Protokoll der Sitzung vom 28.07.2010

Heute Morgen haben wir der Regierungserklärung von Herrn Ministerpräsident Mappus die bemerkenswerte Einsicht ent nommen, dass man bei den Ausgaben sparen müsse. Ja, Ent schuldigung, wo denn sonst?

(Heiterkeit der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Woanders geht es doch nicht! Ich kann nur bei den Ausgaben sparen. Möglichkeiten zur Erhöhung der Einnahmen oder wei tere Steuererhebungsmöglichkeiten haben wir in Baden-Würt temberg auch nicht.

(Abg. Albrecht Fischer CDU: Wo sparen Sie denn, Herr Schlachter? – Abg. Dieter Hillebrand CDU: Jetzt reden Sie schon zehn Minuten und haben noch keinen Vorschlag gemacht!)

Es ist eine bahnbrechende haushaltspolitische Erkenntnis, dass man das merkt.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Ich habe ei ne Zwischenfrage!)

Ich beantworte Ihre Frage jetzt nicht, Herr Wetzel; die brau chen Sie gar nicht zu stellen.

Ich muss Ihnen sagen: Da waren wir früher, unter Herrn Oet tinger, schon einmal besser. Die Erkenntnis, man könne bei den Ausgaben sparen, hatten alle anderen hier auch schon vor her.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Vorschläge! – Gegen ruf des Abg. Manfred Groh CDU: Die haben die doch nicht!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben bestimm te Grenzen einzuhalten, die vor uns liegen. Für Baden-Würt temberg gilt ab 2020 ein Verschuldungsverbot. Ich merke je doch an keiner einzigen Äußerung, ich merke nirgends, dass die Landesregierung einen Plan oder eine Peilung hätte,

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Natürlich haben wir das!)

wie wir diese Verschuldungsgrenze einhalten können. Denn die mittelfristige Finanzplanung zeigt bei genauerer Betrach tung auf: Wir werden 2020 mehr als doppelt so viele Schul den haben wie heute – ganz zu schweigen von dem, was der Kollege Rust recht dramatisch angesprochen hat, nämlich die Pensionsverpflichtungen in Höhe von über 5 Milliarden €.

(Zuruf des Abg. Ingo Rust SPD)

Wenn wir auch heute noch einen halbwegs vernünftigen Haus halt haben, so ist doch die Aussicht für die Zukunft nicht so ganz toll.

Wir haben übrigens auch hier eine Schuldenbremse im Lan deshaushalt. Die 4,5 Milliarden € müssen wir bis 2015 zu rückgeführt haben. In der mittelfristigen Finanzplanung fin det das Ganze dann mit irgendwelchen Luftbuchungen statt. Jedenfalls ist nicht realistisch dargestellt, wie wir bis 2015 die 4,5 Milliarden € abbezahlen wollen. Das muss man einfach einmal sehen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Machen wir!)

Jetzt spüren wir an einem kleinen Punkt so langsam ein klit zekleines bisschen Realismus bei der Landesregierung, näm lich bei den CDU-Regionalkonferenzen. Unlängst hat der Herr Ministerpräsident – ich glaube, bei einer CDU-Regionalkon ferenz in Walldorf – gesagt: „Wir wollen das Projekt Stutt gart 21 nicht um jeden Preis.“

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Hört, hört!)

Seit gestern kennen wir einen halbehrlichen Preis; dieser Preis ist doppelt so hoch wie ursprünglich angenommen. Ich hoffe, dass Sie alle miteinander so vernünftig sind und erkennen, dass das Projekt zu diesem Preis einfach nicht realisierbar ist.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Karl Zim mermann CDU)

Als einer von wenigen Nutzern der Strecke Ulm–Stuttgart in diesem Haus – vielleicht bin ich sogar der Einzige – begrüße ich es, wenn die Züge auf dieser Strecke schneller fahren kön nen. Da bin ich sofort dabei. Aber die Neubaustrecke zu fi nanzieren ist Aufgabe von Bund und Bahn. Seit gestern wis sen wir, dass der Bund 1 Milliarde € mehr zahlen muss und es keine Beschleunigung des Projekts gibt. Damit ist doch die Grundlage Ihres Vertrags, nämlich dieses Milliardengeschenk an Bund und Bahn, entfallen. Sie regieren doch in Berlin, und Sie jammern immer darüber, der Finanzausgleich sei so un gerecht. Bei Stuttgart 21 handelt es sich um ein Projekt, wel ches der Bund zu finanzieren hat. Seid Kerle, Herr Groh, und sorgt dafür, dass Bund und Bahn diese Strecke finanzieren! Dann ist das Ganze sauber und ordnungspolitisch korrekt.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Dann habt ihr nichts mehr gegen Stuttgart 21?)

So kann man das machen. Dann können Sie für diese Strecke auch mit unserem Plazet rechnen.

