Protokoll der Sitzung vom 28.07.2010

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Wir halten die Rücknahme des Personalabbaus in der Steuer verwaltung aus einem zweiten Grund für notwendig: Das sind schlicht die Steuereinnahmen. Auch wenn wir die finanzielle Situation des Landes betrachten, müssen wir sagen: Das Land ist darauf angewiesen, dieses Geld einzunehmen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum Sie es immer wieder ablehnen, dass Personal in der Steuerverwaltung eingestellt wird. Dieses Per sonal kostet ja nicht mehr Geld – auch das ist durch den Rech nungshof nachgewiesen –, sondern es rechnet sich. Wir haben einen Return on Invest und können dieses Geld für den Lan deshaushalt gut gebrauchen.

(Abg. Manfred Groh CDU: Bei d e m Länderfi nanzausgleich rechnet sich das nicht!)

Wir vermissen, Herr Kollege, dieses Mal auch die mittelfris tige Finanzplanung. In der Landeshaushaltsordnung ist gere gelt, dass diese auch bei einem Nachtragshaushalt vorgelegt werden soll. Dass Sie jetzt sagen, Sie wollten die neuesten Er

kenntnisse aus der November-Steuerschätzung einarbeiten, nehme ich zur Kenntnis. Das können Sie aber im November auch hinsichtlich der Mai-Steuerschätzung sagen, und das ha ben Sie – das muss ich noch einmal ganz deutlich in Richtung Finanzministerium sagen – bei der Vorlage des Haushalts im letzten Jahr auch gesagt.

Sie haben behauptet, der Haushalt sei im letzten Jahr deshalb so spät vorgelegt worden, weil Sie die Erkenntnisse aus der November-Steuerschätzung einarbeiten wollten. De facto war 0,0 von der November-Steuerschätzung in den Haushalt ein gearbeitet. Deswegen erlauben Sie mir die Bemerkung, dass es nicht besonders glaubwürdig ist – nachdem Sie die Einar beitung im letzten Jahr angekündigt haben und die Erkennt nisse aus der November-Steuerschätzung trotzdem nicht ein gearbeitet haben –, wenn Sie jetzt behaupten, die Vorlage ei ner aktuellen mittelfristigen Finanzplanung nur deshalb hin auszuzögern, weil Sie auf die November-Steuerschätzung warteten.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Manfred Groh CDU: Weil die vom Mai schon drin ist!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist vermutlich der letzte Haushalt – in diesem Fall ein Nachtragshaushalt –, den die ser 14. Landtag beschließen wird. Erlauben Sie mir deshalb zum Schluss einen Appell. Baden-Württemberg steht mitnich ten finanziell so gut da, wie es darzustellen versucht wurde. In einem Punkt haben Sie völlig recht: Was die explizite Ver schuldung, also die Verschuldung, die wir z. B. am Kredit markt haben, angeht, liegt Baden-Württemberg zwar mittler weile hinter drei anderen Bundesländern, steht aber noch re lativ gut da.

Wenn wir aber – Kollege Stratthaus hat uns das sozusagen als Vermächtnis mitgegeben, bevor er aus dem Amt des Finanz ministers ausgeschieden ist – die implizite Verschuldung, al so die Verschuldung durch mangelnde Rückstellungen für die Pensionen unserer Beamtinnen und Beamten, einbeziehen, dann stellen wir fest, dass wir unter allen Flächenländern am Ende liegen.

(Zuruf des Abg. Manfred Groh CDU)

Das können Sie in einer Veröffentlichung der Universität Frei burg – Institut für Finanzwissenschaft, Professor Raffelhü schen – nachlesen, Herr Groh. Das habe nicht ich erfunden, sondern das wurde von Finanzwissenschaftlern nachgerech net. Kollege Stratthaus hat hier im Plenarsaal bestätigt, dass es so ist. Wenn auch die implizite Verschuldung berücksich tigt wird, liegen wir am Ende der Flächenländer. Hinter uns sind nur noch Berlin, Bremen und Hamburg.

Angesichts dessen müssten wir uns schon in aller Offenheit und Ehrlichkeit – bei allem Wahlkampf, der ansteht – darüber im Klaren sein, dass wir für diese vor uns liegende Zukunfts aufgabe eine Lösung brauchen.

Ich bin nicht so blauäugig, zu glauben, dass wir das bei dem anstehenden Wahlkampf vor einer Landtagswahl hinbekom men. Ich möchte aber dringend darum bitten, dass sich dieses Haus spätestens zu Beginn der nächsten Legislaturperiode of fen und ehrlich mit diesem Thema beschäftigt. Das schließt ein, dass nicht nur das, was explizit an Zukunftslasten im

Haushalt steht, sondern real und ehrlich alles berücksichtigt wird.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das hat nichts mit „ehrlich“ zu tun!)

Ich empfehle dem Haus deshalb, in der kommenden Legisla turperiode einen Sonderausschuss hierfür einzusetzen.

Wir haben schon wegen anderer Themen z. B. Enquetekom missionen und Ausschüsse eingesetzt. Wir sollten den Zu kunftslasten, die wir den kommenden Generationen zumuten, dringend einen Ausschuss widmen und dort vielleicht – das wäre mein Wunsch – in großer Einigkeit überlegen, wie wir mit diesen Zukunftslasten umgehen. Die mittelfristige Finanz planung des Landes gibt darauf keine Antwort. Ich habe bis her insgesamt noch keine überzeugenden Antworten dazu ge sehen. Deswegen sollte sich ein solcher Ausschuss parteiüber greifend mit der Frage „Was muten wir den zukünftigen Ge nerationen zu?“ beschäftigen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schlachter für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Stächele hat in den letzten Wochen wiederholt auf notwendige Kraftan strengungen hingewiesen, so etwa gegenüber der „Stuttgarter Zeitung“, die in ihrer Ausgabe vom 24. Juni schreibt:

Schon die Prognosen für 2012 und 2013 zeigen Stächele zufolge, dass es auch bei höheren Steuereinnahmen größ ter Kraftanstrengungen bedarf, den Haushalt zu konsoli dieren.

