Herr Kaufmann, was, bitte, würde ein Recht auf Ausbildung bringen? Sie wollen am laufenden Band irgendwelche Rechts ansprüche generieren.
Sie haben in 40 Jahren nicht gelernt, dass allein durch das Festschreiben eines Rechtsanspruchs dessen Einlösung noch keineswegs gewährleistet ist. Wir sorgen dafür, dass die Aus bildungsplätze da sind und dass die Wirtschaft so floriert, dass unsere Betriebe diese anbieten können.
Das ist wesentlich wichtiger. Sie sagen, nach fünf Jahren ar beite die Hälfte der jungen Menschen nicht mehr in dem Be
ruf, für den Sie ausgebildet wurden. In Zukunft wird das vie len Menschen so gehen. Ich bin in meinem Leben inzwischen mindestens im fünften Beruf; dabei gehöre ich noch zu Ihrer Generation. Dass man so, wie mein Mann es gemacht hat, wirklich ein Leben lang im selben Betrieb bleibt, ist eine Sel tenheit. Auf diese Flexibilität müssen sich auch junge Men schen einstellen.
(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das ist wirklich kein Schaden! – Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE: Wann haben denn die Menschen die Chance auf einen Aus bildungsberuf? – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)
Das heißt aber bei Weitem nicht, dass sie in einem schlechte ren Beruf sind. Im Wesentlichen entwickeln sie sich in die Richtung weiter, in der sie sich wohler fühlen. Dafür ist der Ausbildungsberuf eine gute Basis. Daraus sollte man jetzt nichts Schlechtes machen.
Im Antrag der Fraktion GRÜNE wurde gesagt, man solle „In solvenzlehrlinge“ aufnehmen. Dazu kann ich Ihnen nur im Sinne meines früheren Arbeitgebers sagen: „Gibtʼs schon.“ Die FDP/DVP-Fraktion hat bei den Haushaltsberatungen da für gesorgt, dass gerade der diesbezügliche Haushaltstitel im Wirtschaftsministerium noch einmal erhöht wurde.
(Zuruf des Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE – Ge genruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das haben Sie und Ihre Brüder verschuldet!)
setzt sich das Wirtschaftsministerium so sehr ein, dass dessen Mitarbeiter es zum Teil sogar persönlich „herausreißen“ und das Problem lösen. Ich habe bis jetzt noch von keinem Aus zubildenden eines insolventen Betriebs gehört, der nicht an derswo untergekommen ist.
Bei dieser Debatte vermisse ich eines: Sie sagen, wir müssten noch mehr schulische Angebote machen. Nein, unser Ziel ist ein anderes. Wir wollen, dass noch mehr Jugendliche direkt nach dem allgemeinbildenden Abschluss in eine duale Aus bildung kommen. Das ist das, was für junge Menschen wirk lich wichtig ist. Wenn man nämlich zehn Jahre in der Schule gewesen ist, dann stinkt einem häufig die Theorie. Dann bringt es einen wirklich vorwärts, wenn man einmal etwas mit der Hand am Arm schaffen kann. Genau das passiert in der dua len Ausbildung.
Wenn Sie die Menschen, die dabei Probleme haben, jetzt er neut in eine Schule schicken, dann bringt es denen überhaupt nichts. Sie brauchen die praktische Erfahrung, dass sie etwas herstellen können, was von der Gemeinschaft gebraucht und geschätzt wird.
Der Justizminister hat in diesem Sinn ein wichtiges Projekt auf den Weg gebracht. Das ist die Bildungspartnerschaft mit Eltern mit Migrationshintergrund. Das ist in der Tat wichtig, weil Eltern die Ausbildungsentscheidungen von jungen Men schen mitbeeinflussen.
Wenn, wie Sie, Herr Kaufmann, dargestellt haben, eine gro ße Zahl von jungen Menschen nicht den Ausbildungsberuf fin den, den sie sich wünschen, dann liegt das auch oft daran, dass sie gar nicht darüber informiert sind, was für Ausbildungsbe rufe es alles gibt.
Wenn jemand partout einen Ausbildungsberuf will, für den er nicht geeignet ist, kann ich es keinem Betrieb verargen, wenn er diesen Bewerber nicht einstellt. Aber wenn ein junger Mensch flexibel ist, findet er bei uns in der Regel einen Aus bildungsplatz. Es gibt jede Menge nicht besetzter Ausbil dungsplätze.
Im Osten Deutschlands geht man inzwischen dazu über, in Polen nach Auszubildenden zu fahnden, weil es im eigenen Haus nicht genügend gibt. Ich fürchte, so weit wird es auch bei uns kommen.
(Abg. Katrin Altpeter SPD: Nimm das Mikrofon! – Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE: Sprich ins Mikro fon! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Oder lauter sprechen!)