(Vereinzelt Beifall – Zurufe von der CDU: Oi! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Ihnen geht es also nur ums Geld!)

Meine Damen und Herren, der Ministerpräsident hat sich un längst noch einmal ansatzweise realitätsnah gezeigt. Denn er hat gemerkt: Wir brauchen strukturell einen mittelfristigen Einsparpfad in Höhe von 1 Milliarde € pro Jahr, damit wir im Jahr 2020 nicht in die Schuldenfalle laufen. Das hat er vor sechs, acht Wochen gesagt.

(Zuruf des Abg. Manfred Groh CDU)

Wir haben das hier schon vor eineinhalb Jahren gesagt und sind verwundert, dass sich Herr Mappus grünen Positionen annähert. Ich bin sogar fast überrascht davon.

(Lachen der Abg. Karl Zimmermann und Albrecht Fischer CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: „Er freut“, sollte man sagen!)

Diese Bemerkung des Ministerpräsidenten ist ein Ausdruck dafür, dass bei ihm ein Stück Realismus angekommen ist.

Es gibt noch eine weitere Utopie, die sich auch in diesem Lan deshaushalt widerspiegelt, nämlich die Ideologie der Kolle gen von der FDP/DVP: Privat ist alles billiger und besser. Jetzt stellt der Landesrechnungshof in seiner aktuellen Denkschrift hinsichtlich der Übertragung der Bewährungs- und Gerichts hilfe auf einen freien Träger fest, dass aus der erhofften Effi zienzrendite von 10 bis 15 % nichts geworden ist.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Haben Sie nicht zu gehört? – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Das Land muss 47 Millionen € mehr bezahlen, als es bei Ei genbesorgung hätte aufwenden müssen.

(Beifall der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE – Abg. Ha gen Kluck FDP/DVP: Aber viel besser! – Abg. Hei derose Berroth FDP/DVP: Können Sie mir sagen, was das mit dem Nachtragshaushalt zu tun hat?)

Herr Kollege Kluck, ich kann Ihnen nur sagen: Fragen Sie bei solchen Dingen zukünftig Experten. Man sollte die Ideologie beiseitelassen, vernünftig überlegen und nicht alles auf Teu fel komm raus privatisieren. Das gilt natürlich insbesondere auch für die Landesbank. Auch dabei sind Sie auf dem fal schen Pfad.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Heute Morgen habe ich vom Herrn Ministerpräsidenten ge hört, dass wir 50 Millionen € für die Schuldentilgung vorse hen. Herr Kollege Groh gibt sich auch noch dafür her, 50 Mil lionen € – sie entsprechen bei diesem Schuldenstand nicht ein mal einem Promille – als Tilgung zu lobpreisen.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sie stellen Anträge oh ne Deckungsvorschlag!)

Schaut man in den Einzelplan 12, dann sieht man: Da ist es eine Soll-Haben-Buchung, genauer gesagt: Einer Rücklagen entnahme wird eine Rücklagenzuführung gegenübergestellt. Herr Groh, Herr Stächele, Herr Ministerpräsident, das ist Hüt chenspielerei. Bei einer seriösen Haushaltspolitik machen wir so etwas nicht.

(Beifall bei den Grünen – Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordne ter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich möchte zum Ende kom men. – Wir können feststellen, dass sich das Land haushalts politisch momentan auf einem schwierigen Weg befindet und dass wir an der Haushaltspolitik dieses Landes einiges zu be mängeln haben. Es gibt überhaupt keinen Gedanken an Haus haltskonsolidierung und nachhaltige Finanzpolitik.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Anträge von Ih nen dazu gibt es auch nicht!)

Dennoch stimmen wir diesem Nachtragshaushalt zu, weil er korrekte, gemeinsam erarbeitete Ergebnisse aus dem Sonder ausschuss „Winnenden“ widerspiegelt. Wir stimmen unter Zu rückstellung unserer Bedenken zu,

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das hätten Sie doch gleich sagen können!)

weil wir diese Gemeinsamkeit in der Prävention von Gewalt natürlich mittragen wollen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist vernünftig!)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Frau Abg. Berroth das Wort.

Frau Präsidentin, mei ne Damen und Herren! Es findet wieder das gleiche Spiel mit den üblichen Verdächtigungen statt. Herr Kollege Schlachter, ich weiß nicht, wie sehr Sie sich schon mit dem Länderfinanz ausgleich befasst haben. Wenn Sie sich das Ganze genau an schauen würden, würden Sie feststellen, dass es sich dabei seit Langem um einen Überausgleich handelt. Deshalb haben wir sehr wohl das Recht, einmal zu schauen, was die anderen Län der mit dem Geld tun, das uns zu viel abkassiert wird.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf: Sehr richtig!)

Die Gegenfinanzierung, die die SPD jetzt bietet, trägt sich des halb nicht, weil uns das meiste, was wir zusätzlich einnehmen würden, sofort wieder weggenommen würde.