Diesen Worten stimme ich gern zu. Aber Sie lassen keine Ta ten folgen. Was wir von Ihnen, Herr Minister, hören, sind kei ne finanzpolitischen Kraftanstrengungen, sondern vielleicht politische Kraftmeiereien, indem Sie anderen Bundesländern immer wieder öffentlich empfehlen, wo sie sparen sollen und was sie ausgeben dürfen oder nicht.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Bremen! Rot-Grün oder Rot-Rot! Nehmerländer!)

Das ist vielleicht allenthalben Pulverdampf. Aber Sie verwi schen damit nur, dass Sie selbst bei der Haushaltskonsolidie rung versagen

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Die Neh merländer!)

und nicht an der Lösung des Problems dran sind.

Wer also meint, er könne anderen Ländern Vorschriften ma chen, wie sie Geld auszugeben haben, der hat meines Erach tens den Föderalismus einfach nicht verstanden.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Insbesonde re bei den Nehmerländern! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Es kommt darauf an, mit welchem Geld sie das machen! Wenn sie das mit selbst erwirtschaf tetem Geld machen, haben Sie recht!)

Er hat offensichtlich nicht verstanden, dass der Länderfinanz ausgleich ein reiner Einnahmeausgleich ist.

(Abg. Manfred Groh CDU: Das wissen Sie doch auch! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Aber das ist ein Überausgleich! So blöd sind wir nicht!)

Das heißt, wie viel Geld ein anderes Bundesland wofür aus gibt, hat mit dem Länderfinanzausgleich nichts, aber auch gar nichts zu tun.

(Abg. Manfred Groh CDU: Das ist doch gerade das Problem!)

Herr Kollege Groh, jetzt sind wir ja im Ranking der Bundes länder leider zurückgefallen. In diesem Jahr zahlen wir schon 300 Millionen € weniger in den Länderfinanzausgleich. Bitte lassen Sie von diesem Thema ab. Das können wir hier in die sem Haus nicht regeln. Wir sind dafür nicht zuständig. Also müssen wir darüber nicht immer jammern. Das müssen wir auf anderen Ebenen mit guten Vorschlägen regeln, aber nicht in diesem Haus. Deshalb gehört das Thema meines Erachtens auch nicht hierher.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Auch bei Herrn Stächele ist das, wie gesagt, nichts anderes als Theaterdonner. Die Ausgabenwünsche der anderen Bun desländer sind, wie ich meine, nicht unser Thema. Theater donner macht noch kein Drehbuch, und Theaterdonner zu ver anstalten macht noch keinen guten Regisseur.

Wenn ich den Haushalt anschaue, stelle ich fest, dass wir trotz des Nachtragshaushalts 4,5 Milliarden € neue Schulden auf nehmen. Stolz sollten wir darauf eigentlich nicht sein.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Ihr fordert doch mehr Geld für Privatschulen!)

Es gibt andere Länder, etwa Sachsen, in denen die Situation anders ist. Sachsen legt einen Haushalt mit einem Überschuss von 640 Millionen € vor. Auch in Schleswig-Holstein – auch da regiert Ihre Partei – werden immense Sparanstrengungen gemacht. Die Leute sagen dort: „10 % unserer Personalkos ten wollen wir bis 2020 einsparen“, und sie sagen auch ganz konkret, wie sie das machen wollen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das haben wir doch alles schon hinter uns! Schon lange! – Gegen ruf des Abg. Peter Hofelich SPD)

Ich muss sagen: Das finde ich mutig. So etwas müssten wir hier auch einmal machen.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

In Schleswig-Holstein wird bei den Spitzenbeamten mo mentan gekürzt, während wir außer der Reihe – hinten her um, sage ich jetzt einmal – Bezüge anheben. Das passt nicht in die Zeit und hat, wie ich meine, mit konsequentem Sparen gar nichts zu tun.

Wir waren uns hier im Haus schon einmal mit Herrn Oettin ger einig, dass wir bis 2020 10 % der Personalkosten einspa ren wollen, dass also rund 20 000 Stellen wegfallen sollen.

Der Präsident des Rechnungshofs gibt uns in seiner aktuellen Denkschrift recht.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Vom Ministerpräsidenten oder auch vom Herrn Finanzminis ter hören wir in jeder Woche bei „Hausbesuchen“ oder in Ge sprächen mit Interessenvertretern, wo wir angeblich nicht spa ren können.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Aber Sie wissen schon, dass wir jetzt über den Haushalt für das Jahr 2011 reden und nicht über den Haushalt für 2020?)

Wenn wir an morgen denken, müssen wir heute einen Spar pfad benennen. Wir dürfen nicht nur erklären, wo überall wir nicht sparen können.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Wo macht der Finanzminister denn Hausbesu che?)

Heute Morgen haben wir der Regierungserklärung von Herrn Ministerpräsident Mappus die bemerkenswerte Einsicht ent nommen, dass man bei den Ausgaben sparen müsse. Ja, Ent schuldigung, wo denn sonst?