Protokoll der Sitzung vom 28.07.2010

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Sagen wir doch! – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Alles grün!)

Und – das ist entscheidend –: Wir starten bei Weitem nicht bei null. Schon heute konzentrieren sich die Forschungskompe tenz und die Entwicklungskapazitäten auf diesen Feldern hier bei uns im Land.

Die vier zentralen Wachstumskerne können bis zum Jahr 2020 mit 50 bis 80 Milliarden € zusätzlich zur Wertschöpfung in Baden-Württemberg beitragen.

(Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Wir werden deshalb die wirtschaftspolitische Profilierung des Landes, die Clusterstrategie und die Technologieförderung in Baden-Württemberg noch stärker und deutlicher auf diese Schwerpunktbereiche fokussieren.

McKinsey und das IAW halten es für möglich, dass mit die ser Schwerpunktsetzung in den nächsten zehn Jahren ein ge samtwirtschaftliches Wachstum von jährlich über 2,5 % er reicht wird. Mit dieser ambitionierten Zielvorgabe werden wir uns auseinandersetzen, um unseren Status im Wettbewerb der erfolgreichsten Wirtschaftsregionen der Welt auch im neuen Jahrzehnt zu behaupten.

Gerade im Bereich der nachhaltigen Mobilität kommt in Ba den-Württemberg schon derzeit vieles in Bewegung. Daimler und EnBW haben eine strategische Partnerschaft geschlossen

und wollen das Geburtsland des Automobils zur Motorregion für lokal emissionsfreie Elektromobilität machen. Ziele sind dabei neben der Erprobung von Elektrofahrzeugen auch der Aufbau einer kundenfreundlichen Stromlade- und Wasser stoffinfrastruktur und die Entwicklung neuer intelligenter La demanagementsysteme. Die EnBW hat darüber hinaus in Stuttgart einen Feldversuch mit 500 sogenannten Elektronau ten gestartet. Sie testen ein Jahr lang Elektroroller im Alltag. Die Audi AG hat angekündigt, in Neckarsulm ein Elektromo bilitätszentrum einzurichten und dort in naher Zukunft auch Elektrofahrzeuge produzieren zu wollen.

Ein Konsortium aus Vertretern der Industrie und von kleinen und mittleren Unternehmen hat sich formiert, um für 2011 ei nen Antrag zur „Industrialisierung der Elektromobilität“ beim Spitzenclusterwettbewerb des Bundes vorzubereiten und frist gerecht einzureichen.

Meine Damen und Herren, wir sind dabei, unsere Landesini tiative Elektromobilität sukzessive umzusetzen. Die e-mobil BW als Landesagentur für Elektromobilität und Brennstoff zellentechnologie hat es in den fünf Monaten seit ihrer Grün dung geschafft, ein klares inhaltliches Profil zu entwickeln und sich damit als neue Landesinstitution bei den wichtigsten Akteuren der Elektromobilität – regional und überregional – einen Namen zu machen.

Das Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie in Pfinz tal hat mit einem Landeszuschuss von 10 Millionen €, verteilt auf die kommenden fünf Jahre, begonnen, eine neue Projekt gruppe „Neue Antriebssysteme“ einzurichten. Ziel ist dabei ein umfassender Ansatz für nachhaltige Mobilität und dezen trale Energieversorgung.

Als Zeichen des Bekenntnisses zur Elektromobilität hat die Landesregierung neun Brennstoffzellen- und fünf Batterie fahrzeuge bestellt, von denen eines schon im Einsatz ist.

Auch im Bereich Umwelttechnik werden wir unsere schon heute führende Position weiter ausbauen. Experten schätzen hier die Wachstumspotenziale für Baden-Württemberg bis 2020 auf insgesamt 30 bis 35 Milliarden €.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Das merken Sie aber früh!)

Das Kabinett hat deshalb beschlossen, eine Landesinitiative Umwelttechnik und Ressourceneffizienz zu entwickeln, ein Innovationszentrum für Umwelttechnik einzurichten, einen Umwelttechnikatlas zu erstellen und bis Ende des Jahres ei ne Landesagentur einzurichten, die alle Aktivitäten für Um welttechnik, Ökoinnovationen und Ressourceneffizienz im Land bündeln soll.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. The resia Bauer GRÜNE: Das wird auch einmal Zeit! – Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Meine Damen und Herren, diese Anstrengungen sind wich tig. Denn Baden-Württemberg kann schon heute im Bereich der Umwelttechnik viel vorweisen. Ich nenne beispielhaft die Fotovoltaik. Baden-Württemberg gehört zu den führenden Standorten für Fotovoltaik in Deutschland

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Das ist aber nicht Ihr Verdienst!)

mit 9 300 Beschäftigten und einem Branchenumsatz in Höhe von 3,4 Milliarden €. 22 % des Solarstroms in Deutschland kommen aus Baden-Württemberg.

Um unseren Anspruch als Umwelttechnikland sichtbar zu un terstreichen, wollen wir außerdem Stuttgart als international führenden Messestandort für Umwelttechnik und Ressour ceneffizienz etablieren.

Mit der CEP und der Consense haben wir auf der Landesmes se Stuttgart schon heute die europaweit einzigen internationa len Fachmessen, die sich auf nachhaltiges und umweltgerech tes Bauen spezialisiert haben.

Dieses Profil wollen wir weiterentwickeln und ausbauen. Mit anderen Worten: Die „CeBIT der Umwelttechnik“ muss in Baden-Württemberg entstehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Wir bringen die erneuerbaren Energien weiter voran. Ihr An teil am gesamten Energieverbrauch in Baden-Württemberg hat kürzlich erstmals die 10-%-Grenze überschritten. Wir sind damit auf einem guten Weg, die ehrgeizigen Ziele unseres Energiekonzepts zu verwirklichen und zugleich den Energie standort Baden-Württemberg zu stärken.

Meine Damen und Herren, Energiepolitik ist Standortpolitik. Unsere Industrie ist auf eine verlässliche und bezahlbare Ener gieversorgung angewiesen – gerade jetzt im neuen Auf schwung. Immer weiter steigende Energiekosten und Versor gungsunsicherheiten sind im globalen Wettbewerb ein Stand ortnachteil. Wir haben in Deutschland schon jetzt mit die höchsten Stromkosten in Europa.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Experten sagen voraus, dass die Strompreise allein im nächs ten Jahr um nochmals 10 % steigen werden. Der Verbraucher zentrale Bundesverband e. V. hat berechnet: Der Anstieg der EEG-Vergütungen führt bei einer Familie mit einem durch schnittlichen Stromverbrauch dazu, dass die Stromrechnung allein im Jahr 2011 um weitere 14 € im Monat steigen wird.

(Abg. Thomas Knapp SPD: Das ist einfach falsch!)

Meine Damen und Herren, um es klar zu sagen: Ich will so schnell wie möglich den Ausbau regenerativer Energien. Ih nen gehört die Zukunft, und für diese Zukunft tun wir alles Mögliche in Baden-Württemberg.

(Zurufe: Außer bei der Windkraft!)

Ich möchte, dass wir die Leitungsnetze entsprechend moder nisieren und Pufferspeicher aufbauen, damit auch dann noch Strom aus der Steckdose kommt, wenn der Wind gerade nicht weht.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Hel mut Walter Rüeck CDU: Sehr gut! – Abg. Thomas Knapp SPD: Wenn Wyhl nicht kommt!)

Aber, meine Damen und Herren, ich möchte vor allem eines: Ich möchte, dass Energie für Privathaushalte und Unterneh

men in diesem Land bezahlbar bleibt – um das klipp und klar zu sagen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Wir können und dürfen nicht immer weiter an der Energie preisschraube drehen. Das wäre Politik gegen den Industrie standort Baden-Württemberg und gegen Millionen Verbrau cher im Land.

(Zuruf von der CDU: So ist es! Ja!)

Hohe Energiepreise sind schädlich für die Wirtschaft, und sie sind vor allem unsozial.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Franz Un tersteller GRÜNE: Das heißt, 50 % Atomstromanteil der EnBW nützen nichts?)

Deshalb bleibe ich dabei: Wir brauchen die Kernkraft als kli mafreundliche Brückentechnologie – so kurz wie möglich, aber so lange wie nötig.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wir brauchen sie vor allem, um den Ausbau der erneuerbaren Energieträger zu wirtschaftlich und technisch akzeptablen Be dingungen zu ermöglichen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr richtig!)

Wir brauchen hierzu den Beitrag, den die Kernkraftwerksbe treiber aus ihren zusätzlichen Gewinnen dazu leisten müssen.

Um es klar zu sagen: Ich führe keine Diskussion – weder heu te noch zu einem anderen Zeitpunkt –, in der die Bösen für die Kernkraft und die Guten für die erneuerbaren Energien sind.

(Abg. Thomas Knapp SPD: So ist es aber! – Heiter keit)

Ich bin für beides. Denn nur so können wir den Sprung in ein neues Energiezeitalter wirklich schaffen, meine Damen und Herren.

(Vereinzelt Beifall – Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Das ist die Denkweise von vorgestern! – Gegenruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Bei manchen dau ert es eben ein bisschen länger!)

Aber einen Punkt möchte ich gerade an dieser Stelle zu die sem Thema noch anmerken: Ich habe im März hier in diesem Haus gesagt, dass ich für eine klare Linie stehe, für Berechen barkeit und Verlässlichkeit.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Na, na, na! Das ist aber ein Hin und Her!)

Zu einem solchen Regierungsstil gehört es, dass man auch bei einem vermeintlich umstrittenen Thema weiß, worauf es an kommt – und nicht primär, was ankommt, meine Damen und Herren.