Frau Kollegin Berroth, Sie haben gerade darauf hingewiesen, dass es doch sinnvoll wä re, wenn möglichst viele Schulabgänger in eine duale Ausbil dung gingen. Können Sie quantifizieren, wie viele Ausbil dungsplätze es in Baden-Württemberg geben müsste, um die sem Anspruch gerecht zu werden?
Darf ich Sie außerdem bitten, zur Kenntnis zu nehmen, dass immer weniger Betriebe in unserem Land ausbilden und die Zahl der Ausbildungsplätze, wie Sie feststellen werden, wenn Sie sich die Entwicklung einmal über einen längeren Zeitraum anschauen, erheblich zurückgegangen ist?
Die Zahl der Ausbil dungsplätze ist aus zwei Gründen zurückgegangen. Zum ei nen ist sie aufgrund der Wirtschaftskrise zurückgegangen.
Viele Betriebe, gerade im Mittelstand, genieren sich, einen Auszubildenden einzustellen, wenn sie sicher wissen, dass sie ihn hinterher nicht weiterbeschäftigen können. Wenn der Be trieb das nämlich nicht tut, bekommt er von Ihnen auch wie der Dresche, und das völlig ungerechtfertigt. Ich habe es er lebt. Wir haben Betrieben gesagt: „Bildet doch wenigstens
aus.“ Hinterher sind Sie wieder über diese Betriebe hergefal len, weil sie ausgebildet haben, dann aber zu ihren Auszubil denden gesagt haben: „Tut mir leid, ich habe keine Aufträge und kann euch deshalb nicht weiterbeschäftigen.“
Das Zweite aber ist, dass viele nicht ausbilden, weil sie sagen, die Absolventen aus der allgemeinbildenden Schule bringen nicht das mit, was sie brauchen. Dafür brauchen wir leider viel zu oft das Übergangssystem.
Mein Ziel liegt darin, dass ein junger Mensch, der eine allge meinbildende Schule abschließt, auch wirklich ausbildungs reif ist und den direkten Weg in die duale Ausbildung findet.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: So ist es! – Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD)
Ich möchte noch zwei weitere Themen ansprechen. Sie hat ten das Verzahnungsmodell angesprochen, das Sie so toll fin den. Schauen Sie einmal in den Grundlagenbericht der En quetekommission. Darin steht deutlich, dass diese Verzah nungsmodelle vor Ort mit Akzeptanzproblemen konfrontiert werden. Daher kann man dieser Idee nicht viel abgewinnen.
Zum Zweiten zu der von Ihnen verlangten Verlängerung der Geltungsdauer dieses Paragrafen im Berufsbildungsgesetz. Auch das wurde zu Recht von der Wirtschaft abgelehnt, und es wurde in einer Bundestagsdebatte darauf hingewiesen, dass es bei einem Außerkrafttreten dieser Ermächtigung auch wei terhin praxistaugliche Instrumente für die Zulassung zur Kam merprüfung für Absolventen gibt, die bei Bedarf genutzt wer den.
Insgesamt: Wir müssen daran arbeiten, dass die Ausbildungs reife unserer jungen Menschen steigt und sie eine gute duale Ausbildung bekommen. Da haben wir in Baden-Württemberg wunderbare Chancen und europaweit die besten Zahlen. Wir sollten also keine solche Miesmacherei betreiben.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Die ter Hillebrand CDU: So ist es! Genau! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr gut!)
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist sicher richtig: Die Krise ist nicht jung. Wir haben sie allerdings auch noch nicht überwun den. Insofern wird das Ausbildungsjahr 2010 sicher noch ein schwieriges Jahr werden.
Ich füge hinzu, dass die globale Wirtschaftskrise gravierende Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung des Jahres 2009 hatte, auch auf den Ausbildungs- bzw. Arbeitsmarkt in BadenWürttemberg. Allein wenn man feststellt, dass das Exportvo lumen baden-württembergischer Unternehmen um 8 % zu
rückgegangen ist und damit die höchste Verlustquote aller Bundesländer verzeichnet wurde, ist das ein Beleg dafür, dass besonders Baden-Württemberg von dieser internationalen wirtschaftlichen Krise betroffen war und auch noch betroffen ist.
Jetzt könnte man annehmen, dass parallel dazu in BadenWürttemberg auch eine extrem angestiegene Arbeitslosenquo te besteht. Hier darf ich allerdings feststellen, dass wir mitt lerweile einen deutlichen Rückgang der Arbeitslosenquote zu verzeichnen haben.
Im Januar des Jahres 2010 betrug die Arbeitslosenquote 5,6 %, im Mai 4,9 %, und die Jugendarbeitslosenquote beträgt in Ba den-Württemberg mittlerweile 3,5 %. Damit haben wir im po sitiven Sinn deutschlandweit den besten Wert. Die Bundes agentur für Arbeit meldet uns gleichzeitig, dass 55 % der ar beitslosen Jugendlichen unter 25 Jahren nicht länger als drei Monate arbeitslos sind.