Wirtschaft, entsprechend verantwortungsbewusst damit umzugehen. Wir werben aber sehr dafür, diesen Weg zu ge hen, denn er ist nicht qualifikationsmindernd, sondern stellt auch eine Chance für die jeweiligen Unternehmen dar.
Meine Damen und Herren, die Linie der Landesregierung ist klar: Wir schaffen im Rahmen der landespolitischen Kompe tenz die Bedingungen dafür, dass die Unternehmen die nöti gen Voraussetzungen erhalten, um zusätzliche Ausbildungs plätze einzurichten. Daneben müssen wir aber den jungen Menschen gleichwertige Alternativen zur Verfügung stellen, damit sie im Rahmen unseres aufstiegsorientierten geglieder ten Schulwesens auch entsprechende Angebote erfahren, da mit sie später auch die gleichwertigen Chancen bekommen, einen Beruf zu erlernen. Damit ist Baden-Württemberg vor bildlich in ganz Deutschland und in Europa.
Herr Wacker, Frau Ber roth, hinter den 3,5 %, dem Durchschnittswert der Jugendar beitslosenquote für Baden-Württemberg, stehen natürlich auch konkrete Zahlen, die die Dimensionen noch anders beleuch ten. Im Landkreis Böblingen z. B. ging die Zahl der Ausbil dungsplätze um 23 % zurück.
Daher kann man nicht sagen, es sei alles in Butter. Fast jeder vierte Ausbildungsplatz im Landkreis Böblingen ist wegge fallen.
Das muss doch auch Ihr Wirtschaftsministerium einmal zur Kenntnis nehmen. Als wir im letzten Jahr, Frau Berroth, den Antrag gestellt haben, dass man für die Insolvenzproblema tik Übergänge schaffen muss – –
D’accord, da haben wir keinen Widerspruch zu dem, was das Wirtschaftsministerium in diesem Bereich gemacht hat. Das erkennen wir an.
Aber in den anderen Bereichen haben Sie eben nicht gehan delt. Wenn Sie sagen, es sei alles in Butter, dann ist festzustel len, dass wir im Jahr 2009 82 132 neue Ausbildungsverträge hatten. Frau Berroth, wissen Sie, wie viele es vor 20 Jahren
waren? Da waren es 105 000 neue Ausbildungsverträge. Fast jeder vierte Ausbildungsplatz in Baden-Württemberg ist ver loren gegangen. Da kann man doch nicht sagen, es sei alles super. Ich will ja nichts schlechtreden,
aber ich möchte klarmachen, dass wir die vor uns stehende große Aufgabe, den demografischen Wandel zu bewältigen, nur hinbekommen werden, wenn wir Reformen machen.
Auf der Internetseite des Wirtschaftsministeriums heißt es – diesen Hinweis kann ich Ihnen, Frau Berroth, nicht ersparen –:
Gleichzeitig ist es wichtig, das aktuelle Ausbildungssys tem für die Zukunft fit zu halten. Es muss ständig moder nisiert, weiterentwickelt und an rechtliche Rahmenbedin gungen sowie wirtschaftliche, strukturelle und gesell schaftliche Veränderungen angepasst werden.
Aber was Sie machen, ist eine Blockade, wenn es darum geht, hier wirklich Veränderungen vornehmen zu wollen.
Wenn man sehen will, wie eine Reform im Bereich der beruf lichen Bildung aussehen kann, muss man nur ins Nachbarland Schweiz gehen. Dort durchlaufen fast 78 % der jungen Leute eine duale Ausbildung. Diese Situation hatten wir in Deutsch land auch einmal. Das ist eigentlich das Kriterium, das wir ha ben.
Ein Punkt, Herr Wacker, ist mir noch ganz wichtig, nämlich die Frage der Freiwilligkeit. Wenn die Wirtschaft über Inge nieurmangel und Fachkräftemangel klagt – der für die nahe Zukunft vorhergesagt wird –, dann muss die Politik von der Wirtschaft auch verlangen, dass der Staat hier nicht als Puf fer dient, wenn es darum geht, junge Leute von einer Ausbil dung fernzuhalten oder auch nicht. Wir machen das hier mit Warteschleifen. Man muss von der Wirtschaft verlangen – das ist eine Frage der Verantwortung –, dass auch sie bereit ist, nicht zuletzt auch aus Kostengründen, die Ausbildungszeiten in den Berufskollegs anzuerkennen. Da möchte ich wirklich von Ihnen erleben, dass die Hasenfüßigkeit, die insbesonde re vom Wirtschaftsministerium betrieben wird, endlich ein mal aufhört.
Diesen Satz möchte ich Ihnen einfach einmal zitieren: „Die Freiheit der Erwachsenen heißt Verantwortung.“ Ich möchte
das noch zuspitzen: Die Freiheit der Politik ist, diese Verant wortung wirklich wahrzunehmen. Für uns gilt das im Beson deren für die junge Generation. Wenn wir immer über die jun ge Generation schimpfen,