Protokoll der Sitzung vom 28.07.2010

Zu einem solchen Regierungsstil gehört es, dass man auch bei einem vermeintlich umstrittenen Thema weiß, worauf es an kommt – und nicht primär, was ankommt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Ha gen Kluck FDP/DVP: So ist es! Genau!)

Als dritter Wachstumssektor bietet die Gesundheitsbranche unglaublich große Zukunftspotenziale für unser Land. Schon heute trägt sie ein Zehntel zur Wirtschaftsleistung im Land bei. Ihr Volumen wird sich in den nächsten 20 Jahren voraus sichtlich verdoppeln. Die Gesundheitswirtschaft wächst lang fristig, sie wächst weltweit, und sie wächst vor allem konjunk turunabhängig.

Für Baden-Württemberg kann dies eine zusätzliche Wert schöpfung von 15 bis 20 Milliarden € bis zum Jahr 2020 be deuten, vor allem durch neue Behandlungsmethoden wie die Schlüssellochchirurgie oder die Nanomedizin, neue Materia lien, etwa für intelligente Implantate, und neue Infrastruktu ren, z. B. im Bereich der Telemedizin.

Neue Chancen entstehen hier ganz besonders an den Schnitt stellen zwischen Mikrosystemtechnik, Nanotechnik, Elektro technik und Telematik. Auf all diesen Gebieten, meine Damen und Herren, hat Baden-Württemberg hervorragende Struktu ren, die wir im Verbund zwischen Wirtschaft, Uniklinika und außeruniversitärer Forschung zielgerichtet verknüpfen und ausbauen werden.

Nicht zuletzt sind die Informationstechnik und ihre Anwen dungsgebiete für Baden-Württemberg interessante wachsen de Märkte. Vor allem Karlsruhe und die Rhein-Neckar-Regi on, aber auch der Raum Stuttgart gehören schon heute zu den profiliertesten IT-Regionen Europas. Wir richten gemeinsam mit der Stadt Walldorf und der SAP AG ein IT-Technologie- und Gründerzentrum in der Region ein. Dafür haben wir im Doppelhaushalt 2010/2011 zunächst 750 000 € zur Verfügung gestellt.

Informationstechnik wird in Zukunft in immer mehr Produk ten stecken, z. B. in neuen Sicherheitssystemen im Autobau. Aber auch intelligente Netze im Energie- oder Verkehrsbe reich stützen sich auf Softwarekomponenten. Hier werden wir besonders darauf zu achten haben, dass das Know-how und der Weiterbildungsstand der Beschäftigten im Land branchen übergreifend mit der rasanten technischen Entwicklung Schritt halten.

Die Landesregierung fördert die IT-Kompetenz gezielt und erfolgreich. Drei Viertel aller Baden-Württemberger sind schon heute online. Damit ist Baden-Württemberg das Flä chenland mit der höchsten Internetnutzung in ganz Deutsch land.

Auch unsere Hochschulen sind bestens gerüstet, um die Nach frage nach Fachkräften bewältigen zu können.

(Beifall des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Bravo!)

So gibt es an baden-württembergischen Hochschulen fast 300 Studiengänge in den Bereichen Informationstechnologie und Medien.

Grundlage gerade für unsere wirtschaftlichen Perspektiven in Baden-Württemberg bleiben auch in Zukunft die Bildung, das Wissen und das Können der Menschen im Land. Der neue Bil dungsvergleich der Kultusministerkonferenz hat einmal mehr belegt und unterstrichen: Wer eine baden-württembergische Schule besucht, der löst ein Erste-Klasse-Ticket für einen chancenreichen Bildungsweg, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Dieser Ländervergleich hat gezeigt: In vier von fünf unter suchten Testbereichen liegt Baden-Württemberg auf Platz 2 von 16. In einem weiteren Bereich liegt Baden-Württemberg auf Platz 3. Unsere Schüler haben beim Lesen und Schreiben zum Teil mehr als ein Jahr Vorsprung vor Gleichaltrigen in Bremen, Berlin oder Brandenburg.

(Beifall des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP – Zurufe der Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP und Franz Untersteller GRÜNE)

Meine Damen und Herren, das ist der objektive Erfolg unse rer Bildungspolitik, die gleichermaßen auf Innovation und Kontinuität setzt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Ha gen Kluck FDP/DVP: Bravo!)

Aber wir werden bei diesen Erfolgen nicht stehen bleiben.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Sehr gut!)

Auch hier wollen wir mehr Mobilität erreichen. In der Bil dungspolitik bedeutet dies Chancengerechtigkeit und Durch lässigkeit. Für mich ist der Aufstieg durch Bildung kein poli tisches Formelbekenntnis, sondern konkrete persönliche Le benserfahrung. Deshalb sage ich: Ich möchte alle Vorausset zungen dafür schaffen, dass in Baden-Württemberg jedes Kind – jedes Kind! – unabhängig von seiner Herkunft und unab hängig von seinem Elternhaus seine Chance auf den besten Bildungserfolg bekommt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Wir sind auf einem guten Weg. Baden-württembergische Ju gendliche mit Migrationshintergrund haben beim KMK-Test bundesweit am besten abgeschnitten.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Hört, hört!)

Bei der Entkopplung des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft haben wir seit PISA 2003 große Fortschritte ge macht. Wir liegen jetzt in Teilbereichen bereits im Spitzen feld.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Aber ich sage auch: Hier liegt noch ein gutes Stück Weg vor uns. Deshalb wiederhole ich – um dies heute einmal mehr klar zu artikulieren –: Im Bereich der Bildung wird mit mir nicht zu sparen sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Deshalb haben wir für die Bildung von Kindern im Alter zwi schen drei und zehn Jahren weitreichende Entscheidungen ge troffen und die Weichen richtig gestellt:

Das Land übernimmt die Sprachförderung ab dem kommen den Kindergartenjahr direkt.

Nach den Sommerferien wird der Klassenteiler in den Grund schulen in einem Rutsch auf 28 Schüler sinken. Wir erreichen damit kleinere Grundschulklassen

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Und woher kommen die Lehrer?)

und erreichen mit 810 weiteren Lehrerstellen noch bessere Lernbedingungen in diesem entscheidenden Bildungsalter.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es! – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Wir haben entschieden, ebenfalls schon im kommenden Schuljahr – jetzt, im September dieses Jahres – an über 400 Grundschulen auch Pädagogische Assistenten einzusetzen. Das gibt es sonst nirgendwo in Deutschland. Damit schaffen wir z. B. an Grundschulen mit hohem Migrantenanteil mehr und zielgenauere schülerindividuelle Förderung. Das ist Bil dungspolitik mit Blick auf die Zukunft, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Auch die neuen Werkrealschulen werden ihren Beitrag dazu leisten,

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Auweia!)

dass der Aufstieg durch Bildung für alle möglich wird.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Das ist ein Trug schluss! – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Zurückhalten, Frau Mielich!)

Sie werden ein großer Erfolg. Nicht zuletzt auch die Wirt schaft setzt auf sie.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Die IHK Region Stuttgart hat sie zu Recht als – ich zitiere – „zukunftweisend und einzigartig in der Bundesrepublik“ ge lobt.

Ich lade deshalb alle hier im Haus und im ganzen Land ein: Gehen Sie mit auf diesem vielversprechenden Weg, und un terstützen Sie uns dabei, mit der Werkrealschule eine neue, pädagogisch überzeugende Schulform aufzubauen, die unse re starke Bildungslandschaft weiter bereichert.

Das Gutachten von McKinsey sieht einen möglichen Bedarf von etwa 500 000 zusätzlichen Arbeitskräften bis zum Jahr 2020. Meine Damen und Herren, das Fachkräfteangebot in Zeiten des demografischen Wandels entsprechend auszubau en und zu sichern ist eine gigantische Herausforderung, die wir entschieden anpacken.

Neben den bereits ausgeführten Maßnahmen im Bildungsbe reich investieren wir in unsere Hochschulen und schaffen mit dem Ausbauprogramm „Hochschule 2012“ 20 000 neue Stu dienanfängerplätze. Diese Studienanfängerplätze werden jähr lich neu besetzt. Deshalb können im Endausbau rund 80 000 Studierende mehr ihr Studium aufnehmen. Das entspricht ei ner Größenordnung von drei bis vier Universitäten. Dafür werden wir bis zu 206 Millionen € pro Jahr zusätzlich einset zen.

Mit unserem Programm „Kinderland“ Baden-Württemberg fördern wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir wol len so dafür sorgen, dass engagierte und qualifizierte Frauen im Beruf bleiben können.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Dann gebt endlich ein mal Gas! – Gegenruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Wir haben seit dem Jahr 2003 die Mittel für die Kleinkindbe treuung verzehnfacht. Bis zum Jahr 2014 werden diese Mit tel kontinuierlich auf 175 Millionen € jährlich anwachsen. Bis zum Jahr 2014 werden für ein Drittel der Kinder unter drei Jahren Betreuungsplätze bereitstehen.

(Zurufe von den Grünen)

Schließlich muss die Migration von Hochqualifizierten nach Baden-Württemberg erhöht werden, meine Damen und Her ren. Vor allem ausländische Absolventen unserer Hochschu len im Land müssen nach Beendigung ihres Studiums ver mehrt bei uns im Land eine Heimat finden.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Richtig! – Abg. The resia Bauer GRÜNE: Das ist nichts Neues